Bei dem Bildträger handelt es sich um eine Nadelholztafel. Mikroskopisch wurde Fichtenholz bestimmt (A. Krupa). Die Tafel ist aus zwei Brettern zusammengesetzt. Die Holzfaserrichtung verläuft vertikal. Im Holz sind zwei Astansätze erhalten. Die Tafel wurde nachträglich allseits beschnitten und auf eine Stärke von ca. 0,5 – 0,7 cm gedünnt sowie parkettiert.
In der Röntgenaufnahme sind dunkle unregelmäßige dünne Linien sichtbar, die auf eine Beklebung der Holztafel auf der Bildseite mit einem unbestimmten Fasermaterial in primär horizontaler Ausrichtung schließen lassen.
Lucas Cranach d. Ä. verwendete während seines Aufenthaltes in Wien um 1502 bis 1504 mehrfach Fichtenholz als Bildträger. In der Wittenberger Werkstatt war der Gebrauch von Fichtenholz nach heutigem Kenntnisstand jedoch unüblich. Ehemalige Mitarbeiter der Cranach-Werkstatt, wie z.B. der Meister IW nutzten an neuen Wirkungsorten Fichtenholz.
In der Cranach-Werkstatt wurden Tafeln auf der Bildseite häufig mit Fasermaterial (tierische Sehnen) beklebt, bevor die Grundierung erfolgte. Diese Praxis ist jedoch auch auf Werken aus z.B. Nürnberger Werkstätten des 16. Jahrhunderts nachgewiesen.
Die Tafel wurde umlaufend beschnitten. Indem die Spitze des Dolches im Infrarotreflektogramm am unteren Bildrand sichtbar unterzeichnet ist, waren am unteren Rand ursprünglich wahrscheinlich der gesamte Dolch und die Hand der Lucretia abgebildet.
Mittels RFA konnten folgende Elemente nachgewiesen und im Vergleich mit optischen Merkmalen Farbmaterialien bestimmt werden:
Inkarnat: Pb, Hg, (Zn, Cu)
Pb: Bleiweiß/ Mennige; Hg: Zinnober; Fe: Eisenoxid/ Ocker; Cu: Kupferhaltiges Blaupigment (Azurit); Sikkativ?; Ca: Kreide/ Gips; Zn: Sikkativ? Retusche?
Gelb: Ca, Pb, Fe, Hg, Sn, (Cu)
Pb: Bleiweiß/ Mennige; Pb, Sn: Bleizinngelb I; Hg: Zinnober; Fe: Eisenoxid/ Ocker; Cu: Kupferhaltiges Blau-/Grünpigment? Sikkativ?; Ca: Kreide/ Gips; Zn: Sikkativ? Retusche?
Grau/Grün: Pb, Hg, Fe, Zn, (Cu)
Pb: Bleiweiß/ Mennige; Hg: Zinnober; Fe: Eisenoxid/ Ocker; Cu: Kupferhaltiges Blau-/Grünpigment? Sikkativ?; Zn: Sikkativ? Retusche?
Schwarz: Ca, Pb, Fe, Zn
Pb: Bleiweiß/ Mennige; Fe: Eisenoxid/ Ocker; Ca: Kreide/ Gips; Zn: Sikkativ? Retusche?
Braun: Ca, Pb, Fe, Hg, Cu, (Sn)
Pb: Bleiweiß/ Mennige; Pb, Sn: Bleizinngelb I; Hg: Zinnober; Fe: Eisenoxid/ Ocker; Cu: Kupferhaltiges Blau-/Grünpigment? Sikkativ?; Ca: Kreide/ Gips; Zn: Sikkativ? Retusche?
Gelb: Ca, Pb, Fe, Hg, Sn, Cu
Pb: Bleiweiß/ Mennige; Pb, Sn: Bleizinngelb I; Hg: Zinnober; Fe: Eisenoxid/ Ocker; Cu: Kupferhaltiges Blau-/Grünpigment? Sikkativ?; Ca: Kreide/ Gips; Zn: Sikkativ? Retusche?
Folgende Pigmente konnten identifiziert werden: Bleiweiß, Bleizinngelb, Zinnober, Eisenoxidrot, Azurit, kupferhaltiges Grünpigment und Kohlenstoffschwarz. Zudem wurde das Element Zink in geringer Menge bestimmt.
Die Modellierung des Inkarnates erfolgte auf einem hellen Mittelton mit helleren Farbausmischungen, graubraunen Schattentönen, rosafarbenen Lasuren sowie einzelnen dunkelbraunen bis schwarzen Konturen und Akzenten. Haare sind mit Bleizinngelb gezeichnet. Die Kopfbedeckung ist auf einer rotbraunen Untermalung (Eisenoxid) mit gelb-roten Linien und Punkten sowie einem schwarzen Muster ausdifferenziert. In gleicher Weise ist auch der Halsschmuck recht sicher gemalt. Der Mantel erscheint mit kupfergrüner Farbe und verbräunten(?) Lasuren auf dunkler (schwarzer?) Unterlegung modelliert. Mit einem Spitzpinsel sind Haare des Fellbesatz in braun,
schwarz und grau auf hellerer brauner Untermalung gezeichnet.
Die nachgewiesenen anorganischen Pigmente fanden in Malerwerkstätten vom Mittelalter bis um 1750 häufige Verwendung, so auch in der Werkstatt Lucas Cranachs d. Ä. Das Element Zink könnte auf die Verwendung von modernem Zinkweiß für eine Retusche schließen lassen. Ebenfalls erscheint die Nutzung eines zinkhaltigen Sikkativs im 16. Jahrhundert möglich. Nicht alle Farbmittel konnten
vollständig identifiziert werden.
[unveröffentlichter Untersuchungsbericht, Heydenreich, Blumenroth, Dietz, 03.09.2020]