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Martin Luther im Brustbildnis mit Barett (ab 1530)

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Abb. 1: Werkstatt Lucas Cranach der Ältere, Martin Luther im Brustbild mit Barett, zur Seite blickend, ab 1530, Malerei auf Buchenholz, The Metropolitan Museum of Art, New York, KKL-Nr. V.M2

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Abb. 2: Hans Brosamer (?), Doppelbildnis Martin Luthers und Katharina von Boras, 1530, Holzschnitt mit Typendruck, Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, KKL-Nrn. V.D1a und V.D1b

Bei den Werken der Bildnisgruppe V handelt es sich um die frühesten Vertreter eines eigenen Porträttypus, der erstmals um 1530 und bis weit in die 1540er Jahre in großer Anzahl gefertigt wurde (Abb. 1). Im KKL können aufgrund des gewählten Untersuchungszeitraums bis 1530 nur die ersten und prägenden Exemplare dieser, für die weitere Rezeption Luthers entscheidenden, Werkgruppe verzeichnet werden. Es handelt sich dabei um ein Tafelgemälde (V.M1), ein Tüchleingemälde (V.M2), eine Porträtstudie auf Papier (V.Z1) und zwei druckgraphische Blätter (V.D1a–b).
Im Vergleich zur Bildnisgruppe IV zeigt die um 1530 beginnende Motivbildung Luther zunächst im reinen Brustbild, mit Barett, in einem im Vergleich engeren Bildausschnitt und nicht mehr den Betrachtenden in den Blick nehmend, sondern zur Seite schauend. Luther tritt uns etwas korpulenter entgegen, die lang gewachsenen Bartstoppeln werden betont. Während V.Z1, V.M1 und V.M2 ohne Pendant überliefert sind, wird Luther in der Druckgraphik mit dem bekannten Bildnis der Katharina von Bora bzw. später mit Philipp Melanchthon kombiniert (V.D-Sup01).
Als Orientierungspunkt für das früheste Auftreten dieses Bildnistyps dienten bislang Tafelgemälde aus Kopenhagen und aus Privatbesitz, welche inschriftlich auf das Jahr 1532 datiert sind. Es zeigt sich jedoch, dass der Bildnistyp spätestens bereits im Jahr 1530 entstanden sein muss:
Die druckgraphischen Bildnisse (V.D1a–b), gedruckt vom Nürnberger Formschneider Wolfgang Resch, sind seit 1930 Hans Brosamer zugeschrieben (Abb. 2).[1] Der Holzschnitt Philipp Melanchthons (V.D-Sup01) stellt eine spätere Ergänzung dar, die es erlaubte das Luther-Bildnis alternativ mit dem Philipp Melanchthons zu kombinieren.[2] Die Bildnisse Luthers und von Boras sind durch eine unter dem Bildnis angesetzte Druckeradresse jeweils auf das Jahr 1530 datiert und belegen damit, dass der dargestellte Bildnistyp bereits in diesem Jahr existiert haben muss.[3] Als Inventor dieses Bildnistyps darf – wie bei der Entwicklung der vorherigen Bildnistypen auch – Lucas Cranach d. Ä. und nicht Hans Brosamer angenommen werden. Dies legt Hans Brosamers Aufgreifen des einige Jahre zuvor in der Cranach-Werkstatt entwickelten Typs der Katharina von Bora für V.D1b nahe.[4]


[1] Dies wurde jüngst in Frage gestellt, vgl. New Hollstein German 2015b, S. 175, Nr. 1312.

[2] Wohl ab 1532, dem Jahr, in dem die Cranach-Werkstatt begann Luther das Bildnis Philipp Melanchthons an die Seite zu stellen, bildete sich diese Neuerung auch im druckgraphischen Angebot Hans Brosamers ab, vgl. den Katalogeintrag zu V.D-Sup01.

[3] Vgl. dazu den Katalogeintrag zu V.D1a und V.D1b.

[4] Zudem zeigt das Luther-Bildnis eine hohe Übereinstimmung der Gesichtskonturen in Form und absoluter Größe mit den drei gemalten Versionen aus der Cranach-Werkstatt (V. Z1, V.M1, V.M2).

