Im Oktober 2009 begannen acht große Museen in Europa und den USA gemeinsam mit dem Kunstpalast in Düsseldorf und der Technischen Hochschule Köln ein Forschungsprojekt zur digitalen Erschließung der Gemälde eines der bedeutendsten Maler der deutschen Renaissance: Lucas Cranach der Ältere. Gefördert wurde das Projekt von der Andrew W. Mellon Foundation als Teil einer größeren Initiative, deren Ziel es ist, eine internetbasierte Infrastruktur für den Austausch und die Vermittlung neuer kunsthistorischer, technologischer und naturwissenschaftlicher Forschungsergebnisse zu entwickeln, welche die Grenzen von Institutionen und internationalen Grenzen überschreitet. Der umfangreiche Fundus an Bild- und Textinformationen soll der Öffentlichkeit ein tieferes Verständnis der Kunst Lucas Cranachs ermöglichen und die Forscher künftig dabei unterstützen, u. a. Fragen zu Zuschreibung und Werkstattorganisation zu beantworten.
Das Cranach-Forschungsprojekt befindet sich derzeitig in seiner vierten Phase. Ziel ist, das bestehende Netzwerk weiter auszubauen, die Infrastruktur weiterzuentwickeln und den Inhalt zu vermehren, um das Fundament für eine innovative, umfassende und gemeinschaftliche Quelle des Wissens über Lucas Cranach und seine Werkstatt zu legen, die sich signifikant von dem traditionellen Modell eines Werkkataloges unterscheidet.
Lucas Cranach der Ältere war einer der größten und vielseitigsten Künstler Europas im 16. Jahrhundert. In fast fünf Jahrzehnten diente er drei sächsischen Kurfürsten als Hofmaler. Mit außergewöhnlicher Kreativität entwickelte er in einer der produktivsten Werkstätten seiner Zeit zahlreiche innovative Bildthemen und ikonografische Neuerungen, die das Zeitalter des Humanismus und Protestantismus beispiellos reflektieren. Heute sind noch über 1500 Gemälde von Cranach und seiner Werkstatt bekannt und diese repräsentieren nur einen Bruchteil der einst produzierten Werke.
Trotz umfangreicher Bemühungen vieler Generationen von Cranach-Forschern, ein tieferes Verständnis für die Kunst Cranachs zu generieren und sein breitgefächertes Oeuvre an Gemälden, Zeichnungen und Drucken zu katalogisieren, bietet der Werkbestand noch immer eine große Anzahl an Fragen und Aufgabenstellungen für die kunstwissenschaftliche Forschung:
Der Werkkatalog von Max J. Friedländer und Jakob Rosenberg wurde zuletzt 1979 überarbeitet und ist inzwischen nicht mehr aktuell. Darin sind etwa 1000 Gemälde aufgeführt, aber nur 452 abgebildet. Verlässliche Informationen über das Oeuvre Cranachs, u.a. qualitativ hochwertige Fotografien, sind nur aufwändig zusammenzutragen oder zu generieren, und zahlreiche Werke in Kirchen oder privaten Sammlungen blieben bisher unberücksichtigt.
Von Oktober 2009 bis September 2011 wurden Methoden für die Erfassung, den Austausch und das internetbasierte Studium von Text- und Bildmaterial zu Gemälden Lucas Cranachs entwickelt und eine repräsentative Anzahl an Gemälden dokumentiert. In dieser Phase hat das Cranach-Projekt mit anderen durch die Mellon Foundation geförderten Pilotprojekten kooperiert, deren Modelle und Methoden getestet und weiterentwickelt.
Kooperation
In der Pilotphase arbeiteten neun Gründungspartner und weiteren zehn Partnerinstitutionen zusammen mit den Organisatoren am Cranach Digital Archive:
Gündungspartner: Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek und Doerner Institut, München; J. Paul Getty Museum, Los Angeles; Kunsthistorisches Museum, Wien; Kunstmuseum Basel; Metropolitan Museum, New York; National Gallery, London; Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin; Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden; Prof. Dr. Dieter Koepplin, Basel; Dr. Werner Schade, Berlin; Prof. Dr. Ingo Sandner, Dresden
Partner: Anhaltische Gemälde-Galerie, Dessau; Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg; Klassik Stiftung, Weimar; Kunstsammlungen der Veste Coburg, Coburg; Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel; Museum der bildenden Künste, Leipzig; Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten, Berlin-Brandenburg; Statens Museum for Kunst, Kopenhagen; Stiftung Schloss Friedenstein Gotha; Szépmüvészeti Múzeum, Budapest Zusätzlich konnte die Zusammenarbeit mit 23 weiteren Projektbeteiligten initiiert werden.
Infrastruktur
Für die Erfassung und den Austausch von Daten wurden ein Modell und Regeln entwickelt:
Produktion
In der zweiten Projektphase war es Ziel, das bestehende Netzwerk weiter auszubauen, die gemeinsam genutzte Infrastruktur weiterzuentwickeln und das Archiv inhaltlich wesentlich zu bereichern, um in dieser Weise ein innovatives Forschungsinstrument zu entwickeln und eine umfassende Forschungsressource zu Lucas Cranach zu generieren. Das Projekt sollte die interdisziplinäre und interinstitutionelle Forschung sowie die Entwicklung eines internationalen und nachhaltigen Forschungsnetzwerkes befördern.
Die zweite Projektphase verfolgte zwei primäre Ziele:
Kooperation
Seit 2012 baute das cda-Team Kooperationen mit weiteren 140 Institutionen (Museen, Forschungseinrichtungen und Kirchgemeinden) auf. Insgesamt repräsentiert das cda damit Dokumentationen und Forschungsergebnisse aus über 183 Institutionen in 24 Ländern, die von mehreren hundert Fachwissenschaftlern generiert und laufend erweitert werden.
Infrastruktur
Es wurden Filterfunktionen auf der Basis von Thesauri in deutscher und englischer Sprache, die Möglichkeit zum Bildvergleich sowie eine persönliche Galerie eingerichtet und die Arbeitsabläufe bei der Erfassung optimiert. Darüber hinaus konnten zahlreiche Beziehungen zwischen verschiedenen Werken visualisiert werden.
Produktion
Das cda bietet einen freien Zugang zu kunsthistorischen, technischen und konservatorischen Information zu 1.300 Gemälden. Dazu gehören:
Das Projektteam untersuchte mehr als 930 Gemälde in 85 Sammlungen und erstellte dabei u.a. digitale Fotografien, mikroskopische Aufnahmen und Infrarotreflektografien (noch nicht vollständig online)
Mehrere Hundert Infrarotreflektogramme wurden ausgewertet und die Ergebnisse in Berichten dokumentiert.
345 Scans von Archivdokumenten zusammen mit neue Transkriptionen von Monika und Dieter Lücke frei verfügbar. Sie ermöglichen u.a. Einblicke in Entstehungsbedingungen und Werkstattpraxis.
Die folgenden Archive wurden in der zweiten Projektphase digitalisiert:
Die Literaturdatenbank umfasst 2.950 Publikationen zu Cranach.
Die dritte Projektphase verfolgte drei primäre Ziele:
Zur Verwirklichung dieser Ziele wurden die folgenden fünf Schritte geplant:
Die dritte Phase konnte mit großem Erfolg abgeschlossen werden. Wir sind der Andrew W. Mellon Foundation zu großem Dank verpflichtet und freuen uns über die Evaluierung des Projektes als „the world leader in digital projects involving Old Master painting“.
Das Cranach Digital Archive kooperiert seit 2018 mit einem am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg angesiedelten und durch die Leibniz-Gemeinschaft geförderten Forschungsprojekt, das innerhalb von drei Jahren einen „Kritischen Katalog der Luther-Bildnisse (1519–1530)“ erarbeiten wird. Als Kooperation des Germanischen Nationalmuseums, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, des Kunstpalasts Düsseldorf und der Technischen Hochschule Köln entsteht hier mittels eines interdisziplinären Ansatzes, der die Bereiche Kunstgeschichte, Kunsttechnologie, Informatik und Kirchengeschichte umfasst, ein kritisches Werkverzeichnis der Porträts Martin Luthers. Die Ergebnisse werden 2021 im Cranach Digital Archive veröffentlicht.
Im Bereich der druckgraphischen Lutherbildnisse konnten von 2018 bis 2020 bereits über 700 Werke in 40 Sammlungen analysiert sowie mittels hochauflösender Fotografie dokumentiert werden. Anhand der stetig anwachsenden Zahl der untersuchten Werke verdichtet sich über die bild- und materialwissenschaftliche Analyse das Wissen über die Produktion und den Kontext der Bildnisse, ihr Auftreten und ihre Verbreitung. Dies wird zusätzlich durch neue Quellenfunde gestützt.
Die informationstechnologische Entwicklung erfolgt weiterhin in Kooperation mit Christian Noss und Studierenden am Advanced Media Institute der TH Köln.
Seit April 2020 fördert die Ernst von Siemens Kulturstiftung die Arbeit am Cranach Digital Archive. Primäres Ziel ist, den Bestand an Gemälden zu vervollständigen.
Dr. Maryan Ainsworth, New York
Dr. Bodo Brinkmann, Basel
Dr. Susan Foister, London
Prof. Dr. Dieter Koepplin, Basel
Dr. Werner Schade, Berlin
Dr. Karl Schütz, Wien
Dr. Regine Stein, Marburg
Prof. Dr. Thomas Dreier
Sven Mitsdörffer
Institut für Informationsrecht, Zentrum für angewandte Rechtswissenschaft (ZAR),
Universität Karlsruhe / Karlsruhe Institute of Technology (KIT)
Prof. Dr. Louisa Specht
Lehrstuhl für Europäisches und Internationales Informations- und Datenrecht
Universität Passau
Prof. Dr. Gunnar Heydenreich (Kunstpalast/Cologne Institute of Conservation Sciences)
Helen Smith, Mellon Fellow (Kunstpalast)
Jana Herrschaft (Kunstpalast)
Daniel Görres (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg/Kunstpalast)
Prof. Christian Noss (Technische Hochschule Köln)
Jorge H. F. Pereira (Technische Hochschule Köln)
Jörg Stahlmann (bis 2018)
In Zusammenarbeit mit
Prof. Dr. Ingo Sandner, Dresden
Dr. Monika Lücke
Dietrich Lücke
Christine Unsinn (Freie Universität, Berlin)
Linda Schmidt, Sonja Ruß, Svenja Dickmann, Nicole Reds, Hannah Krumm, Clara Siegl (Cologne Institute of Conservation Sciences, Technische Hochschule Köln)
Désirée Monsees (Universität Kassel)
Laura Thiepold (Heinrich Heine Universität Düsseldorf)
Prof. Dr. Martina Sitt (Universität Kassel)
Prof. Dr. Thomas Pöpper (Westsächsische Hochschule Zwickau)
u.a.
Bei den "Wegen zu Cranach" handelt es sich um ein länderübergreifendes Projekt, in dem Orte mit einem besonderen Bezug zu Leben und Wirken Lucas Cranachs d. Ä. und der Malerfamilie Cranach kooperieren. Ziel ist es, das künstlerische Erbe Cranachs zu würdigen und zu bewahren sowie in der Öffentlichkeit zu vermitteln und zu verbreiten. Derzeit arbeiten zwölf Partner in diesem Projekt zusammen: Coburg, Dessau-Roßlau, Eisenach, Erfurt, Gotha, Kronach, Lutherstadt Wittenberg, Meissen, Neustadt/Orla, Nürnberg, Schneeberg und Weimar. Begleitet wird die Arbeit von einem wissenschaftlichen Beirat aus Kunsthistorikern und Cranach-Experten.
http://wege-zu-cranach.de/wege-zu-cranach.html
d:kult ist eine gemeinschaftliche Initiative von Museen und Kulturinstitutionen der Landeshauptstadt Düsseldorf, deren Anliegen es ist, die Sammlungen zu verwalten und etwa 3,5 Millionen Sammlungsobjekte online zugänglich zu machen. Das cda arbeitet mit d:kult zusammen und nutzt das Collection Management System als Datenspeicher.
https://emuseum.duesseldorf.de
ResearchSpace ist ein von der Andrew W. Mellon Foundation gefördertes Projekt mit dem Ziel, die interdisziplinäre und interinstitutionelle Forschung sowie die Kommunikation und Publikation von Informationen über unser kulturelles Erbe mittels digitaler Technologien zu befördern. ResearchSpace entwickelt in Kooperation mit dem Cranach Digital Archive folgende Elemente: Werkzeuge für Daten- und digitale Analyse, Austausch und Zusammenarbeit, semantische RDF-Datenformate sowie Instrumente für die digitale Verwaltung, Veröffentlichung und Bearbeitung.
http://www.researchspace.org
Seit 2007 hat die Andrew W. Mellon Foundation mehrere Pilotprojekte unterstützt, die sich mit der digitalen Erfassung und der internetbasierten Vermittlung von kunsthistorischen und restauratorischen Dokumenten befassen. Im Fokus der Raphael Research Resource, einem Projekt der National Gallery in London stehen kunsthistorische, technologische und restauratorische Informationen zu zehn bedeutenden Gemälden von Raffael. Mittlerweile konnten durch die Zusammenarbeit mit Partnerinstitutionen weitere Gemälde integriert werden. Die Raphael Research Resource ist heute eine Plattform, die Raffaels Gesamtwerk in noch nie da gewesenem Umfang präsentiert.
http://cima.ng-london.org.uk/documentation
Bei der Rembrandt Database handelt es sich um ein gemeinschaftliches Projekt des Niederländischen Instituts für Kunstgeschichte (RKD) und der Königlichen Gemäldegalerie Mauritshuis in Den Haag. Das Projekt wird ebenfalls von der Andrew W. Mellon Foundation als Teil einer größeren Initiative zur Schaffung einer internetbasierten Infrastruktur zum Austausch zwischen Institutionen gefördert. Ziel der Rembrandt Database ist es, eine vielsprachige, internetbasierte Forschungsquelle zu schaffen, in der restauratorische, technologische und kunsthistorische Dokumentationen zu Gemälden von Rembrandt aus verschiedenen Museen und Institutionen weltweit erfasst werden. Die Datenbank basiert auf einem umfangreichen Netzwerk aus bestehenden RKD-Datenbanken.
http://rembrandtdatabase.org/
Cranach Magnified ist ein Pilotprojekt des J. Paul Getty Museums, welches es ermöglicht, die Maltechnik von Lucas Cranach d. Ä. und seiner Werkstatt anhand makroskopischer Details verschiedener Gemälde vergleichend zu studieren. Der Schwerpunkt liegt bei Gemälden, die zwischen 1525 und 1530 entstanden sind. Sie zeigen den geschmeidigen, fast kalligrafischen Pinselstrich, das strukturierte Laubwerk und die minutiöse Malweise Cranachs in den späten 1520er-Jahren.
http://www.getty.edu/museum/conservation/cranach_comparison/index.html