Das vorliegende Bildnis wurde erstmals 1916 veröffentlicht als es bei einer Auktion als Werk Lucas Cranachs des Älteren zum Verkauf stand.[1] Diese Zuschreibung wurde später von Heinrich Zimmermann sowie Max Friedländer und Jakob Rosenberg bestätigt.[2] Innerhalb der Cranach-Literatur fand die Tafel wenig Beachtung, was wahrscheinlich mit ihrem Verblieb in Privatbesitz bis zum Jahr 1981 zusammen hieng.[3] Stilistisch ist sie stimmig anderen Bildnisse aus den den 1530er Jahren beizuordnen, etwa dem Bildnis eines Mannes mit Barett von 1532 (ehemals Alfredo Hirsch Collection, Buenos Aires), dem Bildnis eines Mannes mit Rosenkranz des selben Jahres (Kirchenkreis Alt-Hamburg) oder jenes des Kanzlers Gregor Brück von 1533 (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg).[4] Die Unterzeichnung, die aus dünnen, spärlich gesetzten Konturlinien bei den Gesichtern und Händen besteht, ist vergleichbar mit der des Bildnis Brücks.[5] Die Röntgenaufnahme zeigt einen sparsamen Aufbau der Malschichten, besonders im Bereich der Inkarnate. Die schnelle und sichere Ausführung der Malerei hebt die Tafel aus der Masse der Werkstattproduktionen heraus und legt die Vermutung nahe, dass Cranach selbst einen hohen Anteil an der Ausführung hatte. Das lebhafte Farbmuster der Kleidung und das Zusammenspiel der geschwungenen Linien verleiht dem Bildnis eine besonders eindrucksvolle visuelle Präsenz.
Einen Hinweis auf die Identität des Dargestellten vermag das Wappen auf der Rückseite der Tafel liefern, das der Familie Spielhausen zugeordnet werden kann.[6] Besonders verführerisch scheint die Identifizierung des Dargestellten als Lukas Spielhausen, basierend auf den Initialen LS auf dem Wappenring. Geboren um 1493 in Leipzig, wo er 1524 einen Doktorgrad in Jura erwarb, bekleidete Spielhausen ab 1531 das Amt des Hofprokurators an der kurfürstlichen Residenz in Torgau, was einem Anwalt im juristischen Ratsgremium unter dem sächsischen Kurfürsten Johann dem Beständigen (reg. 1525-32) gleich kam.[7] 1544 wurde Spielhausen Bürger in Weimar, wo er verschiedene Ämter in der städtischen Verwaltung inne hatte, darunter das des Bürgermeisters. Spielhausen starb 1558.[8] Die Initialen DS oberhalb des Spielhausen-Wappens auf der Rückseite der Tafel scheinen diese Annahme zu bestätigen, da sie auf Lukas Spielhausens Enkel David Spielhausen verweisen könnten, der 1607 starb und ein möglicher Besitzer der Tafel gewesen sein mag.[9]
Spielhausens Alter von ungefähr 49 im Jahr 1532, dem Jahr des Bildnisses, deckt sich mit dem Erscheinungsbild des Dargestellten. Er kann durch seine höfischen Aufgaben in Torgau mit Cranach, dem Hofmaler der sächsischen Kurfürsten, in Kontakt gekommen sein. Ungeklärt bleibt bisher, ob die Wolfangel auf dem Wappenring Spielhausens persönliches Signet war, das er abseits des Familienwappens mit Spielkarten genutzt haben mag. Spielhausens einzige überlieferte Heirat fand im Jahr 1541 statt[10], daher - Gesetz dem Fall er sei hier tatsächlich dargestellt - handelt es sich hier um ein Einzelporträt ohne weibliches Gegenstück.
[1] Helbing 1916, Bd. 1, S. 154, Nr. 1042.
[2] H. Zimmermann 1925, S. 111; Friedländer und J. Rosenberg 1932, S. 79, Nr. 273; Friedländer und J. Rosenberg 1978, S. 136, Nr. 339. Vgl. auch Garner 1926, S. 54 - 55 (fälschliche Identifizierung des Dargestellten als Johann Friedrich der Großmütige); Heyck 1927, S. 96, 119; Kuhn 1936, S. 43, Nr. 132; Lilienfein 1942, S. 70; H. Zimmermann 1962, S. 10.
[3] vgl. Mary Sprinson in Metropolitan Museum 1981, S. 43.
[4] Friedländer und J. Rosenberg 1978, S. 136, Nr. 340 (ehemals Buenos Aires), Abb., Nr. 340A (Hamburg), Nr. 341 (Nürnberg), Abb. Für ein Abbildung des Hamburger Porträts vgl. Ahuis 2011, Abb. 4.
[5] Beschrieben in Löcher 1997, S. 150, in Eisenach 1998, S. 134, Abb. 15.3a.
[6] Vgl. Siebmacher 1856 - 1967 (Hg.), Bd. 6, Teil 12 (1907), S. 84, und Tafel 66. Das Gemälde könnte vormals eine Inschrift in der oberen rechten Ecke mit dem Namen des Dargestellten besessen haben. Eine unleserliche Inschrift ist sichtbar auf der Abbildung bei Helbing 1916, Bd. 2, Tafel 142. 1924 fehlt die Inschrift bereits, vgl. Kleykamp 1924, Nr. 7, Abb.
[7]. Eichbaum 2005, S. 14, Nr. 12660. Ich danke Gustaf-Götz Eichbaum für die Bereitstellung der biografischen Informationen, die auf seinen Forschungen basieren (E-Mail an den Autor, 24. Oktober 2007, Werkakte, Department of European Paintings, MMA). Das Farbschema in Schwarz und Orange mag an die Farben Schwarz und Gelb des sächsischen Wappens erinnern. Dies wiederum legt die Vermutung nahe, dass es sich hier um einen höfischen Offiziellen handelt, was für Spielhausen zutreffen würde. Wie Helmut Nickel festhielt, könnte das Orange als rotes Gold aufgefasst worden sein, was in der Heraldik mit Gold und damit mit Gelb gleichzusetzen sei, vgl. Helmut Nickel, E-Mail an Mary Sprinson de Jesús, 19. September 2006 (Werkakte, Department of European Paintings, MMA). Für Beispiele des roten Goldes als Ersatz für Gold vgl. J. Grimm and W. Grimm 1854 - 1971 /1998 -, „Gold" Sektion 3, I, A., 1, a (letzter Aufruf am 23. April 2012).
[8] Laut Gustaf-Götz Eichbaum, basierend auf Informationen aus dem Stadtarchiv Weimar, bestellt der Weimarer Stadtrat 1609 ein posthumes Bildnis Spielhausens bei dem Maler Martin Lamprecht. Ob dieses Bildnis noch existiert ist unbekannt (E-Mail an Autor, 18. Dezember 2007, Werkakte, Department of European Paintings, MMA).
[9] David, Bürgermeister von Salzungen bei Eisenach, war der Sohn von Lukas Sohn David Daniel, der 1587 starb. Diese Information dankend erhalten von Jan Lekschas, Bernau (E-Mail an den Autor, 8. Dezember 2008, Werkakte, Department of European Paintings, MMA). David und David Daniel Spielhausen sind nicht aufgeführt in Eichbaum 2005. David Spielhausens Todesjahr kann aus der Titelseite einer 1607 erschienen Publikation gefolgert werden, die ihn als verstorben nennt: Gamelia in honorem nuptiarum Praestantiß. variarumque rerum usu peritißimi viri Dn. Georgii Fulden . . . sponsi cum . . . Virgine Regina . . . Dn. Davidis Spielhausen, olim quaesturae Saltzungensis praefecti fidelissimi, p. m. relicta filia, sponsa (Jena, 1607). Ein Spielhausen-Herz-Sechs-Wappen aus dem Jahr 1582 mit den Initialen DS, und daher zu David Spielhausen gehörig, wird beschrieben bei Freiherr von Ledebur, in: Der Deutsche Herold 38, Nr. 5 (1907), S. 92.
[10] Eichbaum 2005, S. 14, Nrn. 12660, 12661 (Margaret Zahn).
[Cat. New York 2013, 66, 68, 288, No. 14]