 

G5-W3.jpgAbb. 3: Lucas Cranach d. Ä., Martin Luther im Brustbild mit Barett, zur Seite blickend, um 1530, Pinsel in Braun und Schwarz sowie Deckfarben auf Vergépapier, The Duke of Buccleuch, Drumlandig Castle, Thornhill, KKL-Nr. V.Z1

G5-W4.jpgAbb. 4: Lucas Cranach d. Ä. und Werkstatt, Martin Luther im Brustbild mit Barett, zur Seite blickend, um 1530-1532, Malerei auf Leinwand (Tüchlein), Stadtarchiv und historische Stadtbibliothek Bad Windsheim, KKL-Nr. V.M1

Mit der Pinselzeichnung auf Papier in Thornhill (V.Z1) (Abb. 3) liegt eine Porträtstudie Lucas Cranachs d. Ä. vor, die an den Anfang dieser Reihe zu stellen ist, da in ihr die vorbereitende Studie für diesen Bildnistyp zu sehen ist.[1] Sie konzentriert sich ganz auf das Gesicht, während Kopfbedeckung und Kleidung nur angedeutet sind. Ihre Datierung ist spätestens 1530 anzusetzen.[2] Diesem Vorbild folgt das auf feiner Leinwand ausgeführte Bildnis der Stadtbibliothek Bad Windsheim (V.M2, Abb. 4), das in seinen Gesichtskonturen und seiner malerischen Ausführung Ähnlichkeiten zeigt.[3] Als eines der wenigen auf Leinwand überlieferten Werke Lucas Cranachs d. Ä. und seiner Werkstatt stellt dieses Porträt innerhalb der Luther-Bildnisse eine Besonderheit dar. Eingeklebt in den Vorderspiegel einer 1535 erschienen Bibelausgabe, ist das Bildnis wahrscheinlich schon einige Jahre zuvor entstanden.[4] In einem ähnlich engen Verhältnis zur Pinselzeichnung aus Thornhill steht das einzige Tafelgemälde der hier behandelten Gruppe aus dem Metropolitan Museum New York (V.M1). Anders als die erwähnte Tafel aus Kopenhagen ist das New Yorker Exemplar nicht datiert.[5]
Mit dem vorliegenden Bildnistyp, der nachweislich in den Jahren 1530 bis 1532 auftritt, scheint eine neue Form des Doppelbildnisses vorbereitet worden zu sein. Der von Katharina von Bora zwischen 1525 bis 1529/1530 eingenommene Platz an Luthers Seite wurde spätestens seit 1532 in der Malerei von Philipp Melanchthon besetzt. Inwiefern sich in dieser Inszenierung Luthers und Philipp Melanchthons als Partner in der Tradition humanistischer Freundschaftsbilder Prozesse der reformatorischen Konsolidierung nach Innen (Visitation 1528, Katechismus 1529 und Bekenntnis 1530) bzw. der reformatorischen Bündnispolitik nach Außen (Schmalkaldischer Bund 1531 und Nürnberger Anstand 1532) spiegeln,[6] lässt sich nur bei genauerer Analyse der bislang kaum erforschten Entstehungsbedingungen und Verwendungszusammenhänge dieser Doppelporträts feststellen.


[1] Die Überblendung mit den Umzeichnungen des Gemäldes aus dem Metropolitan Museum New York (V.M1) sowie des Bad Windsheimer Tüchleins (V.M2) zeigen hohe Übereinstimmungen der wesentlichen Binnenkonturen sowie der Wangenkontur. Auch die Projektion auf das 1532 datierte Kopenhagener Exemplar (DK_SMK_KMSsp720) ergibt eine weitgehende Übereinstimmung der Gesichtskonturen. Allerdings fällt auf, dass in der Porträtstudie der Mund breiter ausgeführt wurde und die Iris im rechten Auges etwas weiter außen platziert ist. Dagegen stimmen Augen- und Mundpartie bei allen Gemälden überein. Es ist also davon auszugehen, dass die Gemälde mit Hilfe einer Pause vorbereitet wurden, die im Vergleich zur Bildnisstudie geringfügig modifiziert wurde. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass in keiner der nachgewiesenen und nur schwach sichtbaren Unterzeichnungen dieser Bildnisgruppe eindeutige Indizien auf die Paustechnik schließen lassen. Die für die Unterzeichnungen der Bildnisgruppe IV charakteristischen durchbrochen wirkenden Linien und Doppelkonturen treten hier nicht auf oder sind im Infrarotreflektogramm nicht darstellbar. Ob dies auf eine Änderung des Verfahrens und/oder des Farbmediums der Übertragung zurückzuführen sein kann, bedürfte vergleichender Untersuchungen an weiteren Bildnissen dieser, den Untersuchungszeitraum überschreitenden, Bildnisserie.

[2] Vgl. den Katalogeintrag zu V.Z1.

[3] Vgl. den Katalogeintrag zu V.M2.

[4] Vgl. ebd.

[5] Auch dendrochronologisch ließ sich die Tafel bislang nicht auswerten,vgl. dazu den Bericht über die dendrochronologische Untersuchung (US-MMANY_55-220-2).

[6] Vgl. Kaufmann 2009, S. 606–608.