Martin Luther als Brustbildnis nach rechts

Martin Luther als Brustbildnis nach rechts

Titel

Martin Luther als Brustbildnis nach rechts

[KKL 2022]

Malerei auf Leinwand (Tüchlein)

Obwohl für den Zeitraum von 1505 bis 1553 mehr als 200 auf Leinwand ausgeführte Gemälde Cranachs d. Ä. und seiner Werkstatt archivalisch belegt sind, haben sich kaum solche Werke erhalten.[1] Dem vorliegenden Bildnis kommt daher nicht nur innerhalb des Korpus‘ der Luther-Bildnisse eine besondere Bedeutung zu.

Es zeigt Luther mit

Obwohl für den Zeitraum von 1505 bis 1553 mehr als 200 auf Leinwand ausgeführte Gemälde Cranachs d. Ä. und seiner Werkstatt archivalisch belegt sind, haben sich kaum solche Werke erhalten.[1] Dem vorliegenden Bildnis kommt daher nicht nur innerhalb des Korpus‘ der Luther-Bildnisse eine besondere Bedeutung zu.

Es zeigt Luther mit Schaube und Barett, den Blick nach rechts gerichtet, vor einem leuchtend blauen Hintergrund. Das an Wangen und Nase deutlich rot ausgemischte Inkarnat ist durch Weißhöhungen akzentuiert und verleiht der Darstellung zusammen mit den in hellem Rot gehaltenen Lippen eine starke Präsenz. Die akzentuierten Stirn-, Augen- und Glabellafalten und der in kurzen vertikalen Pinselstrichen angelegte Bartschatten, der im Vergleich zu Darstellungen auf den Tafelgemälden hier auffallend deutlich betont ist, unterstreichen diese Wirkung.[2] In das über die Ohren reichende lockige braune Haar haben sich bereits einzelne graue Haare gemischt.

Das Bildnis wurde auf eine feine und dicht gewebte[3], ungrundierte Leinwand[4] gemalt, sodass es als „Tüchlein“ bezeichnet werden kann. Im Infrarotreflektogramm zeigt sich eine zarte, grau-schwarze Unterzeichnung mit dünnem Strich, die sowohl die Außen- als auch wesentliche Binnenkonturen angibt. Eindeutige technologische Hinweise auf eine Übertragung mittels einer Pause sind nicht auszumachen, ihre Verwendung ist aufgrund der hohen Übereinstimmung in Größe und Verlauf der Gesichtskonturen mit den weiteren Exemplaren dieser Bildnisserie jedoch anzunehmen.[5] Der Hintergrund wurde in dunkelblauer Farbigkeit ausgeführt und erscheint heute weniger grünlich als bei den Tafelgemälden.[6] Die dunkelbraun akzentuierten Binnenkonturen wirken stärker betont.

Das Tüchlein ist auf einen Papierbogen geklebt, der heute den Vorsatzspiegel der 1535 bei Hans Lufft erschienen Bibelausgabe in der Übersetzung Luthers (VD16 B 2699) bildet. Dem Bildnis gegenübergestellt ist auf dem fliegenden Blatt des Bandes eine handschriftliche Widmung[7] Martin Luthers an den brandenburgisch-ansbachischen Kanzler Georg Vogler.[8] Dieser hatte Luther als Gesandter auf dem Reichstag in Worms 1521 kennengelernt und förderte ab 1528 die Einführung der Reformation im markgräflichen Franken, wurde jedoch 1533 abgesetzt und zog nach Windsheim, wo er bis 1545 in zweiter Ehe lebte. Vogler reiste 1536 durch Wittenberg, worin der Anlass für die Widmung zu sehen sein dürfte. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Rothenburg ob der Tauber und vermachte seine umfassende Bibliothek der Stadt. Er verfügte testamentarisch, dass seine aus Windsheim stammende zweite Frau eine seiner Bibelausgaben auswählen durfte, sodass anzunehmen ist, dass die Bibel über die Familie der Ehefrau an ihren gegenwärtigen Standort kam,[9] wo sie (samt Bildnis) im 1728 erstellten Inventar erstmals schriftlich erwähnt wird.[10]

