Abb. 1: Lucas Cranach d. Ä., Doppelbildnis Martin Luthers und Katharina von Boras, 1525, Malerei auf Buchenholz, Öffentliche Kunstsammlung Basel, KKL-Nrn. III.M1a und III.M1b
Abb. 2: Lucas Cranach d. Ä. und Werkstatt, Doppelbildnis Martin Luthers und Katharina von Boras, 1526, Malerei auf Buchenholz, Nationalmuseum Stockholm, KKL-Nr. III.M8a und III.M8b
Abb. 3: Werkstatt Lucas Cranach d. Ä., Doppelbildnis Martin Luthers und Katharina von Boras, 1526, Malerei auf Holz, Privatsammlung, KKL-Nr. III.M16a und III.M16b
Spätestens seit der Verlobung Martin Luthers und Katharina von Boras am 13. Juni 1525 entstand in der Cranach-Werkstatt eine Vielzahl von Doppelbildnissen,[1] die das Paar in unterschiedlichen Bildformaten zeigen.[2] Luther wird barhäuptig in schwarzer Schaube mit stehendem Kragen vor blauem oder grünem Grund dargestellt. Sein nach rechts gewandter Blick stellt eine Beziehung zu dem als Pendant gestalteten Bildnis Katharina von Boras her. Ihr schwarzes Kleid mit stehendem Kragen harmoniert mit dem Gewand ihres Gegenübers. Ein brokatgesäumtes Netz umfasst das braune Haar. Anders als Luther fixiert ihr Blick die Betrachtenden. Von Bora nimmt die bei Ehebildnissen für die Frau traditionelle rechte (heraldisch linke) Seite ein (Abb. 1, 2 und 3).
Ehe- und Familienbildnisse erfüllten repräsentative Funktionen, indem sie Rang und sozialen Status der Dargestellten anzeigten. Sie dokumentierten familiäre und gesellschaftliche Zugehörigkeit und dienten nicht zuletzt der Memoria. Die zunächst adelige Praxis genealogischer Porträtserien und Ahnengalerien etablierte sich seit dem Spätmittelalter auch in bürgerlichen Kreisen. Porträts wurden getauscht und verschenkt, stifteten Identität und Gemeinschaft. Die üblichen Porträtanlässe waren neben Verlobung und Heirat auch Geburt, Tod und Statusveränderungen.
Die in hoher Zahl hergestellten Hochzeitsbildnisse Martin Luthers und Katharina von Boras hatten neben der Aufgabe, Zugehörigkeit zu dokumentieren, offenbar auch eine Vorbildfunktion, die Bildnissen nach frühneuzeitlicher Überzeugung innewohnte.[3] Sie vergegenwärtigten den Reformator in neuen familiären und öffentlichen Kontexten und sollten die Betrachtenden zur Nachahmung des in seiner Person verkörperten, als vorbildhaft empfundenen christlichen Lebenswandels auffordern. Luther und von Bora schmückten neben Kaisern und Herzögen etwa die Wohnräume der Nürnberger Familie Scheurl und wurden in effigie als vorbildhafte Persönlichkeiten in den Familienkreis aufgenommen.[4]
Luther selbst hatte sich in seiner Eheschrift von 1522[5] nicht nur öffentlich für eine Aufwertung der Ehe gegenüber dem Zölibat ausgesprochen, sondern seit 1523 auch die Verehelichungen von Priestern unterstützt (etwa im Fall des Altenburger Prädikanten Wenzelaus Linck, an dessen Hochzeit er 1523 teilgenommen hatte).[6] Ende 1524 war Luther deshalb seinerseits öffentlich zur Eheschließung aufgefordert worden, hatte dies zunächst aber noch mit Hinweis auf das Wirken des Antichrists und das ihn sicher erwartende Martyrium zurückgewiesen.[7] Erst im Frühsommer gelangte Luther zunehmend zu der Überzeugung, eine Eheschließung werde als Gehorsam gegen Gottes Gebot und als Zeichen gegen den widergöttlichen Stand der Geistlichkeit von ihm gefordert.[8]
Nur wenige Tage vor seiner eigenen Eheschließung behauptete er in einem offenen Brief an Kardinal Albrecht von Brandenburg, Ursache des Bauernkriegs sei der Hass auf die Geistlichkeit, und forderte diesen zur Ehe auf, damit „[...] dem Satan die ursachen der empörung genumen würden.“[9] Luthers Freunde und Gefährten kritisierten diese überraschende Wende, weil sie den Zeitpunkt unpassend fanden, Luther als Opfer seiner Sinnlichkeit ansahen oder Katharina von Bora nicht für die richtige Kandidatin hielten.[10]
