Martin Luther mit Schaube und Barett, Brustbild nach links, mit Inschrift

Martin Luther mit Schaube und Barett, Brustbild nach links, mit Inschrift

Druckgrafik, Kupferstich

Das vorliegende Luther-Bildnis findet im Bildnistyp Lucas Cranachs d. Ä. (Gruppe IV) mit Schaube und Barett (ab 1530) sein direktes Vorbild.[1]

In dem kleinformatigen Kupferstichbildnis von 1530 sucht der nach links gewandte Luther wie schon im Holzschnitt (IV.D1) und in den seit 1528 gefertigten Gemälden aus der Cranach-Werkstatt direkten Blickkontakt mit

Das vorliegende Luther-Bildnis findet im Bildnistyp Lucas Cranachs d. Ä. (Gruppe IV) mit Schaube und Barett (ab 1530) sein direktes Vorbild.[1]

In dem kleinformatigen Kupferstichbildnis von 1530 sucht der nach links gewandte Luther wie schon im Holzschnitt (IV.D1) und in den seit 1528 gefertigten Gemälden aus der Cranach-Werkstatt direkten Blickkontakt mit den Betrachtenden. Luthers Gesichtszüge sind bis in die kleinsten Bereiche wie die Iriden der Augen detailreich ausmodelliert, wobei die Nase mit einem ausgeprägten Höcker wiedergegeben ist. Die Stofflichkeit des Baretts und der Schaube mit aufgestelltem Kragen ist sorgfältig ausgearbeitet. Auf dem dunkel schraffierten Hintergrund, der in der rechten oberen Ecke Jahreszahl und Signatur „15 IB 30“ trägt, zeichnet sich rechts der Schatten Luthers ab. Vor seiner Brust ist am unteren Bildrand ein plastisch gestaltetes, volutenflankiertes Schriftfeld angebracht, dass die aus Jesaja 30,15 stammende Devise Luthers wiedergibt.[2] Dieser Wortlaut tritt ab 1529 auf den Gemälden der Cranach-Werkstatt auf.[3] Das Pendantbildnis zeigt Philipp Melanchthon nach rechts mit dem Ansatz eines Bartes, den er vor allem über den Lippen länger trägt. Das lockige Haar bedeckt ein schräg aufgesetzter, breitkrempiger Hut. Die detailreich gearbeitete Darstellung verhält sich auch im Schattenwurf und der Positionierung des Monogramms spiegelbildlich zum Luther-Pendant, mit dem es auch ein identisch gestaltetes Schriftfeld teilt.[4] Die Übereinstimmungen in der Zeichnung von Luthers Gesicht mit den Gemäldetafeln dieser Bildnisgruppe sind augenfällig. So stimmen Form, Zeichnung, Augenabstand bis hin zu den Lichtreflexen in den Augen zwischen den Gemälden[5] und dem Kupferstich überein. Wohl aufgrund des gedrungenen Formats der Druckgraphik liegen Nase, Mund und Kinn näher zusammen, während die Zeichnung der einzelnen Gesichtsmerkmale weitgehend erhalten bleibt.[6] Die maßstäbliche Verkleinerung der Vorlage könnte über ein graphisches Hilfsmittel, wie beispielsweise ein Quadratnetz oder unter Zuhilfenahme der sogenannten „Dürerscheibe“ vorgenommen worden sein.

Vierzehn für den KKL autopsierte Abzüge des Luther-Bildnisses geben die Druckplatte in sehr gutem bis mittlerem Abnutzungszustand wieder. Obwohl die Papiere keine Wasserzeichen tragen, lassen sich mehrere Papiersorten anhand ihrer strukturellen Merkmale unterscheiden, die in den sechs untersuchten Melanchthon-Pendants jeweils ein gleiches Gegenüber finden, sodass Martin Luther und Philipp Melanchthon jeweils in gleicher Kampagne aufgelegt worden sein dürften. Nicht zuletzt deshalb dürfen sie als Pendants gelten, auch wenn sie auch als Einzelstücke verkauft worden sein dürften.

Während sich der Monogrammist IB für sein Luther-Bildnis auf eine Vorlage der Cranach-Werkstatt beziehen konnte, scheint er sich für Philipp Melanchthon am Kupferstichbildnis Albrecht Dürers aus dem Jahr 1526[7] orientiert zu haben, was vor allem an den hervortretenden Adern der Schläfe und der gebogenen Nase deutlich wird.[8] Melanchthon-Bildnisse Lucas Cranachs d. Ä. sind erst ab 1532 belegt.

Seitdem Max J. Friedländer 1897 den Monogrammisten IB mit dem Nürnberger Künstler Georg Pencz identifizierte, dessen Initialen mit „Iörg Bencz“ aufzulösen seien, wurde diese These vielfach und kontrovers diskutiert.[9] Vom Monogrammisten IB sind rund 60 signierte Werke erhalten, wobei es sich bei den hier behandelten Werke um die letzten datierten handelt. Mit dem Jahr 1530 scheint die Tätigkeit des Monogrammisten abzubrechen. Friedländer argumentierte, dass er in diesem Jahr sein Monogramm von „IP“ zu „GP“ veränderte.[10] Die Untersuchung des Melanchthon-Bildnisses im Germanischen Nationalmuseum[11] für den KKL erhärtet diesen Befund, zeigt das Bild rückseitig doch die mit „GP“ signierte Darstellung Der Tod des reichen Mannes[12], die Georg Pencz als Teil der Geschichte des reichen Mannes veröffentlichte.[13]

Tatsächlich zeigt der Holzschnitt IV.D1, der ebenfalls Georg Pencz zugewiesen wird,[14] trotz abweichender Technik und Abmessungen stilistische Übereinstimmungen mit dem vorliegenden Luther-Bildnis. Diese umfassen nicht nur die Verteilung von Kreuz- und Parallelschraffuren, sondern auch Eigenheiten wie den markanten Nasenhöcker oder die Betonung der Stirnwulst im Bereich der Schläfen.

Daniel Görres, Thomas Klinke


[1] Vgl. IV.M1 bis IV.24a

[2] Luther selbst übersetzt diesen wie folgt: „Durch stille sein und hoffen würdet ir starck sein.“ (WAB 11/I, S. 96). Zur Deutung und weiteren Einordnung dieser Verse vgl. den Katalogeintrag zu Bildnisgruppe IV.

[3] So z. B. auf den Tafeln Stiftung Schloss Fürstenstein Gotha, Inv.-Nr. SG18, Museo Poldi Pezzoli Mailand, Inv.-Nr.: 1036, Melanchthon Haus Bretten, Inv.-Nr.: 1a, Kunstmuseum Görlitz, Inv.-Nr. 34-1955, Deutsches Historisches Museum Berlin, Inv.-Nr. Gm 1989-1547-1 bzw. siehe IV.M11–IV.M24.

[4] Philipp Melanchthons Wahlspruch lautet in der Übersetzung Luthers: „Jst got fur vns, wer mag widder vns seynn“ (WAB 7, S. 54).

[5] Etwa die Tafel aus der Kunstsammlung Veste Coburg (IV.M2).

[6] Deutlichere Abweichungen sind beim Augenlid links, der Breite von Nase und Mund, sowie beim im Kupferstich deutlich stärker herausgearbeiteten Nasenrücken festzustellen.

[7] Vgl. Schoch 2001, S. 241–242, Nr. 101.

[8] Ausst.-Kat. Hamburg 1983a, Nr. 104 verweist dagegen darauf, dass Georg Pencz Philipp Melanchthons Aussehen bei dessen zweitem Aufenthalt in Nürnberg, im Mai 1526, hätte kennenlernen können.

[9] Für einen Überblick zur Forschungsgeschichte vgl. Dyballa 2014, S. 55–59.

[10] Ebd., S. 55–73.

[11] Inv.-Nr. K 21148.

[12] Vgl. Landau 1978, S. 109, Nr. 69; Hollstein German XXXI,39.

[13] Auf die rückseitige Darstellung wird erstmals im Rahmen des „Digitalen Portraitindex“ hingewiesen: http://www.portraitindex.de/documents/obj/33700335 (Zuletzt aufgerufen: 08.09.2021). Landau datiert diesen Kupferstich auf 1542/43, weshalb die Vermutung geäußert wurde, dass der „Tod des reichen Mannes“ als Probedruck auf ein in der Werkstatt befindliches Melanchthon-Blatt gedruckt wurde. Sollte dies zutreffen, so scheinen die „IP“ signierten Werke Georg Pencz‘, und damit auch die beiden vorliegenden, nach dem Wechsel des Monogramms verworfen und nicht weiterverkauft worden zu sein, vgl. https://www.graphikportal.org/document/gpo00288990 (Zuletzt aufgerufen: 08.09.2021).

[14] Vgl. Dyballa 2014, S. 266–268, Nr. B 2.

Quellen / Publikationen:

Bartsch VIII.302/303.9/10; Passavant IV.98; TIB XVI.68.9; Waldmann 1910, S. 61, 109, 115; Singer 1976, S. 84, Nr. 57890 und S. 88, Nr. 83585; Ficker 1934, S. 128, Nr. 154; Ausst.-Kat. Nürnberg 1961, Nr. 280, 281; Ausst.-Kat. Hamburg 1983a, S. 236–237, Nr. 104, 105; Dyballa 2014, S. 55.

Zuschreibung
Monogrammist IB (Georg Pencz), Inventor*in

Zuschreibung

Monogrammist IB (Georg Pencz), Inventor*in

[KKL 2022]

Datierung
1530

Datierung

1530

[datiert, KKL 2022]

Maße
Platte: 87 (+/-1) x 68 (+/-2) mm

Maße

  • Platte: 87 (+/-1) x 68 (+/-2) mm

  • Darstellung: 87 (+/-1) x 68 (+/-2) mm

  • [Thomas Klinke, KKL 2022]

Signatur / Datierung
  • rechts oben: Monogramm und Jahreszahl "15 IB 30"

Signatur / Datierung

    • rechts oben: Monogramm und Jahreszahl "15 IB 30"
  • [KKL 2022]

CDA ID
MIB_H-NONE-001
KKL-Nr.
IV.D2a, Teil der Bildnisgruppe IV
Bartsch-Nr.
VIII.302.9
Permalink
https://lucascranach.org/de/MIB_H-NONE-001/
  • Martin Luther mit Schaube und Barett, Brustbild nach links, mit Inschrift, 1530
Zustand / Auflage
Einziger Zustand
Datierung
1530

Datierung

1530

[datiert]

Material / Technik
Druck auf Hadernpapier mit Vergé-Struktur

Material / Technik

Druck auf Hadernpapier mit Vergé-Struktur

[Thomas Klinke, KKL 2020]

Kurzbeschreibung
Einblattdruck
Maße
Blatt: 88/87 x 70/69 mm

Maße

  • Blatt: 88/87 x 70/69 mm

  • Druckplatte: aufgrund Beschnitt nicht identifizierbar

  • Darstellung: 88/87 x 70/69 mm

  • [Thomas Klinke, KKL 2020]

CDA ID
UK_BML_1850-0612-382
Permalink
https://lucascranach.org/de/UK_BML_1850-0612-382
Eigentümer
British Museum
Besitzer
British Museum
Standort
London

Provenienz

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Kunsttechnologische Untersuchung

2018 - 2021Technologische Untersuchung

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Wasserzeichen: nicht vorhanden

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Anomalien am Wasserzeichendraht:

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Wasserzeichen, Referenz/en (chronologisch):

[Thomas Klinke, KKL 2020]

  • untersucht von Thomas Klinke

2018 - 2021Technologische Untersuchung

  • Papieruntersuchung / Strukturanalyse

Bildträger

Papierstruktur: vergé

Papierstärke: 0,14 – 0,13 mm

Kettlinien, Orientierung zur Darstellung: quer

Kettlinien, relative Intervalle: [.] 32 [.] mm

Ripplinien, relative Dichte: 10/10 mm

Faserverteilung:

Anomalien im Papiervlies:

Siebseite: nicht identifizierbar

Stegschatten: nicht vorhanden

Stegschatten, relative Breite:

Anomalien im Siebbild: –

[Thomas Klinke, KKL 2020]

Prozess, Medium

Druckplatte, Qualität: gute Qualität

Abzug, Qualität: gute Qualität

Markante Merkmale an Druckplatte und Abzug:

[Thomas Klinke, KKL 2020]

  • untersucht von Thomas Klinke

Erhaltungszustand

Datum2018 - 2021

  • untersucht von Thomas Klinke

Zitieren aus dem Cranach Digital Archive

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