Mit den Darstellungen Luthers, barhäuptig mit schwarzer Schaube, und Katharina von Boras mit schwarzem, über dem Leib geschnürten Kleid, das wie ihr Haarnetz Brokatbänder als Zierde aufweist, zeigen sich die vorliegenden Tafeln motivisch als typische Vertreter der Bildnisgruppe III.
Die Porträts wurden auf hochrechteckigen, etwa 3–4 mm dünnen Buchenholzbrettchen mit vertikalem Faserverlauf ausgeführt, die rückseitig sehr sorgfältig geglättet sind.[2] In die weiße Grundierung der Tafeln sind umlaufend am Rand dünne Linien zur Angabe der Malfläche eingeritzt. Nachfolgend aufgeleimte Rahmenleisten decken den so gekennzeichneten Randbereich ab. Eine Unterzeichnung der Gesichtskonturen ist nicht eindeutig feststellbar.[3] Da die Konturlinien der Köpfe auf den vorliegenden Tafeln mit denen in Eisenach (III.M12a), einer Version in Privatbesitz (III.M14a) und einem vormals in Wittenberg befindlichen, im Zweiten Weltkrieg verschollenen Exemplar (III.M13a) nahezu deckungsgleich sind, kann die Verwendung einer Pause vermutet werden.[4] Obschon die Maltechnik mit wenigen dünnen Schichten, hohen Flächenkontrasten und einzelnen, markant gesetzten Akzenten anderen Werken der Bildnisserie entspricht, hebt sich das Wolfenbütteler Exemplar durch einige Besonderheiten von diesen ab: Das Inkarnat erscheint differenzierter ausgemischt und mit kräftigeren Rot-Nuancen sowie pastosen Weißhöhungen akzentuiert. Die Gesichtszüge wirken markanter.[5] Das Deckhaar ist etwas voluminöser und lockiger gestaltet und der hoch stehende Mantelkragen mit ausgeprägter Spitze sehr prägnant vor dem Hintergrund platziert. Einzigartig erscheint die Ausführung des Signets der Cranach-Werkstatt am linken Bildrand des Luther-Bildnisses als Schlangenkörper ohne Flügel.[6]
Das Wolfenbütteler Doppelbildnis ist eines der wenigen, das sich im Verbund mit seinen ursprünglichen Rahmenleisten erhalten hat.[7] Die frontal vergoldeten Zierleisten wurden auf die Tafelränder der bereits bemalten Bretter aufgeleimt, die Rückseite der Bretter sowie Außenkanten von Tafeln und Rahmen anschließend schwarz gestrichen.[8] Spuren an beiden Rahmen deuten auf frühere Verbindungs- und Verschlusselemente zum Klappen und Verschließen der Tafeln hin.[9] Die Rückseiten beider Bildnisse zeigen am oberen Tafelrand jeweils mittig ein Loch mit den Resten von Metallnägeln, die zur Aufhängung gedient haben könnten.[10]
Der Verbund der Rahmen über Scharniere zu einem Diptychon entsprach einer für Doppelbildnisse dieser Art geläufigen Praxis und ermöglichten ein Auf- und Zuklappen, vergleichbar mit einem Buch.[11] Auf diese Weise waren die Bildnisse geschützt und konnten leicht transportiert werden. Anders als die Mehrzahl der auf diese Weise verbundenen Tafeln weisen die vorliegenden, ebenso wie ihre Varianten innerhalb der Bildnisgruppe III, keine rückseitige Bemalung auf. Dies ermöglichte zweifellos eine schnellere und günstigere Produktion der Tafeln und mag auch als Indiz gedeutet werden, dass sie für eine Anbringung an der Wand bestimmt gewesen waren.[12]
Daniel Görres, Wibke Ottweiler
[1] Vgl. Wenzel / Matthey 2012, S. 63–69, Nr. 8.
[2] Aufgrund des ab etwa 1522 einsetzenden Gebrauchs von Buchenholz als bevorzugtem Bildträger in der Cranach-Werkstatt, der standardisierten Abmessungen und der Beschaffenheit der dünnen, besonders ebenen und glatten Tafeln dieser Bildnisserie wurde mehrfach der Eintritt eines neues Schreiners in die Cranach-Werkstatt um 1520/1522 vermutet. Die Gründe für die Wahl der in dieser Zeit in Europa bis auf wenige Ausnahmen völlig unüblichen Holzart wurden zuletzt von Heydenreich 2017, S. 258–259, in der zeitweisen Verlegertätigkeit Cranachs und der zwischen 1523 und 1526 zusammen mit Christian Döring betriebenen Druckerei vermutet.
[3] Einzig an den Stirnfalten scheinen sich dunkle Linien unter der Inkarnatsfarbe abzubilden. Möglicherweise sind diese mit der Absicht, durch die Malerei hindurch sichtbar zu bleiben, aufgebracht worden. Wenige weitere Formen könnten durch einzelne kurze Striche gekennzeichnet sein, wie dies an Vergleichswerken (III.M15–III.M19*) zu beobachten, beim Wittenberger Exemplar aber nicht eindeutig nachweisbar ist. An den weiteren Exemplaren der Serie (III.M12–III.M14) sind ebenfalls keine eindeutigen Unterzeichnungsspuren feststellbar.