Von Bora hatte zu den Nonnen gehört, die 1523 aus dem Kloster Nimbschen nach Wittenberg geflohen waren, wo sich Luther bemühte diejenigen unterzubringen bzw. zu verheiraten, die nicht nach Hause zurückkehren konnten.[11] Da sich für Katharina von Bora kein passender Ehemann finden ließ, lebte und arbeitete sie zunächst im Haushalt Lucas Cranachs d. Ä,[12] bis Luther sich mit ihr am 13. Juni 1525 im kleinen Kreis verlobte, dem Lucas Cranach d. Ä. selbst, dessen Frau, Justus Jonas, Johannes Bugenhagen als Ortspfarrer und der ebenfalls mit einer Nonne verheiratete Jurist Johann Apel angehörten.[13] Auf der mit großem Aufwand betriebenen Hochzeitsfeier, die am 27. Juni mit Kirchgang und Hochzeitsessen nachgeholt wurde, zählten Lucas Cranach d. Ä. und seine Frau freilich nicht zum Kreis der Gäste.[14]
Die Nachricht von Luthers Verlobung verbreitete sich über die Korrespondenz der Wittenberger Reformatoren schnell in der Öffentlichkeit – nicht zuletzt, weil die Ehe eines Mönchs mit einer Nonne in der spätmittelalterlichen Wahrnehmung selbst als apokalyptisches Zeichen wahrgenommen wurde.[15] Kardinal Albrecht von Brandenburg übersandte Luther ein Hochzeitsgeschenk von zwanzig Goldgulden.[16] Dem großen öffentlichen Interesse an Luthers Eheschließung scheint die Cranach-Werkstatt mit mehreren Mitarbeitern und einer hohen Anzahl von Doppelbildnissen entsprochen zu haben.[17] Bekannt sind davon heute noch 13 Paarbildnisse und mehrere Einzelporträts, zu denen ursprünglich vermutlich auch ein Gegenstück existierte (III.M1–III.M19).[18] Da die Eheschließung selbst für enge Vertraute Luthers überraschend kam, ist davon auszugehen, dass die ersten Bildnisse die Werkstatt um die Jahresmitte verließen. Als Zeugnis der Ehe und Vorbild christlichen Lebens erfüllt vor allem der von Lucas Cranach d. Ä. sehr traditionell ausgestaltete Bildtypus der Ehebildnisse eine wichtige Funktion, reihen sie doch die nach kanonischen Recht illegitime Ehe in eine bestehende Bildtradition ein. Dieses konventionelle Schema, das zweifellos auch der häufigen Reproduzierbarkeit dienlich war, wurde in der Mehrzahl in kleinen, einfach zu transportierenden Tafeln ausgeführt, ohne dabei repräsentativere Formate zu vernachlässigen.
Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass auch die Gegner Luthers auf diese Bildnisse reagierten. Der Magdeburger Dominikanerprior Johannes Mensing wandte sich etwa gegen die Verbreitung und Verehrung von Bildnissen Luthers und seiner Frau und beklagte, „[...] das bilde des widderchristus / Luthers sampt seyner aussgelauffen Nonnen / setzen sie [die Anhänger Luthers] an die stad [statt des Bildes Christi] ynn yren heussern und schlafkamern.“[19] Eine Invektive des altgläubigen Humanisten und Theologen Johannes Fabri im Jahr 1528 richtete sich gegen die Priesterehe der Reformatoren. Darin verurteilte er, dass Luther, Zwingli und Oecolampad sich „[...] reiche schone weiber [nehmen] / die zciehen hereyn mit guldenenen ketten / ringen / vnd seydenen cleydern / wie die Gräfin [...]“. Dann richtet sich Johannes Fabri gezielt an Luther, indem er fortfährt: „[…] wie man dann in einem seydenen cleyd / und guldener hauben / dein auszgeloffnen Nonnen auff deiner hochtzeit / hat mussen abcontrafeyen.“[20]
[1] Für die wenigen einzelnen Exemplare ist die ursprüngliche Kombination mit einem von Bora-Pendant anzunehmen, obschon Einzelbildnisse als Ausnahmen ebenfalls denkbar sind.
