"Ähnlich wie Lucas Cranach d. Ä. für Martin Luther, so prägte Hans Holbein d. J. ab 1523 für den Humanisten Desiderius Erasmus von Rotterdam einen Bildnistypus, der innerhalb seiner Werkstatt mehrfach wiederholt und von vielen anderen Künstlern aufgegriffen wurde. Erasmus gehörte zu den führenden Gelehrten seiner Zeit: Luther fertigte die
"Ähnlich wie Lucas Cranach d. Ä. für Martin Luther, so prägte Hans Holbein d. J. ab 1523 für den Humanisten Desiderius Erasmus von Rotterdam einen Bildnistypus, der innerhalb seiner Werkstatt mehrfach wiederholt und von vielen anderen Künstlern aufgegriffen wurde. Erasmus gehörte zu den führenden Gelehrten seiner Zeit: Luther fertigte die deutsche Übersetzung des Neuen Testaments auf Grundlage des von Erasmus 1516 edierten griechischen Originaltextes an, überwarf sich jedoch 1524 mit ihm in der Frage des freien Willens. Einige nach Vorlage eines Porträts von Quentin Massys (1517, Palazzo Barberini, Rom) im Jahr 1519 gefertigte Bildnismedaillen des Erasmus konnten offensichtlich das europaweit hohe Interesse an seinem Abbild nicht stillen. Die qualitätvolle Tafel der Cranach-Werkstatt folgt bis ins Detail dem gemalten Typus Holbeins und erweitert nur unwesentlich den Bildausschnitt, vor allem zeichnet sie sich aber durch die Vergrößerung des Formats aus. Möglicherweise ließ der Tod des Erasmus im Jahr 1536 am kursächsischen Hof oder bei den Humanisten der Wittenberger Universität den Wunsch nach einer solchen, deutlich repräsentativeren Bildlösung aufkommen, dem Cranach mit dieser Fassung nachgekommen ist. Es war wiederum Holbein, der für seinen um 1532 entstandenen Porträtholzschnitt Martin Luthers auf Cranachs gemalte Rundbildnisse des Reformators als Vorlage zurückgriff, wie sie in dem Exemplar des Kunstmuseums Basel überliefert sind."
[Görres, Exhib. Cat. Düsseldorf 2017,160, No. 71]