Studie dreier weiblicher Köpfe

'Ein glücklicher Zufall der Überlieferung gestattet es, die Funktion des Blattes näher zu bestimmen. In Privatbesitz befindet sich eine Tafel aus der werkstatt Cranachs (FR251A), auf der ein Mitarbeiter verschiedene Posen und Teile cranachscher aktfiguren zu einer Gruppe der drei Grazien zusammengefügt hat. dabei verwendete er auch die heute in Truro befindlichen Kopfstudien, die im Maßstab 1:1 auf das gemälde übertragen wurden. Allerdings gelingt es ihm nicht, die lebendigkeit der Studie beizubehalten, sodass der Vergleich auch das Qualitätsgefälle zwischen dem Meister und seinem Gesellen deutlich macht. Die Mund- und Nasenpartie des rechten Kopfes weicht auf der Tafel geringfügig von dem Blatt aus Truro ab; genau bei diesen Details ist aber auch eine Veränderung zwischen der ausgeführten Malerei und der zugrunde liegenden Unterzeichnung zu konstatieren. Da die Unterzeichnung des Tafelbildes der Ölstudie näherkommt als die ausgeführte Malerei, muss es sich demnach bei letzterer um die Vorlage handeln und nicht um eine Kopie nach dem Gemälde.

Bei dem qualitätsvollen Blatt handelt es sich also um ein Hilfsmittel zur Benutzung in der Werkstatt, das für ein bestimmtes Thema angefertigt wurde. Die Köpfe konnten aber natürlich auch einzeln eingesetzt werden. Musterblätter gehörten seit dem Mittelalter zum Arbeitsmaterial jeder Malerwerkstatt. Lucas Cranach scheint ihren Einsatz in seinem Atelier jedoch forciert und systematisiert zu haben; damit schuf er eine wichtige, wenn nicht die wichtigste, Voraussetzung für die erstaunliche Produktivität seiner Werkstatt auf hohem Niveau.

[Exhib. Cat. Frankfurt 2007, 292, No. 85]