Bildträger
Die Holztafel (75,9 x 59,4 x 1 cm) besteht aus fünf Brettern unterschiedlicher Breite (links von oben 17,5/19,3/18/11/10 cm; rechts von oben 18/18,4/19/12,7/7,8 cm). Es handelt sich
um Weichholz, wahrscheinlich Linde. Die Bretter sind in horizontaler Ausrichtung, d.h. quer zur größeren Ausdehnung der Tafel verleimt. Die Brettkanten verlaufen nicht parallel
zueinander. Zwei Schadstellen im Holz wurden mit kleinen Holzintarsien ausgesetzt. Eine Beklebung der Fugen mit Wergfasern oder Leinwand ist nicht nachweisbar. Umlaufend am
Rand ist ein ca. 1,2 cm breiter Falz erhalten. Die Tafel wurde in späterer Zeit auf der Rückseite geringfügig gedünnt und parkettiert. Eine nachträgliche Formatänderung ist nicht feststellbar.
Grundierung und Imprimitur
Die Tafel ist weiß grundiert; augenscheinlich handelt es sich um einen Kreidegrund. Der Auftrag der Grundiermasse erfolgte nicht bis zum Rand, d.h. die Tafel war in dieser
Arbeitsphase in einem Rahmen fixiert. Im Bereich des Übergangs zwischen Tafel und ursprünglichem Rahmen gibt es einen Grundiergrat, dessen erhabene Form darauf
schließen lässt, dass auch die Glättung des Grundes im Rahmen erfolgte. Der originale Zierrahmen ist nicht erhalten. Der rückseitig am Tafelrand erhaltene Falz lässt auf einen
originalen Nutrahmen schließen, in den der auf ca. 5 mm gedünnte Tafelrand eingelassen wurde. Spuren von Gold und einem roten Farblack, die im Bereich des Grundiergrates in die
Farbe eingebettet sind, deuten auf eine polychrome Fassung des Rahmens.
Zwischen Grundierung und Malschicht gibt es eine weiß bis schwach hellrot pigmentierte Zwischenschicht (Imprimitur). Nach mikroskopischer Untersuchung dürfte es sich dabei um
eine Ausmischung aus Bleiweiß mit einem geringen Anteil Mennige handeln. Weiße und hellrote Imprimituren sind in der Malerei des 16. Jahrhunderts aber auch in späterer Zeit verbreitet. Auf zahlreichen Werken Lucas Cranachs d.Ä. und seiner Werkstatt konnten weiße und rosa getönte Imprimituren (Bleiweiß, Mennige) analytisch nachgewiesen werden.
[Heydenreich, examination report 2008, 2, 3]
Unterzeichnung
Auf dem Malgrund ließ sich mittels Infrarot-Reflektografie eine mit schwarzer Tusche ausgeführte Unterzeichnung sichtbar machen. Vermutlich diente ein Pinsel als
Zeicheninstrument. Die Zeichnung der Figuren konzentriert sich mit relativ langen geschwungenen Linienzügen auf die Fixierung wesentlicher Konturlinien und Binnenformen.
Körper, Gesichter und Gewänder sind dabei sicher und relativ präzise festgelegt. Nur in einigen Details, wie z.B. den Füßen des Christuskindes erscheint die Zeichnung frei und
intuitiv ausgeführt. Vermutlich folgte diese Unterzeichnung einer relativ präzisen Vorlage, die zuerst mit einem nicht sichtbar zu machenden Zeichenmedium (z.B. Kohle oder Kreide) auf
den Malgrund übertragen wurde.
Zwischen Unterzeichnung und nachfolgender Malerei gibt es mehrere geringfügige Abweichungen. So sind der Kopf und die linke Schulter des Christuskindes schmaler angelegt und mit dem Farbauftrag verbreitert worden. Auch die rechte Hand der Madonna war in der Unterzeichnung um mehr als eine Fingerbreite kürzer formuliert als in der malerischen Ausführung. Ebenso sind das rechte Auge der Madonna und das linke Auge des Christuskindes sowie die linke Hand der Madonna mit dem Farbauftrag geringfügig nach unten verschoben.
[Heydenreich, examination report 2008, 2-3]
Farbschichten und Metallauflagen
Inkarnate
Die Inkarnate wurden mit einer hellen Ausmischung aus Bleiweiß und zinnoberroten Pigmenten angelegt. Schattenformen sind mit halbtransparenten braun-schwarzen Lasuren modelliert und Lichtakzente mit einer helleren Inkarnatfarbe aufgesetzt. Das Röntgenbild spiegelt eine zügig ausgeführte Modellierung der Gesichtsformen wider. Das Absorptionsrelief erscheint vergleichsweise schwach ausgeprägt, d.h. die Modellierung der Formen und Beleuchtungssituation erfolgte vor allem durch eine routinierte Ausmischung der Inkarnatfarbe und die graduelle Abtönung verschatteter Bereiche als durch den sukzessiven Auftrag heller Inkarnatfarbe in Schichten.
Die Augen der Madonna sind mit einer grünlich-grauen Iris und weit geöffneter Pupille formuliert, auf denen jeweils scharfe Reflexlichter aufblitzen. Die Augäpfel enthalten neben Weiß einen deutlichen Anteil Blaupigment (augenscheinlich Azurit). Die Augenlider erscheinen mit rosa und braunschwarzer Farbe scharf umrissen. Die Wimpern sind mit feinsten Linien vergleichsweise sicher eingetragen.
