Die gesamte Komposition der Haupttafel des Weimarer Retabels wird durch die Darstellung des Kreuzestod Christi bestimmt. Das Kruzifix im Vordergrund teilt durch seine mittige Position das gesamte Bild in zwei Hälften, die in der vordersten Bildebene inmitten einer reich bewachsenen Blumenwiese durch insgesamt vier Personen besetzt werden. Links des Kreuzes
Die gesamte Komposition der Haupttafel des Weimarer Retabels wird durch die Darstellung des Kreuzestod Christi bestimmt. Das Kruzifix im Vordergrund teilt durch seine mittige Position das gesamte Bild in zwei Hälften, die in der vordersten Bildebene inmitten einer reich bewachsenen Blumenwiese durch insgesamt vier Personen besetzt werden. Links des Kreuzes erscheint wiederum Christus, jedoch diesmal über Tod und Teufel, die am Boden unter seinen Füßen liegen, triumphierend. Als Zeichen des Sieges und seiner Auferstehung trägt er den roten Umhang, dessen heftige Bewegung nach rechts wieder den Blick zum Kreuz in der Mitte führt, und eine transparent wirkende Siegesfahne, die Christus dem Teufel in den Rachen stößt und dabei den Blick an den Betrachter richtet. Hinter dem Auferstandenen erhebt sich eine bewachsene Felsformation, in bzw. vor der die Grabeshöhle und der geöffnete und ornamentierte Marmorsarkophag sichtbar werden. Das Rot des Mantels wird in der Figurengruppe rechts des Kreuzes aufgegriffen. Sie besteht aus Johannes dem Täufer, Lucas Cranach d. Ä. und Martin Luther, die eng hintereinander gestaffelt angeordnet sind. Zuvorderst am rechten Bildrand Luther, dessen imposante Statur durch den festen Stand und die weite Schaube zusätzlich betont wird. Das Schwarz des Gewandes hebt die hellen Seiten des aufgeschlagenen Buches hervor, auf welches Luther mit dem Finger seiner rechten Hand weist und den Betrachter zum Lesen hinhält. Von Luther halb verdeckt, steht Cranach, gekleidet in ein pelzbesetztes schwarzes Gewand und mit den gleichen beigen Beinkleidern wie Luther. Vor allem das Kopf- und Barthaar verraten das fortgeschrittene Alter, seine Hände sind gefaltet. Der Kopf wird von einem Blutstrahl getroffen, der sich aus der Seitenwunde des Gekreuzigten ergießt, der Blick des Malers führt aus dem Bild hinaus. Hinter Cranach erscheint Johannes der Täufer in Pelzgewand und rotem Umhang. Nach rechts gewandt, deutet er mit dem Finger seiner rechten Hand auf den gekreuzigten Christus und mit zwei Fingern der Linken auf das Opferlamm, das sich unmittelbar vor dem Kreuz befindet und führt den Blick des Betrachters ebenfalls wieder zum Kreuz in der Mitte. Das Lamm hebt seinen Kopf als würde es auf Johannes Geste reagieren. Es trägt wie der Auferstandene die transparente Siegesfahne auf deren Banner sich die Inschrift "ECCE AGNVS DEI QVI TOLLIT PECCATA MVNDI" gegen das Rot des Mantels des triumphierenden Christus abzeichnet. Beide Siegesfahnen sind nahezu parallel zueinander angeordnet; das Lamm hindert die Fahne mit dem erhobenen rechten Vorderlauf am Umfallen. Durch das Agnus Dei wird der Fuß des Kreuzes, welches direkt hinter ihm ansetzt, verdeckt.
Das Kreuz besteht aus zwei grob behauenen Holzbalken, die in Form des griechischen T angebracht sind und erstreckt sich bis zum oberen Rand des Bildes, wo es vom INRI-Schild bekrönt wird. Mit drei Nägeln ist Christus an das Kreuz geschlagen. Sein Kopf ist nach links geneigt, die Augen scheinen geschlossen, unter der Dornenkrone zeichnet sich Blut ab, das den Hals hinab sickert. Auch von den Handwunden laufen Bahnen von Blut an den überlangen, dünnen Armen entlang, vereinen sich teilweise mit dem Blut der Seitenwunde, um dann bis zu den Fußwunden hinab und auf das Holz des Kreuzes zu tropfen. Unterhalb der Füße Christi findet sich am Kreuz die Jahreszahl 1555 und darunter die Cranach-Signatur. Die beiden Enden des Lendentuchs Christi wehen in einer sehr artifiziell erscheinenden Wellenbewegung nach beiden Seiten weg. Die weiße Farbe des Tuches hinterfängt und betont den schon erwähnten Blutstrahl, der sich fast wie mit dem Zirkel geschlagen in einem weiten Bogen von der Seitenwunde auf das Haupt Cranachs ergießt.
Ungefähr auf Höhe der Füße des Gekreuzigten werden im Mittelgrund des Bildes zwei Szenen sichtbar, die durch das Kreuz voneinander getrennt sind. Links davon flüchtet ein mit Lendentuch bekleideter, bärtiger Mann gestenreich vor den mit Spieß und Keule bewaffneten Totengerippe und Teufel, die hier zum zweiten Mal auftauchen. Sie treiben den Gejagten dem Fegefeuer entgegen, dessen Flammen hinter der Felsformation, die auch die Grabeshöhle birgt, auflodern. Der Weg auf dem diese Jagd stattfindet ist kreisförmig und führt, verfolgt man ihn mit den Augen weiter, auf die rechte Seite des Kreuzes zu einer Gruppe von Männern, die im Gespräch miteinander vertieft zu sein scheinen. Unter ihnen befindet sich Moses, mit dem Finger seiner rechten Hand auf die beiden Gesetzestafeln in seiner Linken weisend und ein alter Mann in hermelinbesetztem Mantel, der zwei Finger der rechten Hand erhebt. Diese beiden Szenen werden nach hinten von einem Wald begrenzt, der zum Hintergrund des Bildes überführt.
Auf der rechten Seite, über den Köpfen von Cranach und Luther angeordnet, ist in einem Zeltlager die Erhöhung der ehernen Schlange durch die Israeliten dargestellt. An seiner Kleidung ist Moses wiederzuerkennen, wie er mit einem Stab auf die Schlange an dem ebenfalls T-förmigen Kreuz weist. Während einige Männer, Frauen und Kinder seinem Rat folgen und sich durch den Blick auf die Schlange retten, die Hände zum Gebet erheben und sogar auf die Knie gefallen sind, wurden andere bereits gebissen. Einem Israelit am rechten Rand der Bildes hat sich eine Schlange schon um den Hals gewunden, eine weitere schlängelt auf ihn zu. Diese Figur wirkt dabei in ihrer Gestik wie eine Kopie des vor Tod und Teufel Fliehenden im Mittelgrund.
Auf einer Lichtung des schon erwähnten Waldes, dessen Ausdehnung bis in den Mittelgrund reicht, findet sich auf Höhe der Horizontlinie schließlich ein weiteres biblisches Ereignis: die Verkündigung an die Hirten. Ebenso wie die Israeliten wenden die drei Hirten ihren Blick nach oben, erheben die Hände oder fallen auf die Knie im Angesicht des Engels, der in einer Wolkenaureole mit einem Spruchband von Himmel herab schwebt. Die Wolken am Himmel, welcher ein Drittel des Bildes ausmacht, werden vom Licht der Sonne, die hinter der Grabeshöhle des auferstandenen Christus aufzugehen scheint, plastisch angeleuchtet.
Die weitestgehend erdige, gedeckte Farbigkeit des Mittelbildes des Weimarer Altars wird wiederholt durch den Einsatz der Farbe Rot durchbrochen und kontrastiert. Besonders deutlich wird dies bei der linken Gruppe des Vordergrundes. Felsen, Sarkophag und die Figuren von Tod und Teufel teilen sich die gleiche bräunlich-gelbe Farbigkeit, die das relativ helle Inkarnat Christi und vor allem dessen leuchtend roten Mantel deutlich hervorhebt. Dieses leuchtende Rot fungiert im Bild als Anhaltspunkt für das Auge des Betrachters, da es in jeder Einzelszene des Bildes wiederkehrt und diese rein farblich miteinander verbindet. Ganz abgesehen vom roten Blut Christi tritt die Farbe bei den Umhängen von Christus und Johannes auf, aber auch am Kragen Luthers, am Fuß des Teufels im Mittelgrund, bei Mantel und Beinkleid der Prophetengruppe, in der Kleidung der Israeliten und der Hirten sowie beim Gewand des Engels.
Kompositorisch wird verstärkt das Mittel der Motivwiederholungen und -variationen genutzt, wodurch ein enges Netz von Beziehungen der Motive in den einzelnen Tiefenebenen entsteht: Das Motiv von Tod und Teufel verbindet die linke Seite des Vordergrundes mit der des Mittelgrundes. Parallel dazu entsteht eine Verbindung zwischen der rechten Seite des Vordergrunds und der des Mittelgrunds durch die Zeigegesten auf das Wort bzw. auf Christus. Zu Christus im Vordergrund wird auch der Gejagte im Mittelgrund in Bezug gesetzt, der nicht nackt ist, sondern wie der Gekreuzigte ein Lendentuch trägt. Mittelgrund und Hinter-grund verbindet das zweifache Auftreten von Moses und die Gestenwiederholung des Gejagten und des von Schlangen bedrängten fliehenden Israeliten. Hinzu kommen die parallelen Haltungen von Israeliten und Hirten der Verkündigung, die die beiden Szenen des Hintergrunds zusammenschließen und die gleiche T-Form der Kreuze, womit auch Hintergrund und Vordergrund in Beziehung gesetzt werden.
[Görres 2006, 7-10]
- Zuschreibungen
-
Lucas Cranach der Jüngere
Lucas Cranach der Ältere
Zuschreibungen
Lucas Cranach der Jüngere | [Böhlitz 2007, 294] |
Lucas Cranach der Ältere | "Cranachs Zusammenarbeit mit seinem Sohn in untrennbarer Werkgemeinschaft [...]" [Thulin 1951, 54] |
- Datierung
- 1555
Datierung
1555 | [datiert] |
- Maße
- Maße Bildträger: 370 x 309 cm
Maße
Maße Bildträger: 370 x 309 cm
[Görres 2007, 22]
Maße Bildträger: 360 x 311 cm
[Friedländer, Rosenberg 1979, 158-159, No. 434]
- Signatur / Datierung
Bezeichnet am Kreuzesstamm unten mit Schlangensignet (mit liegenden Flügeln) und der Jahreszahl "1555"
Signatur / Datierung
Bezeichnet am Kreuzesstamm unten mit Schlangensignet (mit liegenden Flügeln) und der Jahreszahl "1555"
- Inschriften und Beschriftungen
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Im aufgeschlagenen Buch in Luthers Händen:
"Das Blut Jesu Ch
[r]isti reinigt unns
[von] allen sunnden.
im …Inschriften und Beschriftungen
Inschriften, Wappen:
- Im aufgeschlagenen Buch in Luthers Händen:
"Das Blut Jesu Ch
[r]isti reinigt unns
[von] allen sunnden.
im [ers]ten Epis Joan
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zum Ebreern am 5. Cap.
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wusten ein Schlang erho
het hat also mus auch
des Menschen Son erho
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die an [...]"
Die beiden aufgeschlagenen Blätter des Buches tragen jeweils rechts oben außerdem die Seitenzählung "CLI" (linkes Blatt) und "CLII" (rechtes Blatt).
- Auf der Siegesfahne des Lamm Gottes:
"ECCE AGNVS DEI QVI TOLLIT
PECCATA MVNDI"
- Am oberen Ende des Kreuzes:
"INRI"
- Eigentümer
- Ev.-Luth. Kirchgemeinde St. Peter und Paul, Weimar
- Besitzer
- Ev.-Luth. Kirchgemeinde St. Peter und Paul, Weimar
- Standort
- Weimar
- CDA ID
- DE_PPW_NONE-PPW001A
- FR (1978) Nr.
- FR434
- Permalink
- https://lucascranach.org/de/DE_PPW_NONE-PPW001A/
-