Die Darstellung folgt Dürers Holzschnitt aus der ‚Kleinen Holzschnittpassion‘ (1511). Die Untersicht der Szene mit Mauerbogen, Treppenstufen und offenem Gebälk stammt von dorther, auch die Mariengestalt dürfte hauptsächlich auf Dürers Fassung zurückgehen. Spiegelbildlicher Bezug und die Trennung mancher Elemente (wie etwa Bogen und Treppenstufen) widersprechen dem nicht. […]
Der Holzpfosten, neben dem Joseph hervortritt, wie auch die Schränge des Balkens oben, erinnern an Cranachs Anbetung der Könige in Gotha. Von den Madonnendarstellungen kommt das Gemälde in Kopenhagen [Friedländer, Rosenberg 1932, 38, No. 44] dem Naumburger Bild am nächsten.
Der biblische Bericht berührt die Szene nur mit den Worten ‚pannus‘, was Luther mit ‚Windeln‘ übersetzt, und ‚praesepium, was ‚Krippe‘ wie ‚Stall‘ bedeuten kann. Ochs und Esel, auch der Blick auf die Stadt, bleiben im Rahmen üblicher Ausstattuung der Geburtszene, während das Tragetuch der Engel ungewöhnlich ist. Hier scheint ein Bezug auf das Grabtuch Christi anzuklingen, wie es in großartiger Weise ein Holzschnitt Hans Baldung Griens zeigt.
Die gedrungenen Proportionen der Figuren, dazu die Form des Kragens beim Hirten, wie auch die Bewegung des Engels an der Kopfseite des Jesuskindes – er stemmt den Fuß gegen die Kante des Gewölbes – hat Entsprechungen in Holzschnitten Cranachs aus dem Jahre 1509. Etwa dieser Zeit dürfte auch das Gemälde angehören. […]
Ursprünglich wird es auf einem der Marienaltäre gestanden haben. Die vom Verfasser früher geäußerte Annahme eines Zusammenhanges mit den beiden Flügelbildern in Dessau, anhaltische Gemäldegalerie, dürfte damit unwahrscheinlich geworden sein. […]
Es mag belanglos erscheinen, dass bei einem signierten späten Täfelchen von miniaturhafter Ausführung die Hauptzüge des Naumburger Bildes auftauchen (Katalog der Gemäldeauktion Fischer Luzern vom 2. Dezember 1993, 84 f., No. 2155). Die Abordnung der Hirten erscheint im Mittelgrund, ergänzt allerdings durch die Verkündigung in der Ferne. Verschwunden ist die Engelsschar beim Kind. Die lutherische Betrachtungsweise hat sich bei diesem Bild durchgesetzt. Es fehlt daher der Heiligenschein bei Maria. Die Engel bleiben im Himmel. Allein Ochs und Esel bilden mit Maria und Joseph die Umgebung des Neugeborenen, der im Steintrog nackt in grotesk anmutender Isolierung erscheint. Die von Dieter Koepplin gegebene Datierung ,um 1550‘ ist zutreffend. Die Ausführung, auch im Hinblick auf die Züge der Umstellung gegenüber der frühen Fassung, spricht allerdings für Lucas Cranach den Jüngeren
[Schade, in Kunde 2006, 125, 126, 127, 128]