Unklar ist, wann Buch, Bildnis und Widmung zusammengeführt wurden. Schnittkanten im nach innen umgeschlagenen Leder des Einbandes sowie Alterungsspuren und Schäden an Gemälde und Papier sprechen dafür, dass der Papierbogen mit dem Bildnis zunächst separat genutzt[11] und erst nachträglich eingesetzt wurde.[12] Aufgrund von Eingriffen im Buchfalz während mindestens zweier Restaurierungen ist auch nicht nachvollziehbar, ob die Papiere, die Bildnis und Widmung tragen, identisch sind.[13] Das Erscheinungsdatum der Bibel 1535 und das angenommene Entstehungsjahr der Widmung im Jahr 1536 liefern somit keine direkten Hinweise für die Datierung des vorliegenden Bildnisses. Der vorliegende Bildausschnitt ist in verschiedenen Vertretern dieser Gruppe im Medium der Malerei und Druckgraphik zwischen 1530 und 1532 belegt, was auch den Rahmen für die Datierung dieses Werkes setzt. Die souveräne Modellierung der Gesichtszüge sowie der äußerst geschickte Einsatz von Weißhöhungen, die sich vergleichbar in der Bildnisstudie aus schottischem Privatbesitz (V.Z1) ablesen lassen, legen eine Beteiligung von Cranach d. Ä. nahe.

Daniel Görres, Wibke Ottweiler


[1] Vgl. Heydenreich 2007b, S. 231–233.

[2] Gleiches trifft auf die Zeichnung in Thornhill (V.Z1) zu.

[3] Gewebe in einfacher Leinwandbindung, Dichte ca. 25–30 Fäden/cm2.[e]

[4] Die bemerkenswerte Helligkeit der Leinwand belegt einerseits eindrücklich, dass das Bildnis die überwiegende Zeit geschützt unter Lichtabschluss (im Buchverbund?) aufbewahrt worden sein muss und lässt andererseits annehmen, dass es sich um eine gebleichte Leinwand handelt, die sich für ungrundierte Tüchleinmalerei besonders gut eignete. Für das Jahr 1536 ist belegt, dass Cranach Leinwand aus Ulm und St. Gallen bezog (vgl. dazu Heydenreich 2007b, S. 430 f. und 432), was für seine hochwertigen gebleichten Leinwände bekannt war. Vgl. dazu auch Heydenreich 2017), S. 262 sowie Heydenreich 2008.

[5] Die hohe Übereinstimmung der Gesichtskonturen mit den Tafelgemälden in New York (V.M2) und Kopenhagen ([DK_SMK_KMSsp720]) spricht dafür, dass eine gemeinsame Pausvorlage verwendet worden sein könnte. Die geringfügig in ihrer Höhe zueinander verschobenen Augen der Bad Windsheimer Version könnten durch leichtes Verrutschen der Pause während der Übertragung entstanden sein (vgl. dazu die Überblendungen der Umzeichnung mit den Gemälden.

[6] Dem mikroskopischen Erscheinungsbild nach handelt es sich bei dem Blaupigment um Azurit. Der davon abweichende grünlichere Farbeindruck der Hintergründe auf den Tafelgemälden könnte sowohl auf eine altersbedingte Gilbung von öligem Bindemittel und Firnis als auch auf den feineren Mahlgrad des Blaupigmentes zurückzuführen sein, was zu einer Farbverschiebung ins Grünliche führen kann.

[7] „Joh xix || Mein Reich ißt nicht von dannen || das ißt, Mein reich ist nicht ein || weltlich Reich Warumb? || Darumb, Das ym Weltlichen Reich, das || mehrer teyl sich halten nach des teuffels || reich. Wie ps. 2. Stehet. Warumb toben || die heiden vnd die volcker richten unnützes || Die Könige e[tc.] Aber mein reich || haltet sich ganz nach Gott, wieder den || teuffel || Joh xi || Ich bin das leben vnd auferstehung || Wer an mich gleubet, der sol leben || wenn er gleich stirbet || D Georgio Vogler Amicissimo f [?] || Martinus Luther d“.

