Dieses Rundbildnis zeigt Luther im Profil mit Blick nach rechts; Luther trägt als Kopfbedeckung einen Doktorhut, der einen Haarkranz freilässt. Das Gewand mit Kapuze erinnert an den Habit der Augustiner, scheint aber an der Brust eine Fältelung aufzuweisen, die dafür untypisch wäre. Das Porträt ist in ein Medaillon eingeschrieben und
Dieses Rundbildnis zeigt Luther im Profil mit Blick nach rechts; Luther trägt als Kopfbedeckung einen Doktorhut, der einen Haarkranz freilässt. Das Gewand mit Kapuze erinnert an den Habit der Augustiner, scheint aber an der Brust eine Fältelung aufzuweisen, die dafür untypisch wäre. Das Porträt ist in ein Medaillon eingeschrieben und lässt umlaufend Platz für eine Inschrift.
Das vorliegende Bildnis zeigt in Physiognomie und Gewandgestaltung eine äußerst ungewöhnliche Darstellung, die mit keinem im Bereich des KKL behandelten Luther-Bildnis in Zusammenhang zu bringen ist. Das Luther-Medaillon ist auf einem unikal überlieferten Blatt abgedruckt,[1] das insgesamt 31 Darstellungen unterschiedlicher Größe im Rund zeigt. Die Mehrheit der hier zusammengetragenen Bildnisse gibt namentlich benannte Fürsten und Fürstinnen des Reichs oder unbekannter Personen, teilweise mit antikisierendem Habitus, wieder. Eine Reihe von Medaillons zeigt allegorisch-emblematische Szenen.
Eine Datierung des Blattes ist schwierig, da die Herrschaftstitel der abgebildeten Personen keine sichere Datierungsmöglichkeit bieten: So hatte Herzog Ulrich von Württemberg sein Herzogtum bereits 1519 verloren, führte aber auch bis zu seiner Rückeroberung 1534 den Titel eines Herzogs.[2] Christian II. von Dänemark hatte den dänischen Thron 1523 verloren, hielt über seinen Titel den Herrschaftsanspruch aber weiterhin aufrecht. Umgekehrt trug Anna von Ungarn den Titel einer Königin von Ungarn schon bevor ihr Gemahl Ferdinand I. 1527 den ungarischen Thron bestieg.[3] Als terminus post quem wird man daher am ehesten das Jahr 1524 annehmen dürfen, da es sich bei dem Bildnis Friedrichs III. von Sachsen um eine spiegelbildliche Adaption von Albrecht Dürers Kupferstichbildnis des Jahres 1524 handeln dürfte.
Das Blatt weist mit einer „hohen Bügelkrone“ ein, im Zeitraum von etwa 1520 bis 1530, besonders weit verbreitetes Wasserzeichen auf.[4]
Der Druckstock zum vorliegenden Holzschnitt ist 1810 in der Sammlung Derschau nachweisbar und wurde von Rudolph Zacharias Becker mit wenigen Sätzen bedacht. Für eine Zuschreibung an Hans Burgkmair, wie sie Rudolph Zacharias Becker postuliert, fehlen tragfähige Belege.[5]
Es bleibt die Frage, welchem Zweck eine solche Zusammenstellung von Motiven in Medaillons diente. Auffällig ist, dass die Rundbilder in drei Gruppen mit jeweils einheitlicher Profilausprägung der Ränder eingeteilt werden können. Daher erscheint es unwahrscheinlich, dass es sich hierbei um eine druckgraphische Wiedergabe einer Sammlung von Münzen oder Medaillen handelt. Die gezeigten Randprofile verweisen wohl vielmehr auf die Darstellung von Spielsteinen.[6] Gerade Spielsteine mit den Bildnissen adliger Zeitgenossen gehörten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zur Ausstattung fürstlicher Kunstkammern.[7] Ob hier eine bestehende Sammlung druckgraphisch erfasst wurde oder das vorliegenden Blatt eine solche nur imaginiert, muss dahingestellt bleiben.[8] Vergleichbare, ebenfalls mit Spielsteinen zu assoziierende Darstellungen treten äußerst selten auf.[9]
Dass prominente Persönlichkeiten der Reformation wie Johannes Eck, Hieronymus Emser, Thomas Murner oder Johannes Cochläus auf zeitgenössischen Spielkarten abgebildet wurden, ist durch die 1524 erschienene anonyme Flugschrift „Ein gesprech auff das kurtzt“ (VD16 G 1864, fol. C2a) belegt.[10] Eine Darstellung Luthers auf einem Spielstein bildet für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts dagegen ein Unikum,[11] zumal sie auf dem vorliegenden Blatt in eine Zusammenstellung von Fürsten und allegorischen Szenen eingereiht wird.
