In verschiedenen Bibeldramen des 16. Jahrhunderts diente die Tragödie von Johannes dem Täufer als Exemplum für die Verfehlungen eines Herrschers, für Tyrannentum und die katholische Abgötterei. [1] Diese Vereinnahmung der biblischen Geschichte, insbesondere von protestantischer Seite, lässt sich gerade auch bei den ernestinischen Kurfürsten beobachten, die sich mit Johannes dem Täufer identifizierten. Dessen unerschütterliche Glaubenstreue, die zur Gefangenschaft und dann zum Martyrium führte, bot eine willkommene Parallele zum Schicksal des Kurfürsten Johann Friedrich des Großmütigen von Sachsen. Dieser hatte den Heiligen, den ersten Bekenner Christi, als Namenspatron. Im Kampf für den protestantischen Glauben gegen den katholischen Kaiser in Gefangenschaft geraten, wurde Johann Friedrich 1547 zum Tode verurteilt. Dieses Urteil wurde erst auf Bitten einflussreicher Fürsten in eine lebenslange Haft umgewandelt. Der Bezug der Vita Johann Friedrichs auf ein Martyrium für den Glauben wird auch in der Gedankschrift auf seinen Tod 1554 hergestellt. [2]
Gothaer Salomedarstellung verwandt ist ein Bild in Budapest (um 1526/30), welches ebenfalls Salome losgelöst aus einem narrativen Zusammenhang vor einem schwarzen Hintergrund zeigt. [3] Das leuchtend rote, geschlitzte Kleid unterscheidet sich zwar in mehreren Details, zeigt aber einen ähnlichen Faltenwurf. Anstatt eines Federhuts trägt Salome einen Brautkranz im Haar. Verschiedene weibliche Halbfiguren sind Zitate des oberen Teils der Gothaer Tafel, erreichen aber nicht deren Qualität und können in den Cranach Umkreis oder die Nachfolge eingeordnet werden. [4] Zudem hat sich eine gettreue Kopie des Gemäldes von Christian Richter in Braunschweig erhalten (um 1640/50), die das langanhaltende Interesse an der cranachschen Bildfindung bezeugt.[5] Nach Ansicht von Schade ist das Gothaer Werk in die Cranach Nachfolge einzuordnen und entstand erst um 1600. Die Stilistik und hohe malerische Qualität der Tafel, die auch noch einmal durch die jüngste Restaurierung (2014/15) bestätigt wurde, sowie die zahlreichen Kopien lassen es allerdings lohnend erscheinen, die Abschreibung aus dem Werk Cranachs und die späte Datierung noch einmal kritisch zu hinterfragen. [6] Eine frühere Datierung stützt sowohl die ursprüngliche Tafelgröße, die einem der bevorzugten Standardmaße der Cranach-Werkstatt zwischen ca. 1520 und ca. 1535 entspricht, als auch das Trägermaterial Tannenholz, das dort im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts besonders häufig Verwendung fand. [7] Die bei einer fragwürdigen Restaurierung des oberen Bildteils freigelegte Jahreszahl trägt indes nicht zur Klärung der Datierungsfrage bei. [8] 1972 hatte man den dunklen Hintergrund als nicht original eingestuft und entfernt, wodurch ein erheblicher Verlust von originaler Malerei im Bereich der Konturen in Kauf genommen wurde. Das Bildnis der Salome erschien nun vor einem merkwürdig fleckigen hellen Fond, der für Cranach sehr ungewöhnlich erscheint. Rechts des Kopfes waren bei dieser Maßnahme angeblich die Cranach Schlange und die Datierung 1549 sichtbar geworden. Neueste technologische Untersuchungen des unteren Teilstücks konnten nun zweifelsfrei nachweisen, dass die Tafel nie einen weißen Hintergrund hatte und es sich hierbei nur um die helle Grundierung handeln kann, wodurch auch die Originalität der damals freigelegten Beschriftung angezweifelt werden muss.
Das Gothaer Salomebild stammt aus altem ernestinischem Besitz und kam über die Mitgift der Herzogin Elizabeth Sophie von Sachsen-Altenburg (1619-1680) aus Altenburg nach Gotha, wo es 1644 erstmals urkundlich erwähnt wird. [9] Auch diese prominente Provenienz könnte für eine Neubewertung der Tafel sprechen.
[1] Washof 2007, 331
[2] Exhib. Cat. Gotha 1994, 162, Nr. 2.49
[3] Cranach d. Ä. um 1526/30, Szépmüvészeti Múzeum, Inv. Nr. 145, siehe Exhib. Cat. Brüssel 2010, 213, Nr. 115
[4] Cranach-Nachfolge, Weibliche Halbfigur mit Federhut, Öl auf Holz, 62 x 52,5 cm, Aufbewahrungsort unbekannt (Dorotheum 2010); Monogrammist HVK, Weibliche Halbfigur mit Federhut, Öl auf Holz, 23 x 19,2 cm, Aufbewahrungsort unbekannt (Koller 2007); Cranach Nachfolge, Webliche Halbfigur mit Federhut, 17. Jh., 58,5 x 51,5 cm, Aufbewahrungsort unbekannt (Boisgirard Antonini, Paris, 13. August 2006); Cranach-Werkstatt, Weibliche Halbfigur mit Federhut, 16. jahrhundert, Staatsgalerie im Schloss Johannisburg, Aschaffenburg; Cranach-Werkstatt, Weibliche Halbfigur mit Federhut, Öl auf Holz, 57 x 50 cm, Louisville (Kentucky), Speed Art Museum.
[5] Christian Richter, Salome mit dem Haupt Johannes des Täufers, Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig. Siehe Jacoby 2002, 206 ff.
[6] Die Restaurierung wurd großzügig gefördert durch den Freundeskreis Kunstsammlungen Schloss Friedenstein Gotha e. V.
[7] Heydenreich 2007, 43 und 47 f.
[8] Jacoby 2002, 209
[9] Exhib. Cat. Gotha 2001, 49.1