[8] Zu Georg Vogler vgl. Huber 2008.

[9] Vgl. Schlosser 1983 [ohne Paginierung].

[10] Das Inventar von 1728 vermerkt unter Nr. 17 „[…] Bibel Lutheri Wittenberg 1535 […] inclusive NB [?] Vornen ist Lutheri Contrefait mit seiner eigenen Handschriftt D. Voglern zu Ehren geschrieben.“

[11] Dabei legt der vergleichsweise gute Erhaltungszustand der empfindlichen Malerei nahe, dass das Bildnis relativ früh geschützt aufbewahrt wurde.

[12] Mehrere in der Leinwand befindliche Knicke und Stauchfalten, auf deren Rücken die Farbe berieben ist, deuten darauf hin, dass die Leinwand nicht immer in der Bibel eingeklebt oder auf einem starren Träger fixiert war. Dies legen auch Insektenlöcher im Trägerpapier nahe, die keine Entsprechung im Buchdeckel der Bibel und dem Papier der Widmungsseite haben.

[13] Vgl. das Zustands- und Restaurierungsprotokoll Nr. 1 von Georg Reinwald, Germanisches Nationalmuseum, 22.12.1982.

Quellen / Publikationen:

Anonym 1868; Enders 1903, S. 282–283, Nr. 2348; Bergdolt 1921, S. 122; Schlosser 1982, S. 146–147; Schlosser 1983; Oberman 1984, S. 31–32; Ausst.-Kat. Berlin 2006, S. 60–61, Nr. I.42; Foresta 2007, S. 134.

Zuschreibung
Lucas Cranach der Ältere und Werkstatt

Zuschreibung

Lucas Cranach der Ältere und Werkstatt

[KKL 2022]

Datierung
um 1530 - 1532

Datierung

um 1530 - 1532

[KKL 2022]

Maße
Maße Bildträger: 28,65 cm x 18,9 cm

Maße

  • Maße Bildträger: 28,65 cm x 18,9 cm

  • Maße Bildfläche: 28,65 cm x 18,9 cm

  • [KKL 2022]

Signatur / Datierung

Keine

Eigentümer
Stadtarchiv und historische Stadtbibliothek Bad Windsheim
Besitzer
Stadtarchiv und historische Stadtbibliothek Bad Windsheim
Standort
Bad Windsheim
CDA ID
DE_HSBBW_Ia20
FR (1978) Nr.
FR-none
KKL-Nr.
V.M1, Teil der Bildnisgruppe V
Permalink
https://lucascranach.org/de/DE_HSBBW_Ia20/

Provenienz

  • Die Bibel, in die das Werk eingeklebt ist, entstammt dem Besitz des brandenburgisch-ansbachischen Kanzlers Georg Vogler (1486/87 - 1550)
  • wahrscheinlich über dessen Ehefrau an Bibliothek
  • In den Inventaren der Bibliothek erstmals 1728 nachweisbar
    [KKL 2022]

Quellen / Publikationen

Erwähnt auf Seite Katalognummer Tafel
Schlosser 1983
Herausgeber/inMichael Schlosser
TitelDie Luther-Bibel von 1535 in der Stadtbibliothek Bad Windsheim. Faksimile des Porträts Martin Luthers und der Widmung an Georg Vogler
Ort der VeröffentlichungBad Windsheim
Jahr der Veröffentlichung1983
Schottenloher 1929 216
Autor/inKarl Schottenloher
TitelDie Stadtbibliothek in Windsheim
ZeitschriftZentralblatt für Bibliothekswesen
Jahrgang46 (1929)
Jahr der Veröffentlichung1929
Seiten213-218
  • Martin Luther als Brustbildnis nach rechts, um 1530 - 1532

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Kunsttechnologische Untersuchung