[2] Als kleinformatige Rundbildnisse (neun Tafeln), als Großformate im Rechteck (sechs Tafeln) sowie als Kleinformat im Rechteck (17 Tafeln).
[3] Vgl. etwa Dodgson 1909, S. 194–196.
[4] Vgl. Soden 1837, S. 89.
[5] WA 10/II, S. 267–304.
[6] Vgl. dazu Moeller 2001, S. 194–218.
[7] Vgl. Brecht 1986, S. 195; dazu auch Schubert 2015, S. 44–65, bes., S. 51–52.
[8] Vgl. Breul 2010, S. 153–168, bes, S. 163.
[9] WA 18, S. 409, Z. 1–3.
[10] Vgl. Brecht 1986, S. 197–198.
[11] Grundsätzlich dazu vgl. ebd., S. 194–203.
[12] Vgl. ebd., S. 194.
[13] Köstlin/Kawerau 1903, S. 734 vermuten, Lucas Cranach d. Ä. habe Katharina vielleicht zur Trauung geführt; bei Ozment 2012, S. 114, ist Lucas Cranach d. Ä. der Ersatzschwiegervater (!) Luthers, was durch die Quellen nicht belegt wird.
[14] Die Liste der Eingeladenen bei Köstlin/Kawerau 1903, S. 735.
[15] Vgl. Oberman 1986, S. 292.
[16] Vgl. Köstlin/Kawerau 1903, S. 138; seit 1527 sind altgläubige Polemiken gegen Luthers Eheschließung bekannt, vgl. Roper 2016, S. 365.
[17] Schon bald entstanden Nachahmungen und Adaptionen, die teilweise nur noch aus den Quellen bekannt sind. In der Nürnberger Kunstsammlung von Paulus II. Praun (1548–1616) werden zwei Werke verzeichnet, die im zweiten Inventar der Sammlung Paulus II. Prauns von 1719 beschrieben werden als: „Dr. Luther und deßen ehefrau contrefait auf papier von waßerfarb, in zweyen runden rämlein gemahlt.“ (Achilles-Syndram 1994, S. 185, Nr. 44). Die gleichen Werke erwähnt Murr 1797, S. 8, Nr. 48 und 50, liefert aber zusätzliche Informationen. Die Tafeln seien 1531 datiert und von einem unbekannten Meister geschaffen worden.
[18] Als Paare sind erhalten drei Tondi sowie zehn Werke im Hochrechteck.
[19] Mensing 1526 [VD16 M 4653 ], fol. Aiir.; vgl. hierzu Kramer 2017, S. 223–225.
[20] Fabri 1528 [VD16 F 196], fol. R4r; vgl. hierzu Kramer 2017, S. 225–226.
Bei den erhaltenen Bildnissen dieser Gruppe handelt es sich um Tafelgemälde, die in den Jahren 1525 und 1526 entstanden sind.[1] Diese lassen sich nach Größe und Format in drei Untergruppen (Abb. 4) gliedern, zu deren frühesten die 1525 datierten kleinen Rundbildnisse mit einem Durchmesser von etwa 13,5 cm zählen (III.M1–III.M6).[2] Die hochrechteckigen Versionen sind in einer kleinen Variante auf blauem Grund (III.M11–III.M19) und einer großen Variante auf grünem Grund (III.M.7–III.M10) überliefert, wobei letztere in Format und Darstellung etwa die doppelte Größe aufweisen.[3] Die Bildnisse auf den kleinen Täfelchen im Rund und Hochrechteck entsprechen sich in ihrer Darstellungsgröße mit einer Ausnahme weitgehend.[4] Alle Bildnisse dieser Gruppe sind auf Buchenholztafeln ausgeführt.[5]
[1] Ein der Holbein-Werkstatt zugeschriebener Holzschnitt (III.D-Sup01) überführt den Cranachschen Luther-Tondo in die Druckgraphik, ist jedoch außerhalb des Untersuchungszeitraums des KKL anzusetzen und wird daher im Anhang behandelt.