Die Anlage der Haare erfolgte mit brauner Farbe, auf der nachfolgend gelbe Haarlinien gezeichnet sind. Glasige Einschlüsse in der gelben Farbe und die starke Absorption von Röntgenstrahlen lassen die Verwendung von Bleizinngelb vermuten. In einigen Bereichen erscheinen kurze dunkelgelbe Haare von langen geschwungenen hellgelben Haarlinien überlagert zu werden.
[...] Die Röntgenaufnahme vom Kopf der vorliegenden Madonna belegt, dass die Inkarnatmodellierung zügig und routiniert ausgeführt wurde. Die Ausführung der Augäpfel mit einer Ausmischung von Bleiweiß und Azurit lässt sich bereits an Cranachs frühesten Werken feststellen. Diese Technik wird im Wittenberger Werkstattbetrieb zunehmend aufgegeben.
Gewänder
Der blaue Madonnenmantel wurde zuerst mit grauer Farbe modellierend untermalt. Anschließend ist die blaue Farbe streichend und stupfend appliziert. Abweichend von dieser
Methode ist das grüne Mantelinnenfutter nicht grau unterlegt, sondern mit Grüntönen modellierend angelegt, in den Schatten mit grauen bis schwarzen Ausmischungen verschattet und abschließend mit einem grünen Farblack harmonisiert. Ebenso ist das rote Gewand farbig modelliert und unter Verwendung eines roten Farblackes ausgeformt.
Das vorliegende Gemälde und die Madonna mit dem Kind in der Sammlung Thyssen-Bornemisza (um 1512/14, FR 30) sind die frühesten Werken, auf denen bisher eine graue Untermalung des Madonnenmantels nachgewiesen werden konnte. Nachfolgend gehörte diese Methode zur charakteristischen Werkstattpraxis des Wittenberger Hofmalers. Die grisailleähnliche Modellierung ermöglichte eine differenzierte Abstufung von Licht und Schatten und zugleich eine materialökonomische und besonders intensive Kolorierung.
Himmel und Landschaft
Der Himmel und Teile der Hintergrundlandschaft sind wie der blaue Mantel mit grauer Farbe (Weiß und Schwarzpigment) untermalt. Dabei ist eine graduelle Tonwertabstufung zwischen dem Zenit (grau-schwarz) und dem Horizont (weiß) feststellbar. Das Blaupigment wurde anschließend stupfend und streichend aufgetragen. Augenscheinlich handelt es sich um Azurit in sehr kleiner Korngröße. Der schwarzblaue Himmel resultiert primär aus der schwarz-grauen Untermalung. Der Horizont erscheint über einen rosa Ton zu Gelb (augenscheinlich Bleizinngelb) aufgelichtet. Die Wolken sind nass in nass aufgesetzt und die Konturen mit einem weichen Pinsel vertrieben.
Abweichend von der sichtbaren Ausführung sind die Berge am linken Bildrand in der grauen Untermalung etwas höher angelegt. Die fernen Hügelketten sind mit blauer Farbe getupft und dazu hellblaue Turmsilhouetten mit dem Spitzpinsel eingetragen. Die Baumgruppen des Mittelgrundes wurden auf einer schwarzen Untermalung mit unterschiedlich hellen grünen Farbausmischungen und abschließenden grünen Lasuren formuliert.
Die graue Untermalung des Himmels ist bereits auf mehreren Wiener Werken Lucas Cranachs d.Ä. nachweisbar und auch in der Wittenberger Werkstatt wird sie häufig angewendet. Ebenso gehört der Einsatz verschiedener Pinsel und Farbkonsistenzen sowie Farbauftragsweisen zu den charakteristischen Arbeitspraktiken des Hofmalers wie seiner Mitarbeiter. [...] Das Vertreiben klarer Konturlinien mit einem weichen Haarpinsel, wie dies auf dem vorliegenden Bild in den Wolken zu beobachten ist, gehört zur charakteristischen Merkmalen der mit Kieseln bedeckten Bodenflächen auf zahlreichen Gemälden aus der Cranach-Werkstatt. Auffällig ist, dass das Laubwerk der Bäume im Vergleich mit anderen Werken relativ mechanisch ausgeführt erscheint.
Das Röntgenbild verdeutlicht, dass der Malprozess präzise geplant und ohne größere Veränderungen vonstatten ging. Die Grenzlinien zwischen den einzelnen Farbflächen sind bereits in der Untermalung fixiert. Wesentliche Veränderungen oder Korrekturen im Malprozess sind nicht erkennbar.
Muschelgoldapplikation
Der Malprozess wurde mit zeichnerischen Akzentuierungen abgeschlossen. Die Nimben, sowie die Bordüren von Schleier, Mantel und Kleid sind mit Muschelgold, d.h. gemalenem
und mit einem Bindemittel angeriebenen Gold und Pinsel ausgeführt. Die Feinzeichnung mit Muschelgold gehörte zu den im Vergleich mit anderen Vergoldungstechniken relativ selten und gleichzeitig am längsten praktizierten Techniken der Cranachwerkstatt. Wir finden es sowohl auf der Wiener Kreuzigung von um 1500 als auch auf einem 40 Jahre später entstandenen Kreuzigungsaltar (FR 377A). In der Regel diente es zur Darstellung von Nimben, Bordüren und Zaumzeug.
[Heydenreich, examination report 2008, 3-5]
Rahmung
Spuren von Gold und einem roten Farblack, die im Bereich des Grundiergrates in die Farbe eingebettet sind, deuten auf eine polychrome Fassung des Rahmens. Der derzeitige Zierrahmen stammt augenscheinlich aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
[Heydenreich, examination report 2008, 2]
- untersucht von Gunnar Heydenreich