Das Doppelbildnis Martin Luthers und Katharina von Boras aus dem Melanchthonhaus in Bretten zeigt Luther in schwarzer Schaube und von Bora mit Fellkragen und Haarnetz. Die Darstellung Luthers entspricht der bereits 1528 entwickelten Version, während Katharina von Bora in veränderter Kleidung den vormals an die Betrachtenden gerichteten Blick nun Luther
Das Doppelbildnis Martin Luthers und Katharina von Boras aus dem Melanchthonhaus in Bretten zeigt Luther in schwarzer Schaube und von Bora mit Fellkragen und Haarnetz. Die Darstellung Luthers entspricht der bereits 1528 entwickelten Version, während Katharina von Bora in veränderter Kleidung den vormals an die Betrachtenden gerichteten Blick nun Luther zuwendet. Am linken Bildrand sind über Luthers Schulter Jahreszahl und Schlangensignet in schwarzer Ausführung angebracht. Die Brettener Bildnisse gehören zu den mit Inschriften versehenen Exemplaren, die die Dargestellten mit Namenskürzeln identifizieren und mit programmatischen Bibelversen verknüpfen.[1]
Im Infrarotreflektogramm, aber auch mit bloßem Auge, ist die feine Unterzeichnung der Gesichtskonturen deutlich sichtbar.[2] Sowohl die Außen- als auch die wesentlichen Binnenkonturen sind in dünnem Strich ausgeführt. Die Deckungsgleichheit der Gesichtskonturen mit den weiteren Exemplaren dieser Bildnisserie sowie Charakteristika[3] der Unterzeichnung sprechen für die Verwendung einer Pause zur Übertragung der Gesichtsformen von einer Vorlage auf den Malgrund.[4] Auffällig ist eine geschwungene Linie links der Stirn Katharina von Boras, die ohne Bezug zur ausgeführten Malerei bleibt. Sie erklärt sich im Vergleich zum 1525 entwickelten, in der Darstellung kleineren Bildnistypus III, bei dem sich das Haarnetz seitlich der Stirn abzeichnet. Auch in der 1528 entstandenen, in der Darstellung bereits vergrößerten Version ist die Form der Haube in ähnlicher Form angelegt. Offenbar orientierte man sich beim Anfertigen der neuen Pauszeichnung an diesen Vorlagen, erkannte das Detail aber angesichts der nun veränderten Blickrichtung als perspektivisch unvorteilhaft und korrigierte es im Malprozess.[5]
Das Brettener Doppelbildnis gehört zu den wenigen Beispielen mit originalen Rahmen.[6] Beide sind augenscheinlich aus Laubholz gearbeitet und mit den wohl ebenfalls originalen Scharnieren verbunden.[7] Das vergoldete Profil aus Karnies und Wasserschlag wird außen durch einen schwarz gestrichenen Steg eingefasst. Die zu den Bildseiten schließenden Rahmen sind zusätzlich mit einem Überfallhaken auf der gegenüberliegenden Seite zu arretieren, was den Transport und die Handhabung der Tafeln erleichterte.[8]
Während für Bildnisdiptychen, die wie ein Buch auf- und zugeklappt werden konnten, gemeinhin im 16. Jahrhundert eine Aufbewahrung im verschlossenen Zustand in Truhen angenommen wird,[9] legen historische Quellen auch nahe, dass Doppelbildnisse Luthers und Katharina von Boras an der Wand angebracht waren.[10]
Daniel Görres, Wibke Ottweiler
[1] Der Wahlspruch Luthers „IN SILENCIO ET SPE ERIT FORTITVDO VESTRA“ entstammt Jesaja 30,15 und wird bei Luther übersetzt als „Durch stille sein und hoffen würdet ir starck sein.“ (WAB 11/I, S. 96). Beim Bildnis Katharina von Boras heißt es: „SALVABITVR PER FILIORUM GENERACIONEM“ (1. Tim. 2,15); in der Übersetzung Luthers: „Sie wirt aber selig werden durch kinder geperen“ (WAB 7, S. 262); vgl. zu den Inschriften auch den Text zu Bildnisgruppe IV.
[2] Die Sichtbarkeit der Unterzeichnung dürfte durch eine altersbedingte Transparenzerhöhung des Bleiweißanteils im Inkarnat verstärkt worden sein.
[3] Die feinen Linien scheinen abschnittsweise von regelmäßig auftretenden, ca. 1–1,5 mm langen anschwellenden Sequenzen überlagert zu werden, wodurch ein gestrichelt wirkendes Erscheinungsbild entsteht. Vereinzelt treten kurze Dopplungen von Linien auf, so beispielsweise an der Kinnkontur.
[4] Vergleichbare Befunde sind nachweisbar bei IV.M2–IV.M4, IV.M14 und IV.M15.
[5] Vgl. zur Unterzeichnung die Einleitung zu Bildnisgruppe IV.
[6] Innerhalb der vorliegenden Gruppe der Luther-Bildnisse treten im Original erhaltene Klapprahmen außerdem bei den Beispielen in Darmstadt (IV.M6) und Gotha (IV.M11) auf.
[7] Die Scharniere sind passgenau in Aussetzungen der Rahmenschenkel eingefügt und waren mit je sechs handgeschmiedeten Nägeln befestigt, von denen einige bei einer 1992 erfolgten Restaurierung ersetzt wurden; vgl. dazu den Restaurierungsbericht im Melanchthonhaus Bretten, Signatur K 2385.
[8] Ob dieser zu der entstehungszeitlichen Ausstattung der Bildnisse gehörte, muss offen bleiben.
[9] Vgl. Dülberg 1990, S. 60. Dies ist jedoch nur durch wenige Quellen belegbar.
[10] Vgl. hierzu Text zu Bildnisgruppe III.
Quellen / Publikationen:
Ausst.-Kat. Dresden 1899, Nr. 43; Museum-digital: https://nat.museum-digital.de/object/59735 (Zuletzt aufgerufen: 16.05.2022).