Bildnis des Dr. Johann Scheiring

Der Dargestellte kann anhand seines Wappens, das er stolz am Ring seiner linken Hand präsentiert, identifiziert werden. Der Halbmond findet sich in einem ebenfalls von Cranach stammenden Holzschnitt aus dem Jahr 1534 wieder. Ein zweiter Holzschnitt Cranachs oder seiner Werkstatt aus dem Jahr 1537 zeigt die gleiche Person. Abgesehen von einer etwas abweichenden Barttracht und dem aufwendigeren Gewand bleibt die Bildnisaufnahme nahe beim gemalten Porträt und könnte lose auf dieser basieren bzw. auf einem verlorenen Gemälde.

Dieses Bildnis wurde 1534 gefertigt, drei Jahre vor dem zweiten Holzschnitt, als der Dargestellte gerade aus Italien zurückgekehrt war. Dort hatte er an der Universität von Padua Rechte studiert. Lobpreisende lateinische Epigramme unterhalb der Drucke verweisen auf die humanistische Bildung des Porträtierten. So ist auf dem Druck von 1537 zu lesen: "Hanc prae fert, stans, oransque, Scheyringus/Divini iuris Caesareique decus/Launger hunc phoebus cum Pallide iactet alumnum".

Der junge Jurist sollte später Karriere als Bürgermeister seiner Heimatstadt Magdeburg von 1539 bis 1542 und als Diener zweier deutscher Fürsten machen: er diente als Rat des Herzogs von Braunschweig 1535 und Kanzler des Herzogs von Mecklenburg in Schwerin 1555. Ebenso wie Cranach und viele andere wurde er als Anhänger der Reformation in die protestantische Delegation berufen, die 1540 zu Kaiser Karl V. entsandt wurde.

Das Selbstbewusstsein und seine reichhaltige Attributierung verweisen unzweifelhaft auf seinen sozialen Status und seine Erfolge. Die Schriftrolle deutet auf die juristische und humanistische Bildung hin, das prächtige Schwert auf die edle Gesinung und Ritterschaft und sein elegantes Gewand wiederum zeigt seinen elitären Status und den exzellenten Geschmack. Er trägt eine weißes geschlitztes Gewand, passende Kniehosen mit auffälliger Schamkapsel, die seine Jugend und Virilität unterstreicht. Seine voluminösen Ärmel sind teilweise vom dunklen Mantel bedeckt. Er präsentiert seine Hände vor der Brust und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Anhänger. Dieses Gewand erscheint vor allem in einer Zeit extravagant, in der die Menschen seines Status' vor allem dunkle Kleidung trugen. Johanne Scheiring verstand die Mode und die äußere Erscheinung mehr als ein Kompliment für, denn als ein Widerspruch zu seinen intellektuellen Eigenschaften. Es erscheint daher nicht überraschend, dass er für sein Bildnis den modernsten Maler wählte.

[Auct. Cat. London 2014, Lot 50, Sale 1537]

'Der Name des Dargestellten war bisher mit der leichten Verdrehung ‘Scheuring’ statt ‘Scheiring’ auf Grund einer älteren Inschrift irrtümlich dem Brüsseler Porträt [BE_MRBAB_2033] gegeben worden. Dafür, daß hier Dr. Johannes Scheiring dargestellt ist, gibt es einen doppelten Beweis: Das Wappen auf seinem Ring, das mit dem im gleichen Jahre von Cranach gefertigten Holzschnittwappen [Geisberg 1929, 646] mit der Aufschrift: Joannes Scheiring Magdeburgensis Patricus, eques auratus, Vicecomes palatinus, Artium et u. j. [utrius juris] doctor, übereinstimmt. – Zweitens ein Holzschnittporträt des Dr. Sch. mit dem Cranach-Monogramm, von 1537 (nach [Geisberg 1929, 646]: Cranach der Jüngere), das offenbar auf dieselbe Porträtaufnahme zurückgeht. Nur der Bartschnitt ist leicht verändert. Auf diesem Holzschnitt wird der vornehme Magdeburger Jurist als 32-jähriger bezeichnet. Er ist also auf dem Bilde hier in Alter von 29 Jahren dargestellt.'

[Friedländer, Rosenberg 1979, No. 344]