Bacchus am Weinfass

Auszüge aus Auct. Cat. New York 2010 B, Lot. 6: Bacchus, der Gott des Weines (und der Fruchtbarkeit), dessen Feste von ausschweifenden Orgien begleitet wurden, war ein beliebtes Sujet in der Kunst der italienischen Renaissance, was zweifellos seinen Ursprung in antiken römischen Vorlbildern hat. Für die Humanisten der Renaissance stand der leidenschaftliche Geist des Bacchus in direktem Kontrast zur rationalen und zivilisierten Seite des Menschen, vertreten etwa vom Gott Apollon. In Skulptur und Malerei näherten sich Künstler wie Mantegna, Donatello, Michelangelo und Piero di Cosimo diesem Sujet in der Absicht die unterhaltsamen Effekte des Alkohols auf den Menschen zu schildern. Cranachs Darstellung ist gleichsam einfach und komplex. Bacchus, den die klassische Ikonographie als gutaussehenden Jüngling auffasst, ist auf der linken Seite zu sehen. Hier erscheint er wie mit der Figur des Silenus verschmolzen, einem dicken, trunkenen, alten Mann, der zum Gefolge des Bacchus gehörte. [...] Der Künstler muss den Holzschnitt Hans Baldung Griens aus dem Jahr 1520 gekannt haben, der Bacchus umgeben von Kindern am Weinfass zeigt. [...] Eine weitere Quelle könnten Hans Schlegels Steinreliefs von Bacchus unter den Kindern am Portal von Burg Mansfeld gewesen sein. Cranach besuchte diese Burg und stellt sie im Hintergrund einer Jagdszene von 1529 dar. In Cranachs Komposition aber treiben die Putti noch großeren Possen, da sie miteinander streiten, Wein trinken und generell die physischen Effekte des Weins widerspiegeln. Der Künstler fügt außerdem dieser Szene eine schlafende junge und eine hässliche alte Frau hinzu; letztere scheint das Verhälten der Putti zu befördern. Unklar ist, welche genaue Bedeutung oder Rolle diesen Figuren zukommt, zusammen scheinen sie jedoch allgemein auf die Lebensalter des Menschen zu verweisen. [...] Das vorliegende Werk scheint eine doppelte Bedeutung zu besitzen. Es ist natürliche eine unterhaltsame Darstellung der Auswirkungen des Weingenusses, scheint aber auch eine moralische Botschaft zu transportieren. Cranach war sich der zeitgenössischen humanistischen Tendenzen und der damit zusammenhängenden Literatur bewusst. Ein lateinisches Handbuch aus dem Jahr 1511 für Studenten der Universität Wittenberg warnte im Text und mit seinen Illustrationen vor den Auswirkungen der Trunkenheit und verurteilte jene, die sich im Dienste des Bacchus betrinken, um ihnen statt dessen ein Leben in Tugend und Studien nahezulegen. Gleichsam kann dieses Gemälde als visuelles Beispiel exzessiven menschlichen Verhaltens genossen werden, wird aber auch vom zeitgenössischen Publikum als Vermittler einer starken Warnung vor moralischen Fehlverhalten gelesen worden sein."