Bildträger
Die Holztafel (76,6 x 59 cm) besteht sehr wahrscheinlich aus fünf Brettern unterschiedlicher Breite. Es handelt sich um Weichholz, vermutlich Linde. Die Bretter sind in horizontaler Ausrichtung, d.h. quer zur größeren Ausdehnung der Tafel verleimt. Die Brettkanten verlaufen nicht parallel zueinander. Eine Beklebung mit Fasern ist nicht nachweisbar. Die Tafel wurde in späterer Zeit auf der Rückseite gedünnt und mit einer Stabholzplatte verstärkt. Hinweise auf eine nachträgliche Formatänderung sind nicht erkennbar.
Proportion und Größe des Bildträgers, die Anordnung der Bretter und deren Breiten entsprechen annähernd der Madonna mit Kind und Johannesknaben (um 1512, 75,9 x 59,4 cm, Privatbesitz, lucascranach.org/PRIVATE_NONE-P046). Lindenholz fand als Bildträger in der Tafelmalerei nördlich der Alpen weite Verbreitung. In der Wittenberger Werkstatt wurde diese Holzart zwischen 1505 und 1522 bevorzugt und in der Folgezeit neben Buchenholz meist verwendet. Der zwischen 1505 und 1512 für Cranach tätige Tischler (vermutlich Michel Tischer) verleimte die Bretter in der Regel in Richtung der kürzeren Seite, unabhängig davon, ob die Tafel als Hoch- oder Querformat bemalt wurde. Auch verwendete dieser Tischler häufig Bretter in Breiten zwischen 6 und 22 cm, deren Kanten nicht parallel verlaufen. Nach 1512 datierte Lindenholztafeln weisen in der Regel eine andere Methode der Verleimung auf, indem die Bretter nun in Richtung des größeren Ausmaßes der Tafel verleimt sind. Vermutlich beschäftigte Cranach nach seinem Umzug der Werkstatt vom Wittenberger Schloss in die Stadt einen anderen Tischler, der die Bretter in anderer Weise verarbeitete. Die Verleimung der Bretter in Querrichtung lässt sich als Indiz für eine Entstehung des Gemäldes vor oder um 1512 werten. Eine spätere Entstehung ist damit nicht auszuschließen.
Grundierung und Imprimitur
Die Tafel ist weiß grundiert; vermutlich handelt es sich um einen Kreidegrund (RFA: Calcium). Der Auftrag der Grundiermasse erfolgte nicht bis zum Rand, d.h. die Tafel war in dieser Arbeitsphase in einem Rahmen fixiert. Im Randbereich gibt es umlaufend einen Grundiergrat. Auf dem ungrundierten Tafelrand liegt eine schwarze Farbschicht.
Unterzeichnung
Mittels Infrarot-Reflektografie ließ sich eine mit schwarzem Zeichenmedium und Pinsel ausgeführte Unterzeichnung sichtbar machen. Die freie und souveräne Zeichnung der Figuren konzentriert sich mit geschwungenen Linienzügen auf die Anlage wesentlicher Konturlinien und Binnenformen. Arme und Hände der Kinder wurden mit wenigen Linien angedeutet und erst nachfolgend mit dem Farbauftrag präzisiert. Ebenso lassen die Gesichter eine sparsame lineare Anlage und die nachfolgende Ausdifferenzierung mit der Farbe erkennen.
Die Gemälde Lucas Cranachs und seiner Werkstatt aus den Jahren um 1510 – 1515 sind mehrheitlich mit einem schwarzen Zeichenmedium und Pinsel sparsam unterzeichnet. Vor allem nach 1510 ist die Konzentration auf wesentliche Konturlinien meist in kurzen geschwungenen Linien nachgewiesen. Die stilistischen Merkmale der Unterzeichnung auf der vorliegenden Tafel gleichen denen anderer Lucas Cranach d. Ä. zugeschriebenen Kompositionsanlagen (u.a. FR 1978, 18, 20, 22, 29, http://lucascranach.org/F_MBAAB_896-1-54a, b).
Farbschichten und Metallauflagen
Die Anlage der Gesichtsformen erfolgte mit einer hellen Ausmischung aus Bleiweiß und zinnoberroten Pigmenten. Schatten wurden mit grauer Farbe sowie halbtransparenten braun-schwarzen Lasuren modelliert, einzelne Partien, mit rötlicher Farbe akzentuiert sowie mit heller Inkarnatfarbe Lichter gesetzt. Die Augen einschließlich Wimpern und Reflexlichtern erscheinen routiniert ausgeführt. Die Augäpfel enthalten neben Weiß einen deutlichen Anteil Blaupigment (Azurit). Bart- und Kopfhaare sind in unterschiedlicher Farbigkeit und Intensität unter Verwendung von Bleizinngelb (RFA) mit unterschiedlich feinen Strichlagen differenziert. In einigen Bereichen (u.a. Kopf des Johannesknaben) werden kurze und breite dunkelgelbe Haare von längeren elegant geschwungenen rosa Haarlinien überlagert.
Himmel und Hintergrundlandschaft sind mit grauer Farbe (Weiß und Schwarzpigment) untermalt. Dabei ist eine graduelle Tonwertabstufung zwischen dem Zenit (grau-schwarz) und dem Horizont (weiß) feststellbar. Relativ grobkörniger und farbstarker Azurit (RFA) wurde anschließend in wechselnder Ausmischung mit Bleiweiß (RFA) stupfend und streichend aufgetragen. Der Horizont ist über einen rosa Ton zu Bleizinngelb (RFA) aufgelichtet. Die Wolken sind nass in nass aufgesetzt und die Konturen mit einem weichen Pinsel vertrieben.
Im Bereich der Hügelketten gibt es Korrekturen mit feinkörnigem und weniger leuchtkräftigem Blaupigment. Die Baumgruppen des Mittelgrundes wurden über schwarzer Untermalung mit unterschiedlich hellen grünen Farbausmischungen und abschließenden grünen Lasuren ausgeführt.
Wesentliche Veränderungen der Bildkomposition im Malprozess sind nicht erkennbar.
Eine graue Untermalung des Himmels ist auf zahlreichen Werken aus der Werkstatt Lucas Cranachs d. Ä. nachweisbar. Ebenso gehören der Einsatz verschiedener Pinsel und Farbauftragsweisen (streichend, stupfend) zu den charakteristischen Arbeitspraktiken des Hofmalers wie seiner Mitarbeiter.
Pulvergold
Die Nimben, sowie die Bordüren von Schleier, Mantel und Kleid sind mit Pulvergold, d.h. gemahlenem und mit einem (ölhaltigen?) Bindemittel angeriebenen Gold und Pinsel ausgeführt.
Auffällig erscheint in diesem Zusammenhang, dass nachfolgend rosa Konturierungen der Nimben sowie gelbe und rosafarbige Haarlinien feinzeichnerisch und mit großer Sicherheit aufgebracht wurden.
Die Feinzeichnung mit Pulver- oder Muschelgold gehörte im Vergleich mit anderen Vergoldungstechniken zu den seltener praktizierten Techniken in der Cranach-Werkstatt. Meist wird mit der Ausführung der Goldhöhungen der Malprozess abgeschlossen. Hier sind (wie auch auf PRIVATE_NONE-P046) nachfolgend aufgebrachte Akzentuierungen mit Farbe erkennbar.
[unveröffentlichter Untersuchungsbericht G. Heydenreich, 2018]