Dendrochronologische Untersuchungen an vier Exemplaren stützen die Annahme, dass die auf den Bildnissen angegebenen Jahreszahlen ihrem jeweiligen Herstellungsjahr entsprechen, vgl. dazu die Katalogeinträge zu den jeweiligen Einzelwerken; zur Querauswertung der dendrochronologischen Befunde siehe KKL-Begleitband (in Vorbereitung).
[2] Die heutigen, zwischen 10 und 13,5 cm differierenden Maße der erhaltenen Exemplare sind teilweise auf spätere Formatbeschneidungen zurückzuführen.
[3] Die Abmessungen der größeren Formate betragen ca. 40 x 27 cm (nach Heydenreich 2007 Format B) gegenüber 22,5 x 16 cm der Kleinformate (nach Heydenreich 2007 Format A), während die Höhe der Luther-Köpfe etwa 14,5 cm zu 7,4 cm misst.
[4] Nur das Basler Rundbildnis (III.M1) weist eine deutlich kleinere Darstellung auf, die mit einem größeren Bildausschnitt einhergeht.
[5] Die Gründe für die Wahl der in dieser Zeit in Europa bis auf wenige Ausnahmen völlig unüblichen Holzart wurde zuletzt von Heydenreich 2017, S. 257, in der zeitweisen Verlegertätigkeit Lucas Cranachs d. Ä. und der zwischen 1523 und 1526 zusammen mit Christian Döring betriebenen Druckerei vermutet. Es erscheint naheliegend, dass die in Holzart, Stärke und Format den Buchdeckeln entstehungszeitlicher Bibelausgaben korrespondierenden Täfelchen von einem Schreiner hergestellt wurden, der für beide Verwendungszwecke Bretter lieferte, vgl. dazu Heydenreich 2007, S. 42–47; Heydenreich 2017, S. 257-258; Neuhoff 2017, S. 259.
Die Rundbildnisse (III.M1–III.M6) überführen das Format und die Darstellungskonventionen der Porträtmedaille in das Medium der Malerei. Nicht zuletzt durch ihren Ursprung in der Antike erfreute sich diese Kunstgattung vor allem unter den humanistisch gebildeten Kreisen des 16. Jahrhunderts einer großen Beliebtheit.[1] Indem Lucas Cranach d. Ä. dieser Nachfrage mit gemalten Bildnissen begegnet, greift er einen für den deutschen Raum neuen Bildtyp auf.[2] Mit dem Bezug zum repräsentativen Medium der Medaille und der innovativen Bildform mag auch die Absicht einer Nobilitierung Luthers und von Boras einhergegangen sein.[3] Die kleinen Formate erlaubten zudem eine schnelle Herstellung und einen einfachen Transport. Diesem Zweck kam auch die Ausarbeitung der vermutlich gedrechselten Rahmen als ineinandergreifende Gegenstücke zugute. So konnten die ca. 4 mm starken und rückseitig fein versäuberten Rundtafeln zu einer geschlossenen „Kapsel“ verbunden werden, wodurch die Malerei geschützt war (Abb. 5a und b).[4]
[1] Vgl. allgemein Ausst.-Kat. München 2013.
[2] Nur wenige Vertreter dieses Bildtyps lassen sich vor 1525 ausmachen, vgl. zu diesen Dülberg 1990, Kat.-Nr. 31 und 32; Schwarz-Hermanns 2007, S. 121.