Daniel Görres, Thomas Klinke
[1] Vgl. Staatliches Museum Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 44.1884, Blattmaße: 306 x 208/204 mm, rückseitig unbedruckt.
[2] Vgl. zum Herzogstitel Ulrichs von Württemberg im Exil etwa Schubert 2008b, S. 171–174. Das Bildnis des Herzogs geht auf ein Erhard Schön zugeschriebenes Holzschnittporträt von 1520 zurück, das wiederum seinen Ursprung in einem Münzbildnis Ulrichs von Württemberg der Jahre 1518/1519 hat. Vgl. Ausst.-Kat. Stuttgart 2017, S. 122, Nr. IV.1.
[3] Vgl. etwa den Bericht über ihre Hochzeitsfeierlichkeiten bei Cuspianus 1515, fol. B2r.
[4] Insgesamt 7072 Belege dieses übergeordneten Typs verzeichnet das WZIS 2021 für den Zeitraum von 1315 bis 1846 mit einer höchsten Belegdichte um 1520–1530. Die spezifisch zu bezeichnende Ausprägung des Wasserzeichens im Berliner Blatt lautet „Hohe Bügelkrone, ausgewölbter oberer Abschluss des zweikonturigen Bügels, dieser mit vier Perlen je Seite besetzt, fünf Reifperlen und 5 Reifzacken, 1., 3. und 5. Kronenzacke mit Kreuzblumenabschluss, 4. mit Perle (?), darüber lateinisches Kreuz“. Maße des Wasserzeichens: 93 x 33 mm. Ein für 1528 in Verwendung belegtes Papier zeigt ein sehr ähnliches Wasserzeichen in Zeichnung und Größe, vgl. [DE8085-PO-52997] sowie [DE8085-PO-52999].
[5] Becker / Derschau 1810, Nr. B29 will sogar mehrere der hier auftretenden Bildnisse in anderen Werken Hans Burgkmairs ausgemacht haben.
[6] Für seine Einschätzungen zu diesem Blatt und die Bestätigung dieser Vermutung sei Dr. Hermann Maué herzlich gedankt.
[7] Das früheste erhaltene Set an Spielsteinen dieser Art befindet sich in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien (Inv.-Nr. 3851–3877), besteht aus 27 Steinen, entstammt dem Umkreis Hans Kels und ist nach 1535 entstanden (vgl. Ausst.-Kat. Wien / München 2011/2012, S. 210–211, Nr. 125; vgl. zur Geschichte der Spielsteine jüngst Maué 2020).
[8] Becker / Derschau 1810, Nr. B29 sprechen von einem Studienblatt. Denkbar wäre auch, dass die Medaillons ausgeschnitten und auf Spielsteine aufgebracht werden konnten und diese somit zu kostengünstigen Derivaten der Kunstkammerobjekte werden ließen.
[9] Röttinger 1914, S. 42–43, Nr. 27–30, schreibt fünf überlieferte Holzschnitte mit den Bildnissen Franz’ I., Ludwigs II. von Ungarn und seiner Frau sowie Suleimans II. und seiner Frau Georg Pencz zu. Die Bildnisse besitzen einen Durchmesser von 66 mm und eine vierfache Linienumrandung und stellten laut Röttinger Damebrettsteine dar. Anhand der bei Röttinger genannten Vorbilder scheinen zumindest die Bildnisse des ungarisch-böhmischen Fürstenpaars nach 1530 entstanden zu sein. Hollstein German III.223 sieht darin Werke Hans Sebald Behams.
[10] Abgedruckt in Clemen 1909, S. 375–422, hier S. 410.
[11] Im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg wird ein um 1700 entstandener Spielstein mit einem Luther-Bildnis verwahrt (Inv.-Nr. SZ656); vgl. dazu Maué 2020, Nr. 467.
Quellen / Publikationen:
Becker / Derschau 1810, Nr. B29.
- Zuschreibungen
-
Unbekannt, Inventor*in
Hans Burgkmair, Inventor*in
Zuschreibungen
Unbekannt, Inventor*in | [KKL 2022] |
Hans Burgkmair | [Becker / Derschau 1810, Nr. B29] |
- Datierung
- nach 1524
Datierung
nach 1524 | [KKL 2022] |
- Maße
- Darstellung: 50 mm (Durchmesser)
Maße
Darstellung: 50 mm (Durchmesser)
[Thomas Klinke, KKL 2022]
- Signatur / Datierung
Keine
- CDA ID
- ANO_H-NONE-024
- KKL-Nr.
- I.4D5, Teil der Bildnisgruppe I
- Permalink
- https://lucascranach.org/de/ANO_H-NONE-024/