Die in einen schwarzen Wams mit weiten Ärmeln gehüllte Figur Luthers wird, vor einen dunkelgrünen Hintergrund gesetzt, in der Verkleidung als „Junker Jörg“ in einem deutlich weiteren Bildausschnitt als die Bildnisse gleichen Motivs aus Leipzig (II.M1) und Weimar (II.M2) gezeigt. Die Hände ruhen auf Hüfthöhe,[1] der Blick richtet sich nach
Die in einen schwarzen Wams mit weiten Ärmeln gehüllte Figur Luthers wird, vor einen dunkelgrünen Hintergrund gesetzt, in der Verkleidung als „Junker Jörg“ in einem deutlich weiteren Bildausschnitt als die Bildnisse gleichen Motivs aus Leipzig (II.M1) und Weimar (II.M2) gezeigt. Die Hände ruhen auf Hüfthöhe,[1] der Blick richtet sich nach rechts. Das von braunem Kopf- und Barthaar gesäumte Gesicht hebt sich gegen die Dunkelheit des Grundes deutlich ab.
Während das vorliegende Bildnis zum Beginn des 20. Jahrhundert noch als ein eigenhändiges Werk Cranachs d. Ä. oder seiner Werkstatt galt, wiesen es Friedländer und Rosenberg 1932 erstmals als spätere Kopie nach Cranach aus; eine Meinung, die sich in den folgenden Jahren durchsetzte.[2] Entsprechend wurde bald eine Datierung um 1521/1522 aufgegeben, ohne dabei alternative Vorschläge in die Diskussion einzubringen. Im Rahmen des KKL verbindet sich damit die Fragestellung, ob es dem Untersuchungszeitraum bis 1530 zuzuordnen ist. Diese Frage stellt sich auch insofern, als Darstellungen Luthers als „Junker Jörg“ aus der Cranach-Werkstatt auch nach 1530 bekannt sind. Im Bestand des Muskegon Museum of Art befindet sich ein Doppelbildnis, das den „Junker Jörg“ kombiniert mit einem Porträt der Katharina von Bora zeigt. [3] Das auf hellgrünem Grund ausgeführte Luther-Bildnis aus Muskegon trägt die Jahreszahl 1537 und weist den gleichen Bildausschnitt wie das Londoner Porträt auf, weshalb hier eine Datierung nach 1530 erwogen wird.[4]
Das Londoner Bildnis wurde auf einer Tafel aus zwei vertikal ausgerichteten, stumpf zusammen gefügten Buchenholzbrettern ausgeführt, die umlaufend auf ca. 5–6 mm Kantenstärke gefalzt wurde, eine für Tafeln dieses Formats in der Cranach-Werkstatt gängige Bearbeitung. Auf der weißen Grundierung ist weder mit bloßem Auge noch im Infrarotreflektogramm eine Unterzeichnung nachweisbar. Die Gesichtskonturen zeigen in der Überblendung große Ähnlichkeiten mit denen des Weimarer und Leipziger Bildnisses, weichen aber in der Augenpartie durch einen deutlich größeren Augenabstand von diesen ab.[5] Die kunsttechnologische Untersuchung ergab, dass sowohl der Hintergrund als auch die Darstellung Luthers sehr stark überarbeitet wurden. Das dunkelgrüne Kolorit des Hintergrundes ist auf eine vollflächige Übermalung zurückzuführen. Das darauf liegende Schlangensignet mit angewinkelten