Die Darstellung zeigt Luther als Brustbild im Profil mit Mönchshabit und Doktorhut. Der Dargestellte ist hinter eine Brüstung gesetzt, auf der eine Inschrift angebracht ist. Sowohl Bildformular als auch Inschrift stellen direkte Übernahmen der von Daniel Hopfer 1523 geschaffenen Eisenradierung (I.4D3) dar, die ihrerseits auf die Komposition des Kupferstichs von Lucas Cranach d. Ä. von 1521 (I.4D1) zurückgeht. Allerdings wurde die Darstellung hinter der Brüstung etwas nach links gedreht, sodass Luther den Blick nicht mehr schräg nach oben, sondern geradeaus zu richten scheint.
Das Bildnis ist auf einer weiß grundierten, dünnen Tafel aus Nadelholz mit horizontalem Faserverlauf gemalt, deren Splintholzanteil im unteren Bereich nicht entfernt worden zu sein scheint, ein Hinweis darauf, dass bei der Auswahl des Bildträgers kein besonderer Wert auf eine hohe Qualität gelegt wurde.[4] Der streifige Pinselduktus der schräg vertriebenen Grundierung zeichnet sich heute im Oberflächenbild ab. [5] Die im Infrarot-Reflektogramm deutlich sichtbare Unterzeichnung zeigt ein relativ gleichmäßiges dünnes Strichbild, dessen Beschaffenheit auf ein trockenes Farbmedium schließen lässt. Die Gesichtskonturen sind nahezu deckungsgleich mit der Vorlage Daniel Hopfers.[6] Inkarnat und Schattierungen des Gesichts wirken heute ungewöhnlich dunkel. Die Lippen und das Innere der Ohrmuschel sind hellrot akzentuiert. Der Maler gestaltete Habit und Doktorhut schwarz, das am Kragen sichtbare Untergewand wirkt heute bräunlich-beige.
Augenfälligstes Merkmal ist der Goldgrund. Wie die kunsttechnologische Untersuchung zeigt, handelt es dabei um ein messinghaltiges Metall zur Imitation von Gold, das auf eine leuchtend rote Farbschicht aufgebracht wurde.[7]
Das Bildnis trägt rückseitig die Beschriftung:
„Das ist des martinus lutter getr[e]we bild- || nüs wie maister hopffer bei sein leben hat || gschaffet / nach ihmen dies hat gem[a]cht || Ambrois lüttzi dem fuggerischen Berg- || maister ze Schwatz. a. d. MDXXX / || Daß Gott mir helf!“
Unter der Schlussformel ist eine Hopfendolde sichtbar – das Signet Daniel Hopfers als ein direkter Hinweis auf die Vorlage des Werkes. Unter der Hopfendolde sind zwei weitere Symbole in der vertikalen Mittelachse der Tafel angeordnet, die sich im Infrarotreflektogramm deutlich erkennbar als Kreuz (oben), dessen Arme in Blattformen auslaufen, und eine stilisierte vierblättrige Blüte (unten) zeigen.
Die Beschriftung benennt neben dem Dargestellten auch die Vorlage, den Urheber des Bildes, den Auftraggeber bzw. Empfänger sowie ein Entstehungsjahr. Bereits die Identifizierung des Künstlers bereitet jedoch Schwierigkeiten, denn der Name Ambrosius Lüttzi ist bisher weder archivalisch noch durch weitere Werke belegt. Als Auftraggeber oder Empfänger des Gemäldes wird ein namentlich nicht genannter Bergmeister der Familie Fugger im Tiroler Bergbauzentrum Schwaz genannt. Hierbei könnte es sich um den aus Kaufbeuren stammenden Georg Hörmann handeln, der 1530 als Faktor der Fugger tätig war und deren Tiroler Bergwerke verwaltete.[8] Hörmann trat als Auftraggeber verschiedener Kunstwerke in Erscheinung und war auch Besitzer eines Doppelbildnisses Luthers und seiner Frau.[9] Im Jahr 1530 nahm er am Augsburger Reichstag teil, worin ein möglicher Anlass für das vorliegende Bildnis vermutet wurde.[10]
Dennoch werfen das Bild und die Zuschreibung eine Reihe von Fragen auf: zum einen ist zweifelhaft, ob ein Patrizier wie Hörmann, der sich in einem humanistisch geprägten Milieu bewegte, Medaillen prägen ließ und einen offenbar avancierten Kunstgeschmack besaß,[11] einen heute unbekannten Maler mit einem Luther-Bildnis beauftragte, das zumindest in seiner heutigen Erscheinung wenig qualitätvoll wirkt.[12] Zum anderen wäre der Goldgrund des Gemäldes für das Jahr 1530[13] und vor allem als Hintergrund eines Luther-Bildnisses mehr als ungewöhnlich.[14] Auch die Wahl messinghaltigen Metalls zur flächigen Goldimitation erscheint ungewöhnlich.[15] Schließlich spricht das völlige Fehlen eines Alterskrakelées für eine Entstehung der heute sichtbaren Malerei in jüngerer Zeit. Die Befunde lassen vermuten, dass die Tafel nicht im 16. Jahrhundert entstanden ist oder zumindest zu einem späteren Zeitpunkt ungewöhnlich stark überarbeitet wurde.[16] Das dumpfe Kolorit des Inkarnats könnte sogar als Versuch der Imitation einer entsprechend gealterten Farbschicht gedeutet werden.
Daniel Görres, Wibke Ottweiler
[1] Format beschnitten.
[2] Vgl. Torggler / Weigel 2021, S. 76.
[3] Eine fotografische Reproduktion im Bestand der Staatsbibliothek München (wohl 1917 erschienen, Signatur Biogr. 682 wor.), auf die bei Metzger 2009, S. 428, hingewiesen wird, vermerkt: „Das Original befindet sich j. Z. im Besitz des Volksschullehrers Jakob Beyhl in Würzburg“.
[4] Das Brett ist im unteren Bereich mehrfach über die gesamte Breite gerissen und in seiner Substanz stark geschwächt.
[5] Durch Bereibungen der obersten Farbschichten ist die Grundierung in Form diagonaler Streifen besonders in den Schattenpartien des Inkarnats sichtbar.
[6] Für den Vergleich wurde die Umzeichnung des Gemäldes und ein Abzug des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg (Inv.-Nr. K 722) verwendet.
[7] Vgl. dazu die Ergebnisse der Röntgenfluoreszenz-Analyse bei Raquet / Ottweiler 19.11.2018. Die Verwendung eines solchen messinghaltigen Metalls findet sich weder in entstehungszeitlichen Quellenschriften erwähnt, noch wurde es als Befund an Tafelbildern des 16. Jahrhunderts bislang nachgewiesen. Ob das Metall als Pulver oder in Form von Blättern (sog. Schlagmetall) aufgebracht wurde, ist aufgrund des beriebenen Zustandes der Oberfläche im Rahmen der mikroskopischen Untersuchung nicht zweifelsfrei zu ermitteln. Jedenfalls sind keine Blattgrenzen nachweisbar. Auf dem Metall befinden sich minimale Reste eines wohl entfernten, heute rot erscheinenden Überzuges. Ob es sich dabei um Reste einer späteren (möglicherweise nur partiell erfolgten) Umgestaltung handelt oder ob der Hintergrund ursprünglich flächig rot gelüstert war, bleibt unklar.
[8] Vgl. Torggler / Weigel 2021, S. 62.
[9] Das 1556 erstellte Nachlassinventar Hörmanns nennt ein solches Doppelbildnis, erlaubt aber keine weiteren Aussagen zu dessen Urheber (vgl. ebd., S. 83).
[10] Vgl. ebd., S. 77–83.
[11] Er beauftragte Christoph Amberger mit einem Porträt (vgl. ebd.).
[12] Sowohl die Bildträgerauswahl als auch die heute beurteilbare Malerei zeugen weder von hoher handwerklicher noch künstlerischer Qualität.
[13] Vgl. Beer 1983, S. 284–285.
[14] Vgl. zur Rezeptionsgeschichte der Metapher vom „Goldgrund” im Kontext der Lutherverehrung Seebass 1984.
[15] Üblicherweise wurde Gold in der Tafelmalerei durch edle Metalle wie Gold, Silber oder Zwischgold imitiert, die mit gefärbten Überzügen versehen sein konnten.
[16] Über möglicherweise unter den heute sichtbaren Schichten verborgene Reste einer älteren Malerei könnten weiterführende nicht-zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden Aufschluss geben. Mikroskopisch ist unter der heute sichtbaren Metallauflage im Hintergrund eine bemerkenswert leuchtende rote Farbschicht nachweisbar. Die RFA-Analyse (vgl. Anm. 7) erbringt keinen Hinweis auf Reste von Gold oder Silber.
Quellen/Publikationen:
Ausst.-Kat. Augsburg 1996, S. 56–57, Nr. I.2; Metzger 2009, S. 428; Ausst.-Kat. Stuttgart 2017, S. 84–85, Nr. III.1; Torggler / Weigel 2021, S. 73–83.