[4] Damit weisen diese vier Versionen einen geringfügig größeren Darstellungsmaßstab auf als die übrigen Exemplare dieser Bildnisserie (III.M11a, III.M12a, III.M13a und III.M14a), die demnach nicht mithilfe einer einzigen Pause hergestellt worden ist. Die beiden Bildnisse zeichnen sich überdies durch ein differenzierter ausgemischtes Inkarnat mit intensiveren Rot-Nuancen an Wangen und Augenlidern sowie den Auftrag von pastosen Weißhöhungen aus (vgl. kunsttechnologischer Untersuchungsbericht von [SE_NMS_5017]). Ob diese besonders qualitätvoll erscheinenden Exemplare (und möglicherweise auch die beiden weiteren zu dieser Untergruppe zählenden Werke III.M13 und III.M14) ohne Zuhilfenahme einer Pause entstanden sein könnten, oder ob hier möglicherweise ein anderes Farbmaterial verwendet wurde, konnte im Rahmen dieser Untersuchung nicht geklärt werden.
[5] Es erscheint damit und in seiner hohen malerischen Qualität vergleichbar mit dem Exemplar in Eisenach (III.M12).
[6] Der Verlust der Flügel durch eine spätere Beschädigung ist angesichts des intakten Bildbereichs auszuschließen. Die fehlenden Schlangenflügel beim Bildnis eines Knaben ([DE_WRMK_WRM874] von 1529 sind vermutlich auf eine spätere Tilgung oder Beschädigung zurückzuführen, wie Farbreste oberhalb des Schlangenkörpers annehmen lassen.
[7] Unter den acht erhaltenen Exemplaren weist ansonsten nur noch das Exemplar aus Schleswig (III.M15) die originalen Rahmen auf.
[8] Die profilierten Leisten (Wasserschlag – Platte) sind auf Gehrung geschnitten und die Ecken durch diagonal eingesetzte Holzstifte stabilisiert.
[9] Leimreste sowie ein ausgekittetes Loch in den einander zugewandten Rahmenschenkeln beider Bildnisse deuten auf ehemals vorhandene Verbindungselemente hin. An den äußeren Rahmenschenkeln verweisen eine eingeschlagene Öse sowie ein Loch, das zur Aufnahme eines Hakens gedient haben könnte, auf einen Verschluss zum Arretieren der zugeklappten Bildtafeln. Auch wenn die heutige Öse nicht ursprünglich sein dürfte, wäre ein in der Funktion vergleichbares Verschlussteil zu erwarten. Vgl. IV.M12 für einen erhaltenen Haken zum Verschließen der über zwei Scharniere verbundenen Tafeln.
[10] Beim Bildnis der Katharina von Bora könnte es sich dem rechteckigen Schaft-Querschnitt nach um einen alten, handgeschmiedeten Nagel handeln, beim Luther-Bildnis ist der deutlich dünnere Nagel jüngeren Datums.
[11] Vgl. etwa Dülberg 1990, S. 65–83.
[12] Eine Anbringung an der Wand legt das Nachlassinventar des Christoph Scheurls aus dem Jahr 1542 nahe, wo Bildnisse Luthers und von Boras unter einer Altane „in der kamer gegen hof“ (zitiert nach Soden 1837, S. 89) angebracht waren. Glaubt man dem Bericht aus den Tischreden Luthers, war ein einzelnes Bildnis Cranachs der Katharina von Bora an der Wand im Hause des Reformators angebracht, vgl. WATr 3, S. 379, Z. 1–6. Für andere in Serie gefertigte Bildnisse fand die Cranach-Werkstatt eine ökonomische Art des Rückseitenschmucks, so etwa bei den um 1532 in hoher Stückzahl gefertigten Doppelbildnisse Friedrichs III. von Sachsens und seines Bruders und Amtsnachfolgers Johann. Die Rückseiten der Friedrich-Bildnisse wurden mit einem gedruckten kursächsischen Wappen beklebt, das sich auf vielen Exemplaren erhalten hat, vgl. etwa [DE_KSW_G7], [DE_smbGG_636], [HU_SMB_1341], [CZ_NGP_DO4573], [CH_KMBe_G0591], [F_MdLP_1181], [UK_BM_SLPictures-271].
Quellen / Publikationen:
Flechsig 1900a, S. 259–260; Meier / Steinacker 1904, S. 161, Nr. 21–22; Friedländer / Rosenberg 1932, S. 60, Nr. 160f.; Friedländer / Rosenberg 1979, S. 108, Nr. 189–190C; Ausst.-Kat. Madrid 2007, S. 297, 314–315, Nr. 127–128; Wenzel / Matthey 2012, S. 63–69, Nr. 8, 9.