Das Wittenberger Bildnis zeigt Luther mit Kutte und Doktorhut, wie er uns in Lucas Cranachs d. Ä. Kupferstich von 1521 (I.4D1) begegnet. Die Profilansicht wurde zugunsten einer Dreiviertelansicht aufgegeben, das Haar ist – anders als im Kupferstich – nur an den Locken im Nacken zu erahnen.
Das 2002 vom
Das Wittenberger Bildnis zeigt Luther mit Kutte und Doktorhut, wie er uns in Lucas Cranachs d. Ä. Kupferstich von 1521 (I.4D1) begegnet. Die Profilansicht wurde zugunsten einer Dreiviertelansicht aufgegeben, das Haar ist – anders als im Kupferstich – nur an den Locken im Nacken zu erahnen.
Das 2002 vom Lutherhaus Wittenberg als Werkstatt Lucas Cranachs d. Ä. erworbene Bildnis[2] ist weder in Datierung noch Zuschreibung klar zu greifen. Der Grund hierfür liegt unter anderem am Zustand des im Format beschnittenen Gemäldes, das wegen der verpressten und beriebenen Malschicht nur noch eingeschränkt zu beurteilen ist.[3]
Zusammen mit der Darstellung Luthers als Augustinermönch aus Nürnberg (I.6M1) und dem Porträt mit Doktorhut aus Privatbesitz (I.6M2) bildet das Wittenberger Gemälde eine kleine Untergruppe, die Luther im Mönchshabit vor hellgrünem Fond zeigt.[4] Während die Darstellungen aller drei Gemälde in ihrer absoluten Größe übereinstimmen, weist die Wittenberger Version einen kleineren Bildausschnitt auf, der aber nicht das ursprüngliche Format darstellt, sondern auf einen späteren Eingriff zurückzuführen ist.[5]
Die sparsame Unterzeichnung wurde mit wohl flüssigem schwarzem Medium und Pinsel ausgeführt. Angegeben sind Außen- und wesentliche Binnenkonturen in überwiegend gleichmäßiger Strichstärke. Einzelne Partien wie Nase, Ohr und Wange wurden bereits mit dem ersten Farbauftrag deutlich modifiziert und zusammen mit weiteren Formen im Malprozesses weiter verändert. Auffällig ist, dass die Konturen von Kapuze, Halsausschnitt und Ohr in der ersten farbigen Anlage eher der Formgebung des Nürnberger Augustinermönches (I.6M1) entsprechen, in der korrigierten Form jedoch deutlich davon abweichen, wie die Projektion der Umrisslinien deutlich macht (vgl. Einleitung zur Bildnisgruppe I).[6] So sind der Doktorhut über der Stirn ebenso wie die Kapuze über Luthers linker Schulter erst mit schwarzer Farbe deutlich höher angelegt und nachfolgend mit grüner Farbe teilweise abgedeckt und flacher ausgeführt worden.
Die Unterzeichnung und die nicht unerheblichen Veränderungen im Werkprozess lassen sich als Indizien für einen individuellen Gestaltungsanspruch und eine mögliche Ausführung in der Cranach-Werkstatt interpretieren, wobei die Qualität der malerischen Ausführung z. B. gegenüber dem Leipziger und dem Weimarer Bildnis Luthers als „Junker Jörg” (II.M1 und II.M2) deutlich abfällt. Unbeholfen wirken die wie geschürzt erscheinenden Lippen und die kugelförmigen Augen. Auch die in einer Wellenlinie angelegten Haarlocken an Stirn und Schläfe wirken konstruiert und leblos. Das Inkarnat ist rosiger ausgemischt als bei den „Junker Jörg“-Bildnissen und wirkt aufgrund fehlender Schattenlasuren flach. Dabei erschwert der vor allem durch die Bereibungen beeinträchtigte Zustand der Oberfläche ihre Beurteilung. Die Befundlage lässt eine Entstehung im Laufe der 1520er Jahre in oder im Umfeld der Cranach-Werkstatt zu.
Daniel Görres, Wibke Ottweiler
[1] Angabe laut Aukt.-Kat. München 2002, Los 2.
[2] Vgl. ebd.
[3] Die Malerei wurde ursprünglich auf einer grundierten Holztafel ausgeführt. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde das Holz von der Rückseite bis zur Grundierung abgetragen und die Bildschicht anschließend auf eine Leinwand übertragen. Unten und seitlich ist das Bildnis beschnitten. Wieviel des ursprünglichen Formats dabei verloren ging, ist nicht mehr rekonstruierbar. Beim Übertragungsvorgang hat sich die Leinwandstruktur stellenweise bis in die Farbschicht durchgedrückt, viele Feinheiten der Malerei sind deshalb nicht mehr erkennbar.
[4] Zwar entsprechen sich die Bildnisse in Bezug auf ihre Darstellung und weisen in Größe und Linienverlauf ähnliche Gesichtskonturen auf, doch weisen die Gemälde nicht unerhebliche Unterschiede in ihrer Herstellungstechnik auf. Diese Heterogenität unterscheidet sie von den anderen Bildnisgruppen; vgl. dazu auch Schuchardt 2004, S. 19, und ders. 2015, S. 37; ein von Schuchardt ebenfalls zu dieser Gruppe gezähltes Bildnis in der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha (Malerei auf Lindenholz, 37 x 24,3 cm, Inv.-Nr. 57/16) stellt vermutlich eine Kopie nach I.6M2 dar, vgl. dazu Rogge 1982, S. 184, und Ausst.-Kat. Gotha 1994, Nr. 1.16.
[5] Siehe Anm. 3; großflächige Malschichtverluste, die sich heute im Infrarotreflektogramm abzeichnen, könnten Anlass für diese Maßnahme gewesen sein.
[6] Daraus ist nicht zwingend zu schließen, dass das vorliegende Gemälde zeitlich nach I.6M1 entstanden sein muss, da die betreffenden Partien von I.6M1 Cranachs Kupferstich I.2D1 entlehnt sind. Es könnte somit auch der Kupferstich selbst oder ein anderes auf ihm beruhenden Bildnis als Vorlage gedient haben (vgl. abweichend dazu Hofbauer 2021, S. 245).
Quellen / Publikationen:
Aukt.-Kat. Wien 2000, Los 343; Aukt.-Kat. München 2002, Los 2; Treu 2003, S. 48; Schuchardt 2004, S. 19; Joestel 2008, S. 125; Ausst.-Kat. Eisenach 2015, S. 34, 35, 37; Ausst.-Kat. Minneapolis u. a. 2016, Nr. 132.