Christus segnet die Kinder

Christus segnet die Kinder

Titel

Christus segnet die Kinder

[CDA 2011]

Malerei auf Buchenholz (Fagus sp.)

Material / Technik

Malerei auf Buchenholz (Fagus sp.)

[Klein, Bericht 2013]
[The Metropolitan Museum of Art, revised 2011]

Im Bildzentrum steht Jesus in blauem Gewand. Auf seinem rechten Arm hält er einen Säugling, den er küsst. Mit seiner ausgestreckten linken Hand berührt er einen weiteren Säugling, den dessen Mutter ihm auf einem Kissen darreicht. Um Jesus herum stehen weitere Frauen mit ihren Kindern, deren Alter vom Säugling bis

Im Bildzentrum steht Jesus in blauem Gewand. Auf seinem rechten Arm hält er einen Säugling, den er küsst. Mit seiner ausgestreckten linken Hand berührt er einen weiteren Säugling, den dessen Mutter ihm auf einem Kissen darreicht. Um Jesus herum stehen weitere Frauen mit ihren Kindern, deren Alter vom Säugling bis zu Kleinkind reichen. Am rechten Bildrand befindet sich eine Gruppe von Männern.

Zuschreibungen
Lucas Cranach der Jüngere
Lucas Cranach der Ältere

Zuschreibungen

Lucas Cranach der Jüngere

[The Metropolitan Museum of Art, revised 2011]
[Hoppe-Harnoncourt 2015, 163]

Lucas Cranach der Ältere

[Kuhn, Exhib. Cat. Cambridge, Mass. 1936, 36, No. 83]

Datierungen
um 1545
um 1520

Datierungen

um 1545

[The Metropolitan Museum of Art, revised 2011]
[Hoppe-Harnoncourt 2015, 163]

um 1520

[Kuhn1936, 36, no. 83]

1545

[Bauman, Cat. New York 1984, 101-4, No. 37]

Maße
Maße Bildträger: 17,1 x 21,9 x ca. 0,15 cm

Maße

  • Maße Bildträger: 17,1 x 21,9 x ca. 0,15 cm

  • Maße Bildfläche: 15,2 x 20,6 cm

  • [The Metropolitan Museum of Art, revised 2011]

Signatur / Datierung

Bezeichnet oben rechts: Schlangensignet mit liegenden Flügeln

Signatur / Datierung

  • Bezeichnet oben rechts: Schlangensignet mit liegenden Flügeln

Inschriften und Beschriftungen
  • obere Rand:
    'LASSET DIE KINDLIN ZV MIR KOMEN.VND WERET INEN NICHT.DENN SOLCHER IST DAS REICH GOTTES. ~ MARCVS.X. ~' …

Inschriften und Beschriftungen

Inschriften, Wappen:

    • obere Rand:
  • 'LASSET DIE KINDLIN ZV MIR KOMEN.VND WERET INEN NICHT.DENN SOLCHER IST DAS REICH GOTTES. ~ MARCVS.X. ~'

Stempel, Siegel, Beschriftungen:

  • Rückseitig auf der Parkettierung:

  • Runder Aufkleber rot eingefasst mit einem rosa Rand, handschriftlich mit schwarzer Tinte: "D.626"

  • Mit weißer Kreide "11"

  • [The Metropolitan Museum of Art, revised 2011]

  • in rote Farbe: "1982.60.36"

  • in Graphit, auf Kreppklebeband: "11"

  • [Cat. New York 2013, 98, No. 22B]

Eigentümer
The Metropolitan Museum of Art, New York
Besitzer
The Metropolitan Museum of Art, New York
Standort
New York
CDA ID
US_MMANY_1982-60-36
FR (1978) Nr.
FR-none
Permalink
https://lucascranach.org/de/US_MMANY_1982-60-36/

Provenienz

  • 1920 verzeichnet in den Ehrich Galleries, New York
  • R. Langton Douglas, London
  • Agnew, London
  • Bis 1936 in der Sammlung R. Ederheimer, New York
  • Von 1936 an in der Sammlung Henry Schniewind, New York
  • Mrs. Arthur Corwin, Greenwich, Conn.
  • Ab 1945-55 verkauft an Newhouse
  • 1955 erworben von Linsky durch die Newhouse Galleries, New York
  • 1955- 1980 Mr. und Mrs. Jack Linsky, New York
  • 1980-1982 Mrs. Jack (Belle) Linsky, New York

[The Metropolitan Museum of Art, revised 2011]

Ausstellungen

Cambridge, Mass. 1936, Nr. 9
New York 1960, Nr. 8

Quellen / Publikationen

Erwähnt auf Seite Katalognummer Tafel
Hoppe-Harnoncourt 2015 163, Fn. 52, 53
Autor/inAlice Hoppe-Harnoncourt
TitelLucas Cranach der Jüngere? Überlegungen zu zwei datierten Werken aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien
Veröffentlichungin Elke A. Werner, Anne Eusterschulte, Gunnar Heydenreich, eds., Lucas Cranach der Jüngere und die Reformation der Bilder
Ort der VeröffentlichungMunich
Jahr der Veröffentlichung2015
Seiten154-167
Waterman 2015 284, Fn. 19 - 286 Fig. 4
Autor/inJoshua P. Waterman
TitelThe Artistic Emergence of Lucas Cranach the Younger
Veröffentlichungin Elke A. Werner, Anne Eusterschulte, Gunnar Heydenreich, eds., Lucas Cranach der Jüngere und die Reformation der Bilder
Ort der VeröffentlichungMunich
Jahr der Veröffentlichung2015
Seiten280-289
Cat. New York 2013 98-102 No. 22B
Autor/inMaryan W. Ainsworth, Joshua P. Waterman
TitelGerman Paintings in The Metropolitan Museum of Art, 1350 - 1600
Ort der VeröffentlichungNew York
Jahr der Veröffentlichung2013
Exhib. Cat. Prague 2005 98 (English version 39) under no. 21
Herausgeber/inObrazárna Pražského hradu, Kaliopi Chamonikola
TitelPod znamením okrídleného hada. Lucas Cranach a ceské zeme. Under the winged Serpent. Lucas Cranach and the Czech Land
Ort der VeröffentlichungPrague
Jahr der Veröffentlichung2005
Cat. New York 1995 221 Fig.
Autor/inKatharine Baetjer
TitelEuropean Paintings in the Metropolitan Museum of Art by Artists Born before 1865. A Summary Catalogue
Ort der VeröffentlichungNew York
Jahr der Veröffentlichung1995
Cat. New York 1984 101-104 No. 37
Autor/inGuy C. Bauman
Herausgeber/inBradford D. Kelleher, The Metropolitan Museum of Art, New York
TitelThe Jack and Belle Linsky Collection in the Metropolitan Museum of Art
Ort der VeröffentlichungNew York
Jahr der Veröffentlichung1984
Link resources.metmuseum.org/resources/metpublications/pdf/The_Jack_and_Belle_Linsky_Collection_in_The_Metropolitan_Museum_of_Art.pdf
Metropolitan Museum 1984 57-58 Fig.
Autor/inGuy C. Bauman
Herausgeber/inThe Metropolitan Museum of Art, New York
TitelNotable Acquisitions, 1983-1984
Ort der VeröffentlichungNew York
Jahr der Veröffentlichung1984
Andersson 1981 59 No. 57
Autor/inChristiane D. Anderson
TitelReligiöse Bilder Cranachs im Dienste der Reformation
Veröffentlichungin L.W. Spitz, ed., Humanismus und Reformation als kulturelle Kräfte in der Deutschen Geschichte
Ort der VeröffentlichungBerlin, New York
Jahr der Veröffentlichung1981
Seiten43-76
Exhib. Cat. Cambridge, Mass. 1936 36 083
Autor/inCharles L. Kuhn
Herausgeber/inGermanic Museum, Cambridge, Mass.
TitelCatalogue of the Germanic Museum exhibition of German paintings of the fifteenth and sixteenth centuries. Lent from American collections
Ort der VeröffentlichungCambridge Mass.
Jahr der Veröffentlichung1936
Kuhn 1936 36 083
Autor/inCharles L. Kuhn
TitelA Catalogue of German Paintings of the Middle Ages and Renaissance in American Collections
Ort der VeröffentlichungCambridge Mass.
Jahr der Veröffentlichung1936

Forschungsgeschichte / Diskussion

Das Gemälde und sein Gegenstück ("Christ und die Ehebrecherin" MMA 1982.60.35) wurden von Bauman 1984 mit zwei Werken im Katalog des 19. Jh. des Herzöglichen Museums Gotha verwechselt (1858, Nrn. 102-3; 1890, Nrn. 364–65). Diese beiden Tafeln sind im Schlossmuseum Gotha (Inv.-Nr. SG6, SG11) erhalten und als Kopien der MMA-Gemälde angesehen.

Friedländer und Rosenberg 1979 führen 14 Versionen des Themas bei Cranach und seiner Werkstatt auf (Nrn. 129, 129A-B, 216, 216A-B, 364, 364A-G, 365), nennen aber nicht die Versionen aus New York und Gotha. Dieter Koepplin fügt eine 15. Version hinzu (Basel 1976, Bd. 2, S. 518, Nr. 367.

[http://www.metmuseum.org/works_of_art/collection_database/european_paintings/christ_blessing_the_children_lucas_cranach_the_elder/objectview.aspx?page=1&sort=6&sortdir=asc&keyword=cranach&fp=1&dd1=11&dd2=0&vw=1&collID=11&oID=110000469&vT=1&hi=0&ov=0] (accessed: 09.05.2011)

Das erste der beiden kleinen Gemälde zeigt die neutestamentarische Erzählung von Christus und der Ehebrecherin. Auch wenn dieses Bildmotiv wiederholt in der Cranach-Werkstatt gemalt wurde, so ist eine Zusammengehörigkeit als Bildpaar beispiellos.

Die Geschichte von Christus und der Ehebrecherin wird im Johannes-Evangelium (8,2-11) erzählt. Eine Gruppe von Schriftgelehrten und Pharisäern brachte eine Frau zu Christus, die des Ehebruchs beschuldigt wurde. Dies führte nach dem mosaischen Gesetz zum Tode. Sie fragen ihn nach seinem Urteil, in der Hoffnung, dass Christus dem Gesetz folge und damit sich selbst widerlegen würde. Seine Antwort "Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein" (Joh. 8,7) enthüllt die Selbstgefälligkeit der Ankläger.

Das Gemälde setzt die als Kniestücke gegebenen Figuren vor einen schwarzen Hintergrund. Die Männer in Rüstung sind eine Ausweitung der biblischen Erzählung, die dazu dient, die gewaltsamen Absichten der Ankläger mit Christi Botschaft der Vergebung zu kontrastieren und der Szene mehr Abwechslung zu verleihen. Es finden sich zwei Figuren mit den typischen Gesichtstypen des Apostels Petrus (glatzköpfig, mit kurzem, grauen Bart) und Paulus (mit langem, braunen Bart), die nicht zu der Erzählung gehören. Diese beiden Jünger treten auch auf dem Gegenstück auf und tragen dazu bei, die beiden Kompositionen zu vereinheitlichen.

Die Erzählung von Christus, der die Kinder segnet, stammen aus den Evangelien des Matthäus (19,13-15), des Markus (10,13-16) und des Lukas (18,15-17). Als Kinder zur Segnung zu Christus gebracht wurden, äußern seine Jünger Bedenken. Ihren Einwänden entgegnet Christus: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn ihnen gehört das Himmelreich" (Mk 10,14, vergleichbar bei Mt 19,14 und Lk18,16).

Das Gemälde bedient sich des gleichen Kompositionsschemas wie das Gegenstück. Das Motiv der Christusfigur, die ein Kind hinauf hebt um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken und einem anderen die Hand auflegt, stammt aus Mk 10,16.[1] Vier ältere Kinder am unteren Bildrand zeigen verschiedene Zustände der Aufregung: ein Junge mit einem Holzpferd dreht sich weg, wird jedoch von seiner Mutter gezogen; ein Mädchen mit Zöpfen und einer Puppe in Händen wartet geduldig vor Christus; ein etwas älteres Mädchen und ein Junge in höfischer Kleidung stehen auf der anderen Seite, sie hebt ihn Erwartung ihre Arme, während er versucht, sie am Vorwärtskommen zu hindern. Die Aposteln Petrus und Paulus zeigen ihre Verwunderung mit Handgesten.

Von den beiden Bildthemen tritt "Christus und die Ehebrecherin" früher im Repertoire der Cranach-Werkstatt auf. Lucas Cranach des Älteren erste gemalte Fassung des Themas ist eine Tafel um 1520 in der Fränkischen Galerie in Kronach[2] und etablierte einen Kompositionsstandard - horizontales Format, friesartige Figurenanordnung und schwarzer Hintergrund - der für unzählige Fassungen verbindlich bleiben sollte, auch für die vorliegende Tafel. Das horizontale Format und die halbfigurige Darstellung der Kronacher Tafel scheint auf venezianische Vorbilder zurück zu gehen, wie die Tafel Christus und die Ehebrecherin von Marco Marziale von ca. 1505 (Bonnefantenmuseum, Maastricht).[3] Während Dieter Koepplin vermutete, dass Cranach möglicherweise dieses Schema durch eine aus Oberitalien importierten Tafel kennengelernt haben könnte, sieht Sabine Engel in einer Zeichnung nach einem venezianischen Vorbild das Vermittlungsmedium, das von Jacopo de‘ Barbari nach Wittenberg gebracht wurde.[4] Cranachs ikonografische Innovation besteht, auch im Hinblick auf frühere deutsche Beispiele, im Griff Christi nach dem Arm der Ehebrecherin. Dieser Griff betont die schützende Vergebung Christ.[5]

Vor dem 16. Jahrhundert scheint die Darstellung vom kindersegnenden Christus auf Handschriftenillustrationen beschränkt zu sein. Cranach kommt das Verdienst zu, dies in die Tafelmalerei übertragen zu haben.[6] Er behandelt das Thema erstmals in der Mitte der 1530er Jahre, die frühsten Beispiele aus dem Jahr 1538 befinden sich heute in der Hamburger Kunsthalle und der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden.[7] Es handelte sich um ein besonders beliebtes Thema innerhalb der Werkstatt und hat sich in ca. 25 Versionen erhalten, wovon Kurfürst Johann Friedrich I., genannt der Großmütige (reg. 1532-1547), mindestens drei in Auftrag gab.[8]

Offenbar sind die Tafeln des Metropolitan Museums die einzigen Beispiele, die als Pendants gestaltet wurden. Auch wenn sie erst in den 1930er Jahren zusammengeführt wurden, so wurde legen die gleichen Maße, die vergleichbaren malerische Ausführung und Ähnlichkeiten zwischen Christus, Petrus und Paulus dringend die Vermutung nahe, dass sie als Paar entstanden sind. Ein weiterer Hinweis für eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit bietet die Inschrift auf der Tafel des segnenden Christus. Wie Christian Andersson festhielt, zeigen die meisten Darstellungen nicht die Worte Christi, sondern den beschreibenden Bibelvers (Mk 10,13): Und sie brachten die Kinder zu ihm, das er sie berühren möge.[9] Die Wahl des weniger üblichen "sprechenden" Verses schafft eine Kontinuität mit der Inschrift der anderen Tafel, wo Christus ebenfalls direkt spricht. Die Existenz einer Kopie des 16. Jahrhunderts im Schlossmuseum, Schloss Friedenstein, Gotha, liefert einen weiteren Beweis, dass die Anlage als Gegenstücke den originalen Zustand wiedergibt.[10] Eine Zusammenstellung als klappbares Diptychon wäre für das horizontal gelagerte Format ungewöhnlich. Möglicherweise wurden die beiden Tafel - entsprechend der Besitzerwünsche - einfach nebeneinander gezeigt. Das kleine Format zeigt, dass die Tafeln zur privaten Ansicht gedacht waren und die höfischen Gewänder der beiden Kinder am zentralen unteren Rand der Kindersegnung legen eine fürstliche Auftraggeberschaft nahe.

Die Zusammenstellung der Themen betont den Gedanken der freien Gewährung der göttlichen Gnade.[11] Die beiden Geschichten wurden von Martin Luther und seinen Anhängern in diesem Sinne ausgelegt und dienten zudem dazu, das Evangelium als Ausgangspunkt für den Bruch mit dem mosaischen Gesetz zu deuten. Im Hinblick auf "Christus und die Ehebrecherin" sagt Luthers Predigt zu Johannes Kapitel 8 aus dem Jahr 1531 deutlich, dass die Geschichte dazu diene, eine Unterscheidung zwischen Gesetz und Gnade, zwischen dem Reich Christi und dem irdischen Reich zu treffen. In Christi Reich sei keine Strafe, sondern nur Gnade und Vergebung der Sünden, während im irdischen Reich und dem des mosaischen Gesetzes keine Vergebung der Sünde gegeben ist, und nur Bestrafung existiert.[12]

Luther predigt an der gleichen Stelle von der Gnade Gottes, die sich im Evangelium offenbart und die die Ehebrecherin erfährt.[13] Gleichsam schreibt Johannes Bugenhagen, ein enger Vertrauter Luthers, in seiner Exegese des Psalms 29 im Jahr 1542, dass die Erzählung des kindersegnenden Christus Gottes Gnadenversprechen zeigt und dass das Himmelreich den Kindern gehöre.[14]

Auch wenn diese Kommentare aus der Verteidigung der Kindstaufe heraus entstanden sind, so zeigen sie doch, dass Luther die Episode allgemeiner verstand. Ebenso wie bei "Christus und die Ehebrecherin", sah er hier ein Beispiel von Gottes Gnadengeschenk an die Menschheit gegeben. Eine dezidiertere Interpretation der Kindersegnung als Propagandabild gegen die wiedertäuferische Ablehnung der Kindstaufe - erstmals von Christine Kibish vorgeschlagen - erscheint für die vorliegenden Tafeln nicht passend.[15] Das kleine Format und die Zusammenstellung mit Christus und die Ehebrecherin widersprechen einer Nutzung als religiöse Propaganda.

Wenn zusammen gezeigt, so waren die beiden Pendants vielmehr dazu gedacht, den frommen Betrachter die göttliche Gnade näher zu bringen.

Im Katalog der Linsky Collection datiert Guy Baumann das vorliegende Bildpaar in die Mitte der 1540er Jahre und beobachtet stilistische Ähnlichkeiten mit Werken, die Lucas Cranach dem Jüngeren zugeschrieben wurden, besonders zur Tafel der Johannespredigt von 1549 im Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig.[16] Abgesehen von dem abweichenden Format (die letztgenannte Tafel ist ungefähr acht Mal so groß wie die beiden New Yorker Beispiele), teilen sich alle Tafeln einen ähnlichen Figurentypus und eine übermäßige Nutzung von Rot bei Wangen und Nasen, die die Figuren puppenhaft wirken lässt. Vergleichbare Befunde lassen sich in anderen großformatigen Kompositionen der mittleren und späten 1540er Jahre finden, die Cranach dem Jüngeren zugeschrieben werden. So etwa bei "Elias und die Baalpriester" von 1545 in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden und der "Bekehrung des Saulus" von 1549 im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.[17] Bei beiden sind die rosigen Töne in den Gesichtern deutlich und bei der Nürnberger Tafel sind zudem die Höhungen an den dargestellten Rüstung nahe an jenen von "Christus und die Ehebrecherin" angesiedelt.

Die vorliegenden Tafeln ähneln zudem einigen anderen kleinformatigen Beispielen aus den mittleren bis späten 1540er Jahren.[18] Dazu gehören zwei Gemälde von 1547 (Hl. Paulus, Privatbesitz)[19] und 1549 (Sündenfall)[20], und einige undatierte Werke mit vergleichbarer Erscheinung[21], eines davon die Quellnymphendarstellung aus dem Metropolitan Museum. Neben den rosigen Hauttönen und der puppenhaften Erscheinung, teilen sich diese New Yorker Tafeln malerische Eigenheiten in der Ausführung wie Augen mit einer großen Iris, prominente schwarze Linien, die die Schattierungen unterhalb des oberen Augenlids modellieren sowie braune Konturlinien der Hände und Finger. Dieter Koepplin sprach hier von einer miniaturhaften vom Vater unabhängigen Stil, den Cranach der Jüngere in den späten 1540er Jahren entwickelt.[22]

Die Sündenfall-Darstellung ist auch insofern für die Frage nach der Autorenschaft relevant, da ihr eine Zeichnung (aus derselben Sammlung) zugrunde liegt, die eine alte lateinische Inschrift trägt. Dies weist ausdrücklich Cranach den Jüngeren als Urheber aus.[23] Wenn auch nicht hinreichender Beweis für die Autorenschaft des jüngeren Cranach[24], spiegelt die Inschrift doch eine alte Tradition wider, die möglicherweise bis in das 16. Jahrhundert zurückreicht und ihn mit der Komposition in Verbindung bringt. Hieraus kann auch ein Hinweis auf eine Zuschreibung anderer Kompositionen ähnlichen Stils an den jüngeren Cranach abgeleitet werden. Das Auftreten von eigenständigen Stilmerkmalen bei groß- und kleinformatigen Gemälden ab der Mitte der 1540er Jahre deutet auf eine wachsende Autonomie Cranachs des Jüngeren innerhalb der Werkstatt hin und lässt vermuten, dass bestimmte Werkstattmitarbeiter mehr von ihm als von seinem Vater angeleitet wurden.[25]

Auch wenn die beiden Pendants in Behandlung und Ausführung nahezu identisch sind, so lassen kleine Unterschiede in der Qualität vermuten, dass Christus und die Ehebrecherin sorgfältiger ausgeführt wurde. Generell sind die Figuren bei der Kindersegnung flacher ausgestaltet, etwa ablesbar beim Kopf des Petrus auf beiden Tafeln. Die Röntgenaufnahme zeigt die gleiche Abweichung: die Wangen, Stirn und Brauen des Petrus bei "Christus und die Ehebrecherin" sind mit Bleiweiß aufgebaut, was beim Gegenstück weniger eindeutig zu bestimmen ist. Diese Unterschiede legen - obwohl beide Tafeln von Lucas Cranach dem Jüngeren stammen - die Beteiligung einer anderen Hand bei der Fertigstellung der Kindersegnung nahe.

[1] Matthäus und Lukas erwähnen ein Berühren der Kinder durch Christus, jedoch kein Halten der Kinder.

[2] Als Leihgabe der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München (Friedländer und J. Rosenberg 1978, S. 95, Nr. 129, Abb.; Michael Henker in Kronach und Leipzig 1994, S. 333, Nr. 155, Abb.; Sabine Engel in Brüssel und Paris 2010-11, S. 228-29, Nr. 145, Abb.).

Der Hintergrund der Kronacher Tafel zeigt eine Architektur, die während des 17. Jahrhundert hinzugefügt wurde. Für andere Beispiele dieses Themas vgl. Friedländer und J. Rosenberg 1978, S. 111, 141-42, Nrn. 216, 364, 364A-G, 365, Abb. (Nrn. 216, 364, 365).

[3] Ringbom 1984, S. 190-91, Abb. 158; Engel in Brüssel und Paris 2010-11, S. 228, Nr. 144, Abb.

[4] Koepplin in Basel 1974, Bd. 2, S. 516, unter Nr. 364; Engel in Brüssel und Paris 2010-11, S. 228, unter Nr. 145. Abweichend vermutete Helga Hoffmann mit Verweis auf halbfigurige Darstellungen auf spätgotischen Predellen, dass Cranach selbständig zu dieser Darstellung gekommen sei (H. Hoffmann 1990, S. 83).

[5] Vgl. z.B. die Darstellung auf Michael Pachers Wolfgangs-Altar (1471-81; Kahsnitz 2005, Tafel 37) und frühe Holzschnitte und Kupferstiche, erwähnt bei Koepplin (in Basel 1974, Bd. 2, S. 516, unter Nr. 365), wo Christus und die Ehebrecherin einander gegenüber stehen.

[6] Vgl. Koepplin in Basel 1974, S. 517, unter Nr. 366. Kibish 1955, S. 196-97 führt Beispiele in Manuskripten vom 11. bis zum 14. Jahrhundert an.

[7] Friedländer und J. Rosenberg 1978, S. 141, Nr. 362 (Hamburg), Abb., Nr. 362A (Dresden); beziehungsweise Sitt 2007, S. 98-99, Abb.; Karin Kolb in Chemnitz 2005-6, S. 302-11, Nr. 17, Abb. Dem scheint ein undatiertes Gemälde aus dem Städel Museum, Frankfurt, vorausgegangen sein (ca. 1535-40; Friedländer und J. Rosenberg 1978, S. 112, Nr. 217A; Bodo Brinkmann in Brinkmann und Kemperdick 2005, S. 226-34, Abb.).

[8] Zur aktuellen Zählung vgl. Kolb in Chemnitz 2005-6, S. 308. Zu Johann Friedrichs Auftrag, belegt für 1539, 1543 und 1550, vgl. Friedländer und J. Rosenberg 1978, S. 112, unter Nr. 217.

[9] Andersson 1981, S. 53.

[10] Werner Schade in Gotha 1994, S. 53-54, Nrn. 1.22, 1.23, Abb. Die Provenienz des Gothaer Paares reicht zurück bis 1721. Guy Bauman (in Metropolitan Museum 1984a, S. 103-4) kannte die Gothaer Tafeln nur von einer alten Inschrift und setzte sie fälschlicherweise mit den New Yorkern Tafeln gleich.

[11] Die allgemeine Lesart ist nicht unerwähnt geblieben: Werner Schade (1974, S. 74) charakterisiert beide Themen als "Beispiele evangelischer Gnadenwahl".

[12] Zitiert in Christensen 1979, S. 132.

[13] Zitiert in ebd., S. 133. Vgl. auch Preuss 1926, S. 181-82; Andersson 1981, S. 51-53.

[14] Johannes Bugenhagen, Der XXIX. Psalm ausgelegt (Wittenberg, 1542), fol. E1r: "Hie haben wir ein gnaden vrteil, sicher vnd gewiss, Lasset die Kindlein zu mir komen etc. ... Das heisset nicht Gottes heimliches gericht vnd finster wahn, sondern Gottes gnedige zusage, das vnser Kinder das Himelreich eigen ist, so Christo werden zugebracht."

[15] Vgl. Kibish 1955, S. 199-200. Die Forschung tendiert seit Kibish dazu breiter angelegte Erklärungsmodelle zu finden, etwa der Betonung des Werts kindlichen Glaubens an Gott. Vgl. dazu Koepplin in Basel 1974, Bd. 2, S. 518, unter Nr. 366; Christensen 1979, S. 136; Andersson 1981, S. 55; Gottfried Seebass in Nürnberg 1983a, S. 270, unter Nr. 349; Peter-Klaus Schuster in Hamburg 1983-84, S. 241, unter Nr. 114; B.-J. Noble 1998, S. 243-44; Brinkmann in Brinkmann und Kemperdick 2005, S. 230-32; Kolb in Chemnitz 2005-6, S. 310-11 - allen ging die grundlegende Untersuchung von Preuss 1926, S. 181-82 voraus.

[16] Bauman in Metropolitan Museum 1984a, S. 104. Charles L. Kuhn (1936, S. 36, Nrn. 82, 83) schrieb sie Lucas Cranach dem Älteren zu und schlug eine Datierung um 1520 vor. Vgl. zum Braunschweiger Gemälde Schade 1974, Tafel 212.

[17] Kolb in Chemnitz 2005-6, S. 236-45, Nr. 7, Abb. (Dresden); Friedländer und J. Rosenberg 1978, S. 156-57, Nr. 433, Abb.; Löcher 1997, S. 164-66, Abb. (Nürnberg).

[18] Die Tafelmaße decken sich mit den Standardformate A (18.5-22.5 x 14-16 cm) nach Heydenreich 2007b, S. 43.

[19] Christie’s, New York, Auktionskatalog, 30. Januar 2013, Nr. 112, Abb.

[20] Friedländer und J. Rosenberg 1978, S. 156, Nr. 432, Abb.; vgl. auch Scharf 1929; Koepplin in Basel 1974, Bd. 2, S. 510, unter Nr. 355.

[21] Die Anbetung der Hirten (Privatsammlung; vgl. Christie’s, Monaco, Auktionskatalog, 22. Juni 1991, Nr. 114, Abb.; Galerie Fischer, Luzern, Auktionskatalog, 2. Dezember 1993, Nr. 2155, Abb.); Taufe Christi (Cleveland Museum of Art; vgl. Jean Kubota Cassill in Cleveland Museum of Art 1982, S. 165, Nr. 67, Abb. 67); Johannes der Täufer und die apokalyptische Jungfrau (Museo Poldi Pezzoli, Mailand; vgl. Koepplin in Basel 1974, Bd. 2, S. 510, unter Nr. 355; Schade in Hamburg 2003, S. 178, Nr. 60a-b, Abb.) sowie Gesetz und Gnade (Lutherhaus, Wittenberg; vgl. Koepplin in Basel 1974, Bd. 2, S. 510, Nr. 355, Abb. 275; Strehle 2001, S. 94, Abb.; Martin Treu in Joestel 2008, S. 134, Abb. S. 135), letztere Tafel ist mit 19 x 25,5 cm etwas größer als der Rest.

[22] Koepplin in Basel 1974, Bd. 2, S. 510, unter Nr. 355.

[23] Stift, schwarze und braune Tinte, schwarze Lavuren auf Büttenpapier; Darstellung: 22,9 x 17,1 cm; Museum of Fine Arts, Houston, The Edith A. and Percy S. Straus Collection, Nr. 44.547. Die Inschrift lautet: "Pinxit haec Lucas, Lucae Cranachii filius, Ducum Saxoniae quodam [quidam?] picttor" (Lucas, Sohn des Lucas Cranach, ein Maler des Herzogs von Sachsen, malte dies).

[24] Scharf 1929, S. 698, sowie Friedländer und J. Rosenberg 1978, S. 156, Nr. 432 sehen die Inschrift als hinreichenden Beweis an.

[25] Dies trotz der Zögerung, die der jüngere Cranach 1550 zum Ausdruck brachte, Aufträge in Abwesenheit seines Vaters anzunehmen. Vgl. Erichsen 1997, S. 49-50; Heydenreich 2007b, S. 294-95.

[Cat. New York 2013, 98, 100-102, 294, 295, No. 22B]

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Kunsttechnologische Untersuchung

08.04.2013Naturwissenschaftliche Materialanalyse

  • Holzartenbestimmung / Dendrochronologie

Bildträger

Holzartenbestimmung: Buchenholz (Fagus sp.)

Identifizierung der Holzart als Buche, tangential geschnitten, mit einer unzureichenende Anzahl an Jahresringen zur Alterbestimmung.

[Klein 2006, Brief 03.04.2006]

[US_MMANY_1982-60-36_ FR-none_2008-00-28_ExaminationandConditionReport.pdf]

  • analysiert von Peter Klein

03. 2006Technologische Untersuchung / Naturwissenschaftliche Materialanalyse

  • Infrarot-Reflektografie
  • irr
  • irr
  • irr
  • irr

Unterzeichnung

BESCHREIBUNG

- Eine Unterzeichnung ist nicht eindeutig erkennbar; eventuell Lavierungen mit einen verdünnten flüssigen Medium, Pinsellinien (?)

[Sandner, Smith-Contini, Heydenreich, cda 2017]

  • fotografiert von The Metropolitan Museum of Art, New York

12.05.2004Technologische Untersuchung / Naturwissenschaftliche Materialanalyse

  • Röntgengrobstrukturanalyse
  • fotografiert von Juan Trujillo

Zitieren aus dem Cranach Digital Archive

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<Autorenname>, 'Christus segnet die Kinder', <Titel des Dokuments, Feldeintrags oder der Abbildung>, [<Datum des Dokuments oder der Abbildung>], in: Cranach Digital Archive, https://lucascranach.org/de/US_MMANY_1982-60-36/ (zuletzt aufgerufen am {{dateAccessed}})
Eintrag ohne Autor
'Christus segnet die Kinder', <Titel des Dokuments, Feldeintrags oder der Abbildung>, [<Datum des Dokuments oder der Abbildung>], in: Cranach Digital Archive, https://lucascranach.org/de/US_MMANY_1982-60-36/ (zuletzt aufgerufen am {{dateAccessed}})

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