[3] Dass gemalte Rundbildnisse offenbar einen gesteigerten Prestigewert darstellten, legt der Umstand nahe, dass auch für Friedrich III. von Sachsen (datiert 1525, vgl. DE_SKK_0120 und Kardinal Albrecht von Brandenburg (datiert 1526, vgl. Koepplin/Falk 1974, Bd. I, S. 275, Abb. 141) Rundbildnisse dieser Art überliefert sind, obwohl beide Fürsten sich schon mehrfach auf Porträtmedaillen hatten abbilden lassen.
[4] Erhalten sind die ineinander passenden Rahmen an den Exemplaren des Kunstmuseums Basel (III.M1). Für weitere Beispiele solcher als Kapsel verschließbaren Bildnisse vgl. Dülberg 1990, Kat.-Nr. 34, 35, 264, 269.
Abb. 4: Die Gemälde der Bildnisgruppe 3 wurden in drei unterschiedlichen Formaten hergestellt.
Abb. 5a: Die Basler Rundbildnisse (III.M1) ließen sich durch korrespondierende Rahmenprofile zu einer Kapsel verschließen.
Abb. 5b: Die Basler Rundbildnisse (III.M1) ließen sich durch korrespondierende Rahmenprofile zu einer Kapsel verschließen.
Abb. 6: Lucas Cranach d. Ä. [und Werkstatt], Doppelbildnis Martin Luthers und Katharina von Boras, 1526, Malerei auf Buchenholz, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, KKL-Nrn. III.M11a und III.M11b
Die kleinen hochrechteckigen Buchenholztafeln in standardisierter Größe (III.M11–III.M19) weisen ebenfalls eine einheitliche Brettstärke von ca. 4 mm auf und sind rückseitig ebenso sorgfältig geglättet. Auf die Tafelränder wurden vergoldete Rahmenleisten aufgeleimt und beide Tafeln eines Diptychons dürften ursprünglich mit Scharnieren verbunden gewesen sein, sodass sich die Tafeln wie ein Buch öffnen und schließen ließen (Abb. 6).[1] Insofern entsprechen sie den allgemein im 16. Jahrhundert in bürgerlichen Kreisen populär werdenden Ehediptychen, die als aufklappbare, zu gewissen Anlässen präsentierte Familiendokumente aufgestellt wurden. Der Klappmechanismus ermöglichte eine geschlossene Verwahrung und zudem einen einfachen Transport oder Versand der Tafeln, was dazu dienen konnte, den Käuferkreis zu erweitern. Die Rückseiten und Außenseiten der Rahmen sind einheitlich dunkelbraun-schwarz gestrichen und weisen damit keine schmückende Gestaltung der Rückseite auf, wie es für Doppelbildnisse in dieser Zeit üblich gewesen wäre.[2] Der Verzicht auf eine gegenständliche Rückseitenbemalung ermöglichte zweifellos eine schnellere und günstigere Produktion der Bildnisse und kann als Indiz für eine Präsentation an der Wand gelten (Abb. 7).[3]
Die im Format größeren Tafeln (III.M7–III.M10) sind auf dickeren Brettern von mittig ca. 1 cm Stärke gemalt und rückseitig unterschiedlich bearbeitet. Während die nur grob begradigte Rückseite des 1525 datierten Bristoler Werks (III.M7) umlaufend gefalzt ist und damit der Rückseitenbearbeitung der früheren „Junker Jörg“-Bildnisse entspricht, sind die Tafeln des 1526 datierten Stockholmer Doppelbildnisses (III.M9) rundum auf eine Kantenstärke von 5 mm abgeschrägt und zeigen damit Parallelen zu den ab 1528 entstandenen Tafeln des Bildnistyps IV (Luther als Ehemann und Reformator). Die unterschiedliche Form der rückseitigen Bearbeitung steht dabei vermutlich im Zusammenhang mit der zunehmend seriellen Produktion und einer Rationalisierung der Fertigungsprozesse: Während in mittelalterlicher Tradition Tafel und Rahmen vom Tischler in der Regel als Einheit gefertigt und gemeinsam grundiert wurden, löste Lucas Cranach d. Ä. diese Einheit auf, nutzte zunehmend Tafeln in Standardgrößen und ließ diese erst nach Fertigstellung der Malerei einrahmen.[4]
[1] Originale Verbindungselemente sind nicht erhalten. Beim Wolfenbütteler Exemplar (III.M11) verweisen Leimreste an den – im geöffneten Zustand – benachbarten Rahmenschenkeln sowie eine eingeschlagene Öse und mehrere Löcher an den jeweils äußeren Leisten auf die frühere Anbringung eines Klapp- und Verschlussmechanismus.
[2] Vgl. hierzu Dülberg 1990, S. 65–83.
[3] Eine Anbringung an der Wand legt das Nachlassinventar Christoph Scheurls aus dem Jahr 1542 nahe, wo Bildnisse Luthers und von Boras unter einer Altane „in der kamer gegen hof“ angebracht waren (zitiert nach Soden 1837, S. 89). Glaubt man zudem dem Bericht aus den Tischreden Luthers, war ein einzelnes Cranach-Bildnis der Katharina von Bora an der Wand im Hause des Reformators angebracht, vgl. WATr 3, S. 379, Z. 1–6. Wo ein Schmuck der Rückseite gewünscht war, fand die Cranach-Werkstatt bei in Serie gefertigten Bildnissen eine ökonomische Vorgehensweise – etwa bei den um 1532 entstandenen Doppelbildnissen Friedrichs III. von Sachsen und seines Bruders Johann von Sachsen: Die Rückseiten der Friedrich-Bildnisse wurden mit einem gedruckten kursächsischen Wappen beklebt, vgl. etwa DE_KSW_G7; HU_SMB_1341; DE_smbGG_636; CZ_NGP_DO4573;
[4] Vgl. Heydenreich 2007, S. 75–89; Heydenreich in: Ausst.-Kat. Frankfurt 2007, S. 29–47.
Abb. 7: Lucas Cranach d. Ä., Bildnis Martin Luthers, 1525, Rückseite, Kulturstiftung Hansestadt Lübeck, die Lübecker Museen, KKL-Nr. III.M4
Abb. 8: Der Darstellungsmaßstab der großen Tafeln weist etwa die doppelte Größe gegenüber dem der kleinen Tafeln im Rechteck und Rund auf. Hier Überblendung der Umzeichnungen des Bristoler Gemäldes (KKL.-Nr. III.M7) in Orange und eines Bildnisses in Privatbesitz (III.M16a) in Blau
Obwohl sich die in gleichbleibend dünnen Linien angelegten Unterzeichnungen innerhalb der Bildnisgruppe formatbedingt in ihrer Ausführlichkeit unterscheiden, ist davon auszugehen, dass die Gesichtskonturen aller drei Formatgruppen mithilfe von Pausen auf den Malgrund übertragen wurden.[1] Dabei erfolgte die Vervielfältigung entsprechend in verschiedenen Größen. Da sich die Gesichtskonturen durch Skalierung des Größenmaßstabs deckungsgleich überblenden lassen, ist davon auszugehen, dass eine gemeinsame Porträtaufnahme in Pausen unterschiedlicher Größe übersetzt wurde (Abb. 8).[2]
[1] Während bei den Rundbildnissen oft keine oder nur vereinzelte kurze Strichangaben, etwa an Nase, Auge oder Philtrum, nachweisbar sind, werden diese bei den kleinformatigen Hochrechtecken deutlicher und etwas umfangreicher, um bei dem formatgrößeren Stockholmer Exemplar (III.M8) dann Umfang und Charakteristik der in ihrer Größe vergleichbaren Bildnissen der Gruppe IV zu erreichen.
[2] Vgl. auch Ottweiler, Wibke: Kunsttechnologische Beobachtungen an den frühen Luther-Gemälden aus der Werkstatt Lucas Cranach d. Ä. (in Vorbereitung).
Abb. 9: Die kleinformatigen Bildnisse wurden in zwei geringfügig voneinander abweichenden Darstellungsmaßstäben gerfertigt. Hier Überblendung der Umzeichnungen des Wolfenbüttler Gemäldes (III.M11a) in Schwarz und des Wittenberger Rundbildnisses (III.M2a) in Rot
Abb. 10: Die Exemplare mit kleinerem Darstellungsmaßstab entsprechen sich in den Gesichtskonturen exakt. Hier Überblendung der Umzeichnungen des Bildnisses in Privatbesitz (KKL-Nr. III.M16a) in Grün und des Wittenberger Rundbildnisses (KKL-Nr. III.M2a) in Rot
Abb. 11: Die Unterschiede zwischen Exemplaren der kleinen rechteckigen Tafeln zeigen sich neben dem leicht abweichenden Darstellungsmaßstab auch in der Position und Ausführung der Signatur sowie in malerischen Details. Hier das Gemälde der Wartburg-Stiftung Eisenach (KKL-Nr. III.M12a) neben dem Bildnis in Privatbesitz (KKL-Nr. III.M16a)
Bemerkenswert sind die geringen Abweichungen des Darstellungsmaßstabs innerhalb der hochrechteckigen Kleinformate (III.M11–III.M19) (Abb. 9). Während einige Exemplare in der Größe ihrer Darstellung exakt den Rundbildnissen entsprechen,[1] weisen andere eine geringfügig größere und untereinander übereinstimmende Darstellung auf (Abb. 10).[2] Dies spricht für die Verwendung zweier Pausen in einem nur gering abweichenden Größenmaßstab innerhalb dieser Bildnisserie.[3] Interessanterweise sind die Exemplare mit den größeren Darstellungen nicht wie die kleineren Versionen in der oberen linken Bildecke, sondern über Luthers rechter Schulter signiert und datiert, wobei die „2“ in der Jahreszahl eine z-förmige Ausprägung gegenüber einer runden Form bei den in der Darstellung kleineren Versionen aufweist (Abb. 11).[4] Der Mantelkragen ist auf den Tafeln mit größerem Darstellungsmaßstab prägnanter ausgearbeitet, das Haar lockiger und voluminöser, die Gesichtszüge wirken etwas markanter. Die Unterschiede, die von der Unterzeichnung bis zur Signatur erkennbar werden, legen nahe, dass im Jahr 1525 mindestens zwei Maler für die Ausführung dieser Bildnisserie verantwortlich waren. Ähnlichkeiten innerhalb dieser Gruppen lassen zugleich vermuten, dass beide Maler die Bildnisse jeweils von der Unterzeichnung bis zur Signatur realisierten und nicht – etwa mit dem Ziel der Vereinheitlichung – einen Arbeitsschritt über alle Bildnisse der Serie hinweg ausführten.[5]
[1] Vgl. III.M.15a, III.M16a, III.M17a und III.M18a und III.M19a. Aufgrund der übereinstimmenden Darstellungsgrößen ist davon auszugehen, dass für diese Exemplare und die Mehrzahl der Rundbildnisse dieselbe Vorlage verwendet wurde. Einzig das Basler Exemplar (III.M1) weist einen kleineren Darstellungsmaßstab auf und kann nicht mit Hilfe dieser Pause entstanden sein.
[2] Diese sind III.M11a, III.M12a, III.M13a und III.M14a.
[3] Die Unterzeichnungen der darstellungsgrößeren Exemplare (untersucht bei III.M11 und III.M12) sind zudem nur abschnittsweise und äußerst schwach im Infrarot-Reflektogramm nachweisbar. Sie scheinen mit einem anderen Farbmittel in anderer Technik ausgeführt worden zu sein als die Unterzeichnungen der darstellungskleineren Exemplare.
[4] Als Ausnahme ist die Signatur des Schleswiger Exemplars (III.M15a) über Luthers Schulter platziert, obwohl es sich um den darstellungskleineren Typ mit runder „2“ handelt. Dies ist vermutlich auf die am oberen Bildrand eingefügte Inschrift zurückzuführen, die eine andere Positionierung der Signatur erforderlich machte.
[5] Anders ist das parallele Auftreten der Eigenarten von Unterzeichnung, Malweise und Signatur nicht erklärbar; vgl. auch Heydenreich 2007, S. 289–291.