Datum2018 - 2021

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Bildträger

Textiles Gewebe, einfache Leinwandbindung, Fadendichte 25 - 30 Fäden / cm2. [1] An der Ober- und Unterkante prägnante Spanngirlanden in 3,5 cm bis 5 cm Länge mit einer Amplitude von bis zu 1,2 cm. [2] Die Leinwand ist rundum gerade und sorgfältig beschnitten und auf einen Bogen Hadernpapier mit Vergéstruktur, größeren Formats aufgeklebt und in den Vorderspiegel einer Wittenberger Bibelausgabe von Hans Lufft, 1535, eingeklebt. [3] Schnittkanten im nach innen umgeschlagenen Leder des Bucheinbandes unmittelbar angrenzend an die Außenkanten des Untersatz-Blattes legen nahe, dass der ursprüngliche Spiegel entfernt wurde, um den Papierbogen mit dem Bildnis einzukleben. Aufgrund der Eingriffe im Buchfalz während mindestens zweier Restaurierungen, bleibt fraglich, ob das Untersatzpapier vom selben Typ ist und womöglich ehemals ein Blatt (bzw. Doppelblatt) bildete mit dem ersten sogenannten „fliegenden“ Blatt, das die Widmung Luthers trägt. [4] Festzuhalten bleibt, dass es sich bei dem Bildnis um das einzige erhaltene auf Leinwand gemalte Exemplar aus der Cranach-Werkstatt handelt, das - dem Darstellungstypus nach - im Untersuchungszeitraum (1519 - 1530) entstanden sein könnte. Mit einer Höhe von etwa 33 cm und einer Breite von etwa 21,2 cm ist der Buchdeckel einige Zentimeter kleiner als die Tafelgemälde dieses Porträttyps mit durchschnittlichen Maßen von ca. 39 x 24,5 cm. Bemerkenswert ist, dass die Größe der Darstellung hingegen nicht entsprechend verkleinert ist, also vermutlich auf derselben Vorlage basiert. [5] Das Leinwandformat wurde anschließend dem kleineren Buchformat angepasst.

[1] Die bemerkenswerte Helligkeit der Leinwand belegt einerseits eindrücklich, dass das Bildnis die überwiegende Zeit geschützt unter Lichtabschluss (im Buchverbund?) aufbewahrt worden sein muss und lässt andererseits annehmen, dass es sich um eine gebleichte Leinwand handelt, die sich für ungrundierte Tüchleinmalerei besonders gut eignete. Für das Jahr 1536 ist belegt, dass Cranach Leinwand aus Ulm und St. Gallen bezog (vgl. dazu Heydenreich 2007b, S. 430 f. und 432), was für seine hochwertigen gebleichten Leinwände bekannt war. Vgl. dazu auch Heydenreich, Gunnar, Die Werkstatt des Malers, in Ausst.-Kat. Düsseldorf (2017), S. S. 262 sowie Heydenreich, Gunnar, The colour of canvas: Historical practices of bleaching artists' linen. In: T. Doherty, G. Heydenreich, J.H. Townsend, J. Ridge (Hrsg.) Preparation for painting: the artist’s choice and its consequences, Contributions to the ICOM-CC Working Group Paintings interim meeting held at the British Museum 31 May-1 June 2007, London, Archetype (2008) 33-45.

[2] Offenbar war die Leinwand während der Bemalung oben und unten sehr dicht am Bildformat aufgespannt, was zu den verhältnismäßig stark ausgeprägten Spanngirlanden führte. Es ist anzunehmen, dass sich die Spanngirlanden allseitig ausgebildet haben, was einen Rückschluss auf die Beschneidung am linken und rechten Rand um mehrere cm erlaubt und eine entsprechende Breite des Gewebestückes voraussetzt.

[3] Gegenüber, auf dem Vorsatz, befindet sich die handschriftliche Widmung Martin Luthers, die heute über einen mitgehefteten sogenannten Einhängefalz eingefügt ist. (Vgl. Abb. Overall-002 sowie die Anmerkungen im Katalogtext.)

