Bildnis eines Prinzen

Die Flächigkeit in der Faltengebung und im Gesicht, der Mangel an Souveränität und Vitalität (die spröde Zeichnung der Straußenfeder fällt besonders auf, entspricht aber der ganzen Ausführung des Porträts), dazu der untadelige Fleiß und die wohl echte Signatur lassen erwägen, ob nicht der ca. 16jährige Hans Cranach hier mit der auf sein Alter abgestimmten Aufgabe betraut worden ist, den Prinzen zu malen. Für den Vater Cranach kommt das hübsche Werk nicht in Frage. Der Charakter des Bildes, besonders auch die tonige Zusammenfassung der Haarglocke (eine nicht aus der Masse gestaltete, sondern zeichnerisch begrenzte und dann

schattierte Plastizität) passen gut zum 1534 datierten, von Hans Cranach signierten Porträt Nr. 625. Wenn man hört, dass Lucas van Leyden mit 12 Jahren und 1508 mit 14 als Wunderkind perfekte Werke geschaffen hat, dass die frühesten erhaltenen, reifen Werke Hans Holbeins d.J. vom Achtzehnjährigen stammen, dass Mantegna den ersten Auftrag für Fresken im Alter von 16 Jahren erhalten hat und dass Raffael mit 17 Jahren seinen Namen unter einen Liefervertrag für einen Altar setzte (L. Grote, Vom Handwerker zum Künstler, Das gesellschaftliche Ansehen Dürers, in: Fs. Hans Liermann zum 70. Geb., Erlangen 1964, S. 29), dann dürfte möglich sein, dass die vom Vater angelernten Söhne Hans und Lucas Cranach d. J. mit 14-15 Jahren zu produzieren begannen, d.h. um 1528 und 1530 einsetzten (vgl. Bemerkungen bei Nr. 574, Abb. 322, S. 278 und bei Nr. 194 - entsprechend der Angabe des Johann Stigel 1537/38, dass Hans Cranach von Luthers Bildnis «per mille exempla» gemalt habe. Flechsig (Cranachstudien, S. 241) meint über den anderen Cranach-Sohn, L. Cranach d. J.: «Im Alter von etwa 15 Jahren, also um 1530, wird er schon so weit entwickelt und namentlich technisch ausgebildet gewesen sein, dass er Aufträge, die der Vater bekam, selbständig ausführen konnte.»

[Exhib. Cat. Basel 1976, 698]