Johann Wolfgang Goethe schrieb 1815 zu diesem Gemälde: "Das Bild ist ein Moment, ein Guss des Gedankens, vielleicht der höchste gunstreichste Augenblick in Cranachs Leben". Entgegen dieser überschwänglichen Einschätzung ist es in der bisherigen Cranach-Forschung wenig beachtet worden. Diskutiert wurde lediglich, wie so oft, die Frage nach dem Grad der Eigenhändigkeit Cranachs. Diese wird jedoch seit den Veröffentlichungen von Friedländer/Rosenberg nicht mehr grundsätzlich in Zweifel gezogen.
Dargestellt ist die Szene der Verklärung Christi, über die die Evangelisten Matthäus (Kap. 17, 1-13), Markus (Kap. 9, 2-13) und Lukas (Kap. 9, 28-36) berichten: Christus nahm die Jünger Petrus, Johannes und Jakobus mit sich auf einen Berg. Dort wurde sein Gewand "weiß wie das Licht", und die Propheten Moses und Elias erschienen und redeten mit ihm. Die Stimme Gottes ertönte aus dem Himmel, seine Worte: "Das ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören", die als Inschrift in das Gemälde aufgenommen wurden, finden sich so in der Fassung des Matthäus-Evangeliums. Alle drei Evangelien sprechen nur von der Stimme Gottes, die aus einer Wolke kam, nicht von dessen Erscheinung. Im Gemälde ist Gottvater im Unterschied dazu zwar dargestellt, aber nur für den Bildbetrachter sichtbar, vor den Jüngern ist er durch die Wolken verborgen. Die Jünger sind vor der Erscheinung erschrocken zu Boden gestürzt, zwei von ihnen scheinen zu schlafen, wovon nur das Lukas-Evangelium berichtet.
Die Verklärung Christi wird als Vorausdeutung auf seine Himmelfahrt interpretiert. Damit passt das Bildthema auch zur Todesthematik eines Epitaphs, indem es den Glauben an die Auferstehung und das ewige Leben formuliert.
Die Wolken unterteilen die Szene in vier Realitätsebenen: Gottvater, Christus und die Propheten, die Jünger und schließlich auch die sonnenbeschienene Landschaft werden voneinander getrennt. Als fünfte Ebene von "Realität" ist unten die Zone der Stifterfamilie angeschlossen. Diese Lösung Cranachs für die Darstellung der Verklärung ist ohne Vorbild in der Kunstgeschichte. Auch scheint Cranach nur dieses eine Mal mit einer Darstellung der Verklärung beauftragt worden zu sein, die er außerdem als ungewöhnlich großformatiges Werk realisierte. Als Oberhaupt der Stifterfamilie ist der Leipziger Rats- und Handelsherr Ulrich Lintacher dargestellt. Über seine Identität gibt es keinen Zweifel, das Familienwappen und ein Eintrag bei Salomon Stepner (Nr. 473) sind in diesem Fall eindeutig: Stepner erwähnt ein Epitaph für den 1525 verstorbenen Lintacher mit dem Gemälde der Verklärung in der Nikolaikirche, wo es auf dem "Studentenchor" hing.
Lintacher war aus Nürnberg nach Leipzig eingewandert, erlangte 1499 das Bürgerrecht und investierte u. a. gewinnträchtig in den Bergbau. Er wurde 1515 Ratsherr und bekleidete ab 1522 das Amt des Ratsbaumeisters. In seine Amtszeit fiel u. a. der spätgotische Umbau der Nikolaikirche, zu deren "Kirchvätern" er außerdem gehörte.
Lintacher besaß ein Haus am Markt und eines in der Reichsstraße. Durch das Erbe seiner zweiten Frau Brigitta geborene Wilde gelangte ein weiteres in der Grimmaischen Straße in den Besitz der Familie.
Anhand der Quellenüberlieferung zur Familie Ulrich Lintachers können auch die meisten übrigen hier dargestellten Familienmitglieder identifiziert werden:
Gegenüber Ulrich Lintacher knien vier durch Kleidung und Haube als verheiratet gekennzeichnete Frauen, von denen zwei zusätzlich die Trauerbinde tragen. Die beiden letzteren sind seine Ehefrauen. Seine erste Frau Veronika starb 1518. Danach heiratete er Brigitta Wilde, Tochter des Bürgermeisters Johann Wilde. Diese lebte bei Lintachers Tod 1525 noch und verheiratete sich bald darauf erneut.
Die beiden verheirateten Frauen ohne Trauerbinden sind vermutlich die zwei 1525 schon verheirateten Töchter aus erster Ehe: Ursula, verheiratet mit Benedict Beringershain/Belgershain, später Bürgermeister von Leipzig, und Anna, verheiratet mit Moritz Buchner d. J. Die beiden als Jungfrauen in Rot gekleideten Töchter sind Elisabeth aus erster und eine Tochter aus zweiter Ehe, deren Vornamen die Quellen nicht preisgeben. Hinter dem Vater knien die beiden ältesten Söhne Christoph und Ulrich aus erster Ehe, durch ihre mit Pelzkragen besetzten Mäntel bereits als Bürger in Amt und Würden dargestellt, dahinter, etwas jünger und noch ohne Pelzkragen Wolfgang und Johannes, Söhne aus der zweiten Ehe.
Über die sechs jüngeren Kinder in Rot am linken Bildrand schweigen die Quellen, möglicherweise ist hier bereits die Enkelgeneration vertreten.
Die Familie Lintacher beauftragte als erste Leipziger Familie für ihr Epitaph den zu dieser Zeit schon weithin berühmten Künstler Lucas Cranach. Von ihm befanden sich 1525 bereits zwei Gemälde in der Nikolaikirche, die Tafel mit der Heiligen Dreifaltigkeit von 1515 und das Gemälde "Der Sterbende", um 1518 (beide heute im Museum der bildenden Künste Leipzig). Mindestens ebenso gefragt war Cranach aufgrund seines Könnens im Bereich der Porträtmalerei, die er auf ein bis dahin unerreichtes Niveau im mitteldeutschen Raum führte. In Leipzig hatten sich bereits so einflussreiche Persönlichkeiten wie Moritz Buchner (1518) und Georg von Wiedebach (1524) mit ihren Frauen von ihm porträtieren lassen. Mit beiden war die Familie Lintacher geschäftlich bzw. familiär verbunden, möglicherweise kam über sie der Auftrag an Cranach zustande. Durch die Porträtkunst Cranachs wird die Darstellung der Stifterfamilie im Epitaph gegenüber den bekannten Beispielen aus der Zeit um 1500 erheblich aufgewertet. Das Bedürfnis nach standesgemäßer Repräsentation der Familie wird damit ebenso bedient wie das nach dem für alle Kirchenbesucher sichtbare Bekenntnis zum christlichen Glauben.
[Ulrike Dura, Cat. Leipzig 2006, 123-124]