Außenseite linker Innenflügel: Einzug Christi in Jerusalem; Abendmahl; Fußwaschung; Gebet am Ölberg; Gefangennahme Christi; Christus vor Pilatus; Geißelung Christi; Dornenkrönung und Verspottung
Der Passionszyklus auf den Tafeln des Mittelschreins beginnt mit einem Ereignis, das alle vier Evangelien schildern. Das Volk erkennt in Jesus den Gesalbten Sohn Gottes, jubelt ihm zu und breitet ihm die Kleider aus [...]. Der Maler hat Jesus auf der Eselin so groß an den vorderen Bildrand gerückt, dass fast die gesamte Bildfläche gefüllt ist. Nur drei Personen sind als Volksmasse hinter ihm sichtbar, einer von ihnen bereitet seinen Mantel aus. Ein mächtiger Baum bildet den Hintergrund, auf eine Ortsangabe wurde verzichtet.
2. Bild: Die Apostel sitzen um einen quadratischen Tisch, auf dem Brot und das Lamm in einer Schale stehen. [...] In der Größe hervorgehoben ist Christus mit dem Haupt des schlafenden Johannes an der Brust, ein Motiv, das auf das Johannesevangelium 13, 23, zurückgeht. Über den Tisch hinweg reicht er Judas den Bissen und bezeichnet ihn damit als jenen, der ihn verraten wird, so wie es das Johannesevangelium 13, 23-26 berichtet. Durch das Gewand in Gelb, der im Mittelalter verrufenen Farbe, und durch die roten Haare ist der Verräter gekennzeichnet. Er versteckt den Geldbeutel mit dem Lohn für den Verrat hinter seinem Rücken. Ebenfalls am vorderen Bildrand sitzt ihm ein weiterer Apostel trinkend gegenüber, so dass das Handlungsmotiv in einer zentralen Dreieckskomposition hervorgehoben ist. Links am Bildrand steht ein Jünger, der Wein in einen Kelch gießt, während die übrigen, in der Größe auffallend kleiner wie Statisten gezeigt, dem ungeheuerlichen Geschehen beklommen zuschauen.
3. Bild: Kniend wäscht Jesus dem greisen Petrus die Füße. Die Jünger sehen wie Zuschauer in einem Theater dem Vorgang zu. Nur das Johannesevangelium 13, 1-15 schildert dieses Ereignis, dem eine altorientalische Sitte zugrunde liegt. Dort nahmen Sklaven in der Regel das Reinigungsbad vor [...]. So weigerte sich auch Petrus, bis ihm Christus erklärte: 'Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir.' Sein erniedrigender Dienst sollte das Beispiel sein, sich gegenseitig die Füße zu waschen, und war Ausdruck seines Gebotes, 'dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe'.
4. Bild: Nach dem Abendmahl war Jesus mit seinen Jüngern zum Garten Gethsemane am Ölberg gegangen. Den Berichten bei Matthäus 26, 36-46 und Markus 14, 32-42 zufolge ließ er seine Jünger am Eingang des Gartens zurück, nur Petrus, Johannes und Jakobus nahm er mit hinein. Auf der Tafel nun sieht man die drei schlafenden Jünger, der blondgelockte Johannes ist in kindlich tiefen Schlaf gesunken und lehnt sich an Jakobus. Petrus hat sein Messer zu Boden gelegt und wird fast vom Schlaf übermannt, während Jesus auf einer Felsplatte in die Knie gesunken ist und mit erhobenen Händen betet, dass der Kelch an ihm vorübergehen möge. Dieser steht auf hohem Felsmassiv, ein Symbol des göttlichen Zornes [...]. Im Hintergrund sieht man den von Bäumen verdeckten Flechtzaun, der den Garten umgibt. Die überdachte Pforte ist geöffnet, Judas tritt hinein, ihm folgt die Schar der Häscher in Rüstung und mit Lanzen.
5. Bild: Die Tafel stellt dar, wie die Schar der Gerüsteten Jesus erreicht hat und Judas ihn zum Zeichen des Erkennens küssend umarmt. Der erste der Tempelwächter mit geschlossenem Visier greift nach ihm, und der Fackelträger, der die nächtliche Szene beleuchtet, fasst nach seinem Gewand. Der so Bedrängte wehrt sich nicht, seine Rechte hält das von Petrus mit dem Schwert abgeschlagene Ohr das Malchus, um es dem am Boden liegenden Knecht wieder anzufügen. Die Laterne, die zum Symbol der nächtlichen Ergreifungsszene wurde, hat Malchus im Sturz zu Boden geworfen.
6. Bild: Der gefesselte Christus wird von Kriegern - einer der Gerüsteten ist mit der hohen Mütze als Jude charakterisiert - dem römischen Prokurator vorgeführt, um ihn als politischen Hochverräter, der nach dem jüdischen Königsthron trachtet, anzuklagen und die schmähliche Todesstrafe durch Kreuzigung zu erwirken. Da Juden das Richthaus der Heiden nicht betreten durften, nimmt Pilatus die Anklage vor seinem Haus entgegen. Ein grüner Vorhang ist aufgespannt, vor dem er thront. Pilatus, mit einer prächtigen Renaissanceschaube, großem Pelzkragen und orientalischem Turban, sitzt auf einem phantasievoll ausgeschmückten Sessel, der aus mehreren aufgeplatzten Granatäpfeln besteht [...]. Die eigentümliche Gestaltungkann auf die Verschmelzung von verschiedenen Elementen aus der Graphik Cranachs herrühren.
7. Bild: Nach dem römischen Recht war die Geißelung ein Akt der gerichtlichen Vollstreckung, mit dem die Verurteilung bestätigt und die Kreuzigung eingeleitet wurde. Zwei Schergen schlagen hier nicht mit Geißeln, sondern mit Rutenbündeln auf den entkleideten, mit den Händen an die Säule gefesselten Jesus ein. [...] Ein dritter Knecht kniet am Boden, um die - hier allerdings nicht sichtbare - Dornenkrone zu flechten. Mit dieser Darstellung wird die nächste Szene der Demütigung angekündigt und vorbereitet.
8. Bild: Um die Schultern Christi hat man den Purpurmantel gelegt. Er sitzt gefesselt auf einem Podest, sein Körper zeigt die blutenden Wunden der Geißelung. Zwei Schergen drücken mit einer langen Stange die aus dornigen Ästen geflochtene Krone auf sein Haupt. Der dritte ist vor ihm niedergekniet, zieht seinen Hut und überreicht ihm spottend einen dürren Zweig als Zepter. Die Schergen führen ihr grausames Werk recht unbeteiligt, wie eine beliebige Arbeit, aus. Fast mitleidend ist das noch kindliche Gesicht des linken Knechtes dem Betrachter zugewendet. Die Aktion wirkt wie erstarrt, die Schergen bilden den Rahmen für die in sich ruhende Gestalt des ergeben und hoheitsvoll Duldenden.
[Sachs 1989, 51-67]
Innenseite des Flügels: Schnitzfiguren