Untermalung
Die mikroskopische Untersuchung, das Röntgenbild und die IR-Reflektografie belegen, dass die
gesamte Bildkomposition zuerst in verschiedenen Grautönen angelegt wurde, bevor die farbige
Ausführung erfolgte. In unterschiedlichen Graunuancen wurden Einzelformen,
Volumen und Beleuchtungssituation festgelegt. Der Farbauftrag erfolgte überwiegend stupfend.
Nachfolgend wurden die Übergänge der grisailleartigen Modellierung mit einem weichen
Haarpinsel vertrieben, woraus die partiell streifigen Strukturen, z.B. im Oberkörper des
Christuskindes und am Hals der Maria, resultieren. Im Gesicht der Maria erscheint die
Beleuchtungssituation durch verstärkten Bleiweißauftrag relativ schematisch geklärt.
Grisailleartige Untermalungen einzelner Bildelemente fanden in der Cranach-Werkstatt über viele
Jahrzehnte Anwendung. Eine der farbigen Gestaltung vorausgehende Modellierung der gesamten
Bildkomposition in Grautönen ist bisher vor allem an größeren Werken aus den 1540er Jahren
nachgewiesen worden. In dieser Weise konnten besonders weiche Tonwertabstufungen in
Gesichtern, Gewändern oder im Himmel ohne den Einsatz von Buntpigmenten vorbereitet
werden. Zugleich erlaubte diese Form des Bildaufbaus eine Zwischenkontrolle der intendierten
Bildwirkung, was insbesondere in einer arbeitsteiligen Werkstattproduktion von Bedeutung
gewesen sein dürfte.
Inkarnat und Haare
Auf der grisailleartigen Untermalung erfolgte die weitere Modellierung der Gesichtsformen mit
einer hellen Ausmischung aus Bleiweiß und zinnoberroten Pigmenten. Schatten sind unter
Einbeziehung der grauen Anlage mit halbtransparenten bräunlichen Lasuren geformt und
Lichtakzente mit hellerer Inkarnatfarbe aufgesetzt. Während der Inkarnatfarbe in den
Wangenbereichen verstärkt Rotpigment zugesetzt wurde, ist in kühlen Halbschatten auch
Blaupigment (Azurit?) nachweisbar. Das Röntgenbild spiegelt die sichere und systematische
Modellierung der Gesichtsformen wider. Der Farbauftrag erfolge ebenfalls in stupfender
und streichender Weise. Detailformen, wie Augen und Münder sind unter Berücksichtigung des
Abbildungsmaßstabes vergleichsweise sicher ausgeführt.
Die Haare sind in unterschiedlicher Intensität bräunlich unterlegt und nachfolgend mit feinen
Strichlagen in unterschiedlicher Farbigkeit differenziert. Dabei erscheinen die
einzelnen Haare mit unterschiedlicher Präzision und Sicherheit gezeichnet. Während in der
zeitlichen Abfolge die Haare mehrheitlich vor der Ausführung des weißen Schleiers der Maria
aufgetragen sind, liegen einzelne elegant geformte Haarlinien auch auf der weißen Farbe.
[...]
Gewänder
Das heute grünlich erscheinende Kleid der Maria war ursprünglich blau. Bei mikroskopischer
Betrachtung lassen sich deutlich azuritblaue Pigmente erkennen, die durch einen aufliegenden
bräunlichen Überzug verfärbt erscheinen. Der Farbauftrag erfolgte auch hier
überwiegend in stupfender Weise.
Der rote Mantel wurde auf der grauen Untermalung mit einer opaken zinnoberroten
Farbmischung stupfend, streichend und partiell auch strichelnd angelegt und
nachfolgend mit roten transparenten Lasuren relativ routiniert fertiggestellt. Das weiße
Tuch ist überwiegend nass in nass mit weißen und schwarzen Pigmenten ausgeformt. Dabei
erscheinen die Falten am rechten Bildrand weniger überzeugend umgesetzt. Ebenso spiegelt der
Pelz des Johannesknaben wenig Interesse am Detail.
Das Röntgenbild verdeutlicht, das der gesamte Malprozess präzise geplant von statten ging. Alle Einzelformen wurden unter klarer Abgrenzung ausgeführt. Wesentliche Veränderungen sind nicht erkennbar.
[Heydenreich, examination report 2011, 3-4]