[4] Hier könnte eine weitergehende Untersuchung des Spiegels auf dem vorderen Einbanddeckel z.B. mittels Beta Radiographie aufschlussreich sein. Die Beobachtungen lassen die Annahme zu, dass die eigentliche Bibelausgabe bereits fertig gebunden war, als sie um Bild und Widmung ergänzt wurde. Dass Bildnis und Widmung für dieses Exemplar geschaffen wurden ist zwar nicht auszuschließen, jedoch sprechen Beschädigungen dafür, dass es sich um eine sekundäre Verwendung handelt. Sowohl die Knicke in der Leinwand, als auch die Fraßlöcher im Trägerpapier, denen die zu erwartende Entsprechung im hölzernen Buchdeckel fehlt, lassen auf eine Nutzung außerhalb des Buches schließen. Vgl. dazu den Eintrag unter „Erhaltungszustand“.

[5] Vgl. dazu die Bemerkungen zur Unterzeichnung.

Grundierung und Imprimitur

Keine Grundierung oder Imprimitur. Die Malerei erfolgte direkt auf die Leinwand.

Unterzeichnung

Im Infrarotreflektogramm markiert sich eine feine Unterzeichnung mit gleichmäßig dünnem Strich, die sowohl die Außen- als auch wesentliche Binnenkonturen angibt. Eindeutige technologische Hinweise auf eine Übertragung von einer Pause sind nicht auszumachen, die Stereotypie der Zeichnung und die große Übereinstimmung der Gesichtskonturen mit anderen Exemplaren dieses Bildnistyps legen dies aber nahe. [1] Der direkte Vergleich mit einer auf Papier gemalten Bildnisstudie [UK_DCT_DCT001] (KKL V.Z1) lässt vermuten, dass diese als Vorlage gedient haben könnte. [2]

[1] Die hohe Übereinstimmung der Gesichtskonturen mit den Tafelgemälden in New York [US_MMANY_55-220-2] (KKL V.M2) und Kopenhagen [DK_SMK_KMSsp720] spricht dafür, dass eine gemeinsame Pausvorlage verwendet worden sein könnte. Die geringfügig in ihrer Höhe zueinander verschobenen Augen der Bad Windsheimer Version könnten durch leichtes Verrutschen der Pause während der Übertragung entstanden sein.

[2] Vgl. dazu die beiden Bildmontagen "Überblendung der Konturumzeichnung auf die Gesamtanasicht des Thornhiller Bildnisses UK_DCT_PRIVATE-001" und "Überblendung der Konturumzeichnung auf die Gesamtanasicht des Thornhiller Bildnisses UK_DCT_PRIVATE-002". In Abb. -001 erscheinen die (vom Betrachter aus gesehen) rechte Gesichtskontur, rechtes Auge, Nasenkontur und Kinnlinie nahezu deckungsgleich, während die linke Hälfte des Gesichtes größere Abweichungen zeigt. Verdreht man allerdings die beiden Bildnisse etwas gegeneinander (Abb. -002), passen das linkes Auge und der Mund genau übereinander.

Farbschichten und Metallauflagen

Die einzelnen Farbflächen sind mit geringer Überlappung nebeneinander gesetzt und meist in nur ein oder zwei Schichten aufgebaut. Die verwendete Farbe wirkt matt und ist sehr dünn, ohne erkennbaren Pinselduktus aufgetragen. Zuerst erfolgte die flächige Anlage des Inkarnats mit einem hellrosafarbigen Grundton. Plastizität wird durch braun-graue Schattenlasuren erreicht, die sowohl nass in nass in die Inkarnatfarbe vertrieben sind, als auch als Lasur auf die getrocknete Farbe aufgesetzt wurden. Mit diesem Ton sind auch die Außen- und Binnenkonturen sowie der Lippenspalt definiert. Partiell ist der rosafarbige Grundton stärker rot ausgemischt (Augenpartien, Wangen, Nasenspitze und -flügel). Die lang gewachsenen Bartstoppeln sind, zum Teil über flächiger Schattierung, mit einzelnen Pinselstrichen in Grau-Schwarz angegeben. Auch die Augen sind auf dem Grundton des Inkarnats aufgebaut: die Augäpfel mit Weiß, Hellblau in den Augenwinkeln und Hellrot im innersten Zwickel, die Iriden in einem hellen Rotbraun mit dunkelbrauner, der Außenform folgender Konturierung. In der gleichen Farbe ist der obere Lidstrich sehr markant gesetzt. Die Pupillen sind in reinem Schwarz aufgetragen und durch je zwei weiße punktförmige Lichtreflexe belebt. Im linken Auge finden sich zusätzlich noch zwei weitere Lichtreflexe in der Iris. Die wenigen, kaum wahrnehmbaren, Wimpern sind als feine braune Striche an die Lider angesetzt. Der Mund ist über dem bereits dunkel vorgegebenen Lippenspalt zunächst mit einem hellen Rotton angelegt, der die Farbigkeit der Unterlippe bestimmt. Auf der Oberlippe folgt der Auftrag eines kräftigeren Rots, das in das Dunkelrot des Lippenspalts übergeht. Abschließend sind wichtige Konturlinien des Gesichts nochmals mit dünnen, aber kräftigen braunen Linien akzentuiert. Das gleiche dunkle Braun gibt den Grundton des Deckhaars an, auf den einzelne Härchen in noch dunklerem Braun, Hellbraun und Hellgrau aufgemalt wurden, nachdem Barett, Schaube und Hintergrund fertiggestellt waren. Die schwarz deckenden Flächen von Barett und Schaube sind durch Ausmischung mit Weiß plastisch modelliert. Der Hintergrund ist in leuchtendem, deckend aufgetragenem Blau gleichmäßig ausgemalt. [1]

[1] Das mikroskopische Bild des grobkörnigen Pigments lässt auf natürliches Azurit schließen.

[Untersuchungsbericht Wibke Ottweiler, KKL 2022]

Erhaltungszustand

Datum2018 - 2021

Insgesamt guter Erhaltungszustand von Leinwand [1] und Malschicht. Die rechte Kante der Leinwand ist über die gesamte Länge verwölbt und gestaucht, was auf die starke Beanspruchung dieses Bereiches durch wiederholtes Öffnen und Schließen der Bibel zurückzuführen ist. Die gelöste Verleimung wurde wohl bei einer früheren Restaurierung durch das Einfügen eines Streifens Japanpapier im Falz zwischen Spiegel und Vorsatz wiederhergestellt. [2] Ausfluglöcher von Schadinsekten finden sich am oberen Rand des Trägerpapiers, nicht aber im Holzdeckel des Bucheinbandes.

Unter UV-Anregung markieren sich die insbesondere im Inkarnat zahlreichen Malschichtverluste deutlich (Vgl. Abb. DE_HSBBW_Ia20_FR-none_2018_UV-fluorescence-Detail), die teilweise wohl auf ältere Knicke in der Leinwand zurückzuführen sind. Dies ist ein Indiz dafür, dass die Leinwand zumindest für einen gewissen Zeitraum nicht in diese Bibelausgabe eingeklebt und mechanischer Beanspruchung ausgesetzt war.

[1] Die bemerkenswerte Helligkeit der Leinwand belegt einerseits eindrücklich, dass das Bildnis die überwiegende Zeit geschützt unter Lichtabschluss (im Buchverbund?) aufbewahrt worden sein muss und lässt andererseits annehmen, dass es sich um eine gebleichte Leinwand handelt. Vgl. Anm. [1] der Angaben zum Bildträger.

[2 Unveröffentlichtes Zustands- und Restaurierungsprotokoll Nr. 1 von Georg Reinwald, 22.12.1982, Germanisches Nationalmuseum, Institut für Kunsttechnik und Restaurierung.

  • untersucht von Wibke Ottweiler

Restaurierungsgeschichte

Datum1982

1982 im Germanischen Nationalmuseum restauriert, dabei u.a. Schirting und Japanpapierstreifen bei Titelblatt und Autographenseite herausgelöst, Einrisse mit Japanpapier neu gesichert, Blasen bei Lutherabbildung niedergelegt, dünnen Pergamentfalz eingefügt sowie Titelseite und Vorsatzblatt wieder eingebunden. [1]

[1] Siehe dazu unveröffentlichtes Zustands- und Restaurierungsprotokoll Nr. 1 von Georg Reinwald, 22.12.1982, Germanisches Nationalmuseum, Institut für Kunsttechnik und Restaurierung.

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