Bildnis einer jungen Frau

"In Komposition, Bildausschnitt und Ausstattung entspricht die Tafel Cranachs idealisierten Damenbildnissen der 1520er-Jahre. Unter diesen zählt es mit den Varianten in London und Coburg zu den selteneren Großformaten. Ein Vergleich der drei Porträts offenbart das kompositartige Herstellungsverfahren. Bei der Petersburger Dame öffnet sich der Landschaftsausblick am linken Bildrand eher ungewöhnlich hinter einem schräg drapierten Vorhang. Das elegante Kleid mit geschlitzten Ärmeln und besticktem Mieder ist hier schlichter, während der Halsschmuck umso reichhaltiger ausfällt. Das keck auf dem Kopf sitzende Barett, das mit und ohne Federn auf weiteren Bildnissen und Judith-Tafeln auftaucht, lenkt den Blick auf das offene Haar, das die Dargestellte als junge, unverheiratete Frau ausweist. Ihre sorgfältig gedrehten Locken, die in einzelnen Strähnen den Kopf umschmeicheln, sind unter den Porträts singulär und verleihen dem Bild einen delikaten Charakter. Die Verbindung von Standardisierung und Variation lässt die frühere Benennung des Porträts als "Sibylle von Cleve" abwegig erscheinen. Individuelle Würdigung erfuhr es durch Alberto Giacometti und Andy Warhol, die es zu eigenen Werken anregte."

[Carrasco, Exhib. Cat. Düsseldorf 2017, 222, No. 123]