Das British Museum in London[1] bewahrt einen unikal überlieferten Holzschnitt, der einen exakten Nachschnitt des spätestens im April 1522 nachweisbaren „Junker Jörg“-Holzschnitts Cranachs (II.D1) darstellt.[2] Das bereits von Dodgson als Kopie erkannte Blatt folgt dem Lineament des Vorbilds bis ins Detail und kann daher nicht ohne Vorlage des Cranachschen Holzschnitts
Das British Museum in London[1] bewahrt einen unikal überlieferten Holzschnitt, der einen exakten Nachschnitt des spätestens im April 1522 nachweisbaren „Junker Jörg“-Holzschnitts Cranachs (II.D1) darstellt.[2] Das bereits von Dodgson als Kopie erkannte Blatt folgt dem Lineament des Vorbilds bis ins Detail und kann daher nicht ohne Vorlage des Cranachschen Holzschnitts entstanden sein. Lediglich in den Konturlinien einiger Wolken im Hintergrund sowie in den Schattierungen löst sich der Nachschnitt von seinem Vorbild. Bemerkenswert ist hierbei insbesondere der Umstand, dass der Holzschnitt gegenüber Cranachs Werk nicht horizontal gespiegelt ist.[3] Obwohl nahezu jede Linie übernommen wird, ist eine deutlich gleichmäßigere Ausarbeitung durch den Formschneider zu beobachten, der sich, wie schon bei II.D1, eines Metallgriffels bediente, um die Zeichnung auf den Holzstock zu reißen.[4] Wo bei Cranach angrenzende Stege in ihren Abständen zueinander leicht variieren, zeigen sie sich beim vorliegenden Blatt in einer exakteren Parallelität. Dieses „geordnete“ Lineament verleiht dem Londoner Werk jedoch auch eine gewisse Starrheit, die aber nur im direkten Detailvergleich deutlich wird.
Das Blatt ist seitlich und unten deutlich beschnitten und weist eine großflächige Fehlstelle in der rechten unteren Blattecke auf, die mit Papier geschlossen und mit Tusche retuschiert wurde. Nur am oberen Rand ist die originale Umfassungslinie erhalten, über der mit beweglichen Lettern das Wort „Lutherus“ gedruckt steht.[5] Der Wortlaut entspricht dem der Auflage A von Cranachs Werk (II.D1). Gegenüber dem Original ist das Wort aber etwas weiter links positioniert. Die genutzten Typen imitieren ebenfalls jene Cranachs, ohne sie genau zu kopieren. Das für den Druck verwendete Papier weist kein Wasserzeichen auf, zeigt aber charakteristische Merkmale eines Vergé-Papiers des 16. Jahrhunderts. Auffällig ist, dass der vorliegende Holzschnitt selbst marginale Bereiche wie die Parallelschraffuren, die die Wolkenschleier im Hintergrund angeben und selbst schon bei Cranachs Auflage A durch Ausbrüche verloren zu sein scheinen, noch vollständig wiedergibt. Dennoch bleibt offen, ob dem unbekannten Autor des vorliegenden Holzschnitts ein noch früherer als die heute überlieferten Abzüge Cranachs zur Verfügung stand, oder ob er seine Vorlage an diesen Stellen nur sinnvoll ergänzt hat. Nichtsdestotrotz sprechen die bisherigen Befunde nicht gegen eine Datierung des Blattes in unmittelbare zeitliche Nähe zur Vorlage Cranachs; Aussagen zu einer Zuschreibung sind nicht möglich.
Wie ein Besitzstempel[6] auf dem Verso ausweist, entstammt das Blatt der in Wien ansässigen Kunstsammlung des Politikers Johann Melchior Birckenstock (1738–1809). Inzwischen in den Besitz von dessen Tochter Antonia übergegangen, wurde das Blatt am 16. Mai 1870 bei F. A. C. Prestel in Frankfurt am Main als Teil eines großen Konvoluts über Colnaghi für das British Museum erworben.[7]
Daniel Görres, Thomas Klinke
[1] Inv.-Nr. 1870,0625.561.
[2] Vgl. zur Datierung den Katalogeintrag II.D1 und die Einleitung zu Bildnisgruppe II.
[3] Dies ist bei den meisten anderen innerhalb des KKL untersuchten Nachschnitten zu beobachten, vgl. zu diesem Phänomen Schuchardt 2004.
[4] Lokal sind helle Linien auf den Stegen auszumachen, die als Spur des Metallgriffels interpretiert werden können.
[5] Dies wurde später handschriftlich mit Eisengallustinte durch „in Pathmo.“ ergänzt.
[6] Vgl. Lugt 345.
[7] Vgl. Aukt.-Kat. Frankfurt 1870, S. 69, Nr. 700. Zur Provenienz vgl. auch https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1870-0625-561 (Zuletzt aufgerufen: 01.09.2021).
Quellen / Publikationen:
Hollstein German IV.107.132 (Copies); Aukt.-Kat. Frankfurt am Main 1870, S. 69, Nr. 700; Dodgson 1911, S. 318, Nr. 134b; Ficker 1934, S. 122, Nr. 80.
- Zuschreibung
- Unbekannt nach Lucas Cranach dem Älteren, Inventor*in
Zuschreibung
Unbekannt nach Lucas Cranach dem Älteren, Inventor*in | [Dodgson 1911, S. 318, Nr. 134b] [KKL 2022] |
- Datierung
- um 1522 (?)
Datierung
um 1522 (?) | [KKL 2022] |
- Maße
- Darstellung: ~264 (+/-1) x ~196 (+/-4) mm (Unikat, umlaufend beschnitten)
Maße
Darstellung: ~264 (+/-1) x ~196 (+/-4) mm (Unikat, umlaufend beschnitten)
[Thomas Klinke, KKL 2022]
- Signatur / Datierung
Keine
- CDA ID
- ANO_HVI-132-107-Copy
- KKL-Nr.
- II.D2, Teil der Bildnisgruppe II
- Permalink
- https://lucascranach.org/de/ANO_HVI-132-107-Copy/