Das Werk wird als Bildnis des Theologen Johannes Bugenhagen (1485-1558) betrachtet, dessen Haupt mit dem Barett die obere Bildhälfte vor einem hellblauen Fond einnimmt. Der Zeitgenosse und Freund Cranachs kann neben Melanchthon als ein Vertrauter Martin Luthers gelten. Seit 1521 war Bugenhagen an der Wittenberger Universität tätig und arbeitete dort eng mit Luther zusammen. Bereits seit 1524 war er als zweiter reformatorischer Theologe mit Walpurga Bugenhagen (1500-1569) verheiratet. Eine Berufung an die Hamburger St. Nicolaikirche scheiterte.[1] Am 9. Oktober 1528 kam er erneut nach Hamburg, wo man ihm dann einen großzügigen Empfang bereitete. Ende 1530 bis zum Frühjahr 1532 war er in Lübeck, und fast zwei volle Jahre – 1537-1539 – lebte er in Kopenhagen. An all diesen Orten entwickelte er jeweils eine neue Kirchenordnung. Seine Rückkehr nach Wittenberg erfolgte 1539.
Bezüglich der Funktion des Bildnisses lässt sich vermuten, dass es aufgrund des Kleinformats für den privaten Gebrauch vorhergesehen war.
Von Bugenhagen sind kaum gesicherte Bildnisse erhalten. Für eine malerische Darstellung Bugenhagens lässt sich der St. Marienaltar in der Wittenberger Stadtkirche, von Lucas Cranach d. Ä. anführen, welcher «am 24. April 1547 im Gottesdienst der Gemeinde übergeben» wurde.[2] Die rechte Tafel des Altares zeigt «Johannes Bugenhagen im Beichtstuhl».[3]
Cranach d. Ä. stellte einige Porträts in ähnlicher Manier wie das Bildnis Bugenhagens von 1537 her. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die zeitgleichen Bildnisse Georg Spalatins und Philipp Melanchthons, welche «die gleiche Konzeption, Größe und Datierung»[4] aufweisen.
Die Feinmalerei bei der Umsetzung des Porträts lässt an altniederländische Porträts der Zeit denken, denn Cranachs Begegnung mit niederländischen Malern und Kunstmärkten so Heydenreich, habe wichtige Impulse für seine künstlerische Arbeit geliefert.[5]
Schade bezeichnet 1974 die Haltung der Dargestellten aus der Zeit vor dem Wittenberger Werk befangen und der Ausdruck der Gesichter gedämpft; der Blick gehe über den Betrachter hinweg oder an ihm vorbei. Hingegen wirkten die Darstellungen der Wittenberger Zeit „menschlich aufgeschlossener"[6]. So begegnen die Gesichter vor neutralem Grund dem Blick des Betrachters und antworten ihm.[7]
Weitere bekannte Bilder des Theologen von der Hand Cranach d. J. sind ein Porträt von Johannes Bugenhagen aus dem Jahr 1551[8] sowie ein wenig bekanntes Bild aus Leipzig[9] (Besitz des Stadtmuseums, 71 x 49 cm) aus dem Jahre 1579. Außerdem schuf Cranach d.J. ein Epitaph für Paul Eber aus dem Jahr 1569, welches sich in der gleichen Stadtkirche wie der Cranachsche Marienaltar befindet. [10] Auf dem Epitaph sind Bugenhagen und seine Mitstreiter als Arbeiter auf dem Weinberg des Herrn dargestellt (Mt 20,1-16).
Die Meinungen innerhalb der kunsthistorischen Forschung sind bezüglich der Frage nach der Autorschaft des Porträts von 1537 gespalten. Schade 1974 interpretierte die für späte Jahre ungewöhnliche Signatur des Bildnisses von Bugenhagen als einen deutlichen Hinweis auf frühe selbstständige Arbeiten des Sohnes.[11] Auch Friedländer/Rosenberg zogen in in Betracht, dass die Bildnisse Bugenhagens ebenso wie Spalatins Cranach d. J. zugesprochen werden könnten.[12]
Im Detail fallen bei Bugenhagen die Gestaltung der Haare und Ohren auf. So ist das linke Ohr zwar angelegt aber nicht ausgearbeitet. Bei einem vergleichenden Blick auf die Bildnisse Spalatins und Melanchthons aus demselben Jahr kann man erkennen, dass dort das Malen der Ohren durch geschickte Positionierung der Kopfbedeckung und der Haare umgangen wurde. Bei Spalatin wird das rechte Ohr durch einen Schatten angedeutet, welcher falsch gesetzt wurde und somit nicht realistisch wirkt. Bei Melanchthon scheint das Ohrläppchen nur zwischen den Haaren hindurch.
Die Feinheit bei der Malweise von Bugenhagens Haaren findet sich auch bei Spalatin wieder. Ebenso die besondere Art des Farbauftrags, bei welcher nach dem Auftrag einer formgebenden Farbfläche die präzise Ausarbeitung der einzelnen Haare in einem zweiten Schritt erfolgte. Die Ausarbeitung bei dem Bildnis Melanchthons vollzog sich auf die gleiche Weise, allerdings in einer anderen Qualität. Bei diesem wurde ein stärkerer Wert auf fließende Übergänge zum Deckhaar und eine außergewöhnliche Individualität der einzelnen Haare gelegt. Es lässt sich kein endgültiges Urteil hinsichtlich der Aussagekraft der Gestaltung der Haare fällen, denn das Fehlen an feinmalerischer Ausarbeitung der einzelnen Haare könnte auch eine Folge schlechter Bilderhaltung sein.
Des Weiteren weisen die Signaturen bei den Porträts Spalatins und Bugenhagens eine Parallelität auf. Beide haben den Drachenflügel. Melanchthons Bildnis hingegen ist das einzige der drei Bilder, dessen Schlangensignet den Wandel vom Drachenflügel zum Vogelflügel vollzog. Eine sorgfältige Überprüfung der Detailgenauigkeit ergab eine große Nähe zwischen dem Bildnis Spalatins und dem Bugenhagens.
Zwar ist die Porträtähnlichkeit zu der Darstellung von Cranach d. Ä auf dem rechten Seitenflügel des Retabels der Marienkirche Wittenberg größer als zu Fassungen von Cranach d. J., doch spricht die vergleichbare Sorgfalt bei der Ausarbeitung der Haare eher für Cranach d.J. So erscheint die Vermutung Friedländer/Rosenbergs, dass das Bildnis Bugenhagens 1537 von der Hand des Jüngeren sei, allerdings unter Einrechnung eines Anteils seiner Werkstatt, begründet.
[Claudia Adamczyk, Tanja Steinfelser 2013]
[1] Die Hamburger Kirche St. Nikolai ist im Besitz eines Bugenhagen-Porträts, das sich bis 2010 als Dauerleihgabe in der Hamburger Kunsthalle befand . (Mündl. Hinweis Anne Barz 6.2.2012); allerdings hat sich die jüngste historische Forschung zu Bugenhagen gegen eine Porträtnähe ausgesprochen (brfl. Hinweis Probst Claussen, St. Nikolai, 10.2.2013).
[2] Thulin, Oskar: Cranach Altäre der Reformation, Berlin 1955, S. 9.
[3] Thulin, Oskar: Cranach Altäre der Reformation, Berlin 1955, S. 21.
[4] Jacob-Friesen, Holger: Lucas Cranach d. Ä. - Georg Spalatin – Philipp Melanchthon, in: Rainer Stamm (Hg.), Lucas Cranach der Schnellste, Bremen 2009, S.15.
[5] Vgl.: Heydenreich, Gunnar: Reisende Bilder im Wandel, in: Messling, Guido (Hrsg.), Die Welt des Lucas Cranach, Brüssel 2010, S. 66.
[6] Vgl. Schade, Werner: Die Malerfamilie Cranach, Dresden, Verlag der Kunst 1974, S. 51
[7] Vgl. Schade, Werner: Die Malerfamilie Cranach, Dresden, Verlag der Kunst 1974, S. 51
[8] Vgl. Koepplin, Tilman (Hg.): Lukas Cranach. Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, Basel/ Stuttgart 1974, S.715; Im Besitz des Museums der Stadt Leipzig, Öl/H, 71 x 49 cm
[9] Leder, Hans-Günter / Buske, Norbert: Reform und Ordnung aus dem Wort – Johannes Bugenhagen und die Reformation im Herzogtum Pommern, Berlin 1985, Abb. 21.
[10] Vgl. Steinwachs, Albrecht/Pietsch. Jürgen: Der Weinberg des Herren – Lucas Cranach d.J., Lutherstadt Wittenberg, 2002.
[11] Vgl. Schade, Werner: Die Malerfamilie Cranach, Dresden 1974, S. 79.
[12] Vgl. Friedländer, Max/ Rosenberg, Jakob: Die Gemälde von Lucas Cranach, Basel 1979, S.140.