"Die Darstellung geht auf Joh 8 1-11 zurück. Christus predigt im Tempel, als man eine beim Ehebruch gestellte Frau zu ihm bringt, die nach mosaischem Gesetz gesteinigt werden soll. [...]
Geifernd umdrängt die männliche Meute die zierliche Frau. Sie schlägt die Augen nieder; wie zufällig legt das verrutschte Kleid ihre Brust
"Die Darstellung geht auf Joh 8 1-11 zurück. Christus predigt im Tempel, als man eine beim Ehebruch gestellte Frau zu ihm bringt, die nach mosaischem Gesetz gesteinigt werden soll. [...]
Geifernd umdrängt die männliche Meute die zierliche Frau. Sie schlägt die Augen nieder; wie zufällig legt das verrutschte Kleid ihre Brust frei - männliche Sichtweise nicht nur hier, um moralische Verfehlung zu kennzeichnen. Der Grimmigste der Männer hat bereits Steine in seiner Mütze gesammelt und hält einen weiteren wurfbereit. Doch Christus spricht auf die Angreifer ein, deutet dabei auf die Ehebrecherin, die er sanft an der Hand hält, während ein Geharnischter mit einem Eisenhandschuh ihren Oberarm greift und sich an sie herandrängt. Drohend und sinnlos gleichermaßen hält dieser seine Streitaxt ins Bild. Soldaten sind vom Bibeltext nicht gefordert, die Szene spielt ja im Tempel. Doch geht es hier nicht so sehr darum, die biblischen Protagonisten textgerecht ins Bild zu bringen, sondern auch das 'Körpergefühl' einer bedrohlichen Situation zu vermitteln. Mit allen Mitteln der physiognomischen Charakterisierung ist die Menge, vielleicht mit Ausnahme des Weißbärtigen zur Rechten (!) Christi, negativ gekennzeichnet - ein seit dem Mittelalter übliches Verfahren. Christus steht als beherrschende Gestalt in der Mitte; allein der Platz, den ihm der Künstler einräumt, bringt zum Ausdruck, das er als Sieger aus diesem Konflikt hervorgehen wird.
Anders als bei der zwei Jahrzehnten früher entstandenen ganzfigurigen Darstellung aus der Stiftskirche Halle ([DE_BStGS_6246_FRSupp14]), handelt es sich hier um den 'klassischen' Bildtypus in Halbfigur, der in der Cranach-Werkstatt erfunden und in zahllosen Exemplaren und Variationen - auch im ferneren Cranach-Kreis - reichlich Nachfolge fand."
[Exhib. Cat. Aschaffenburg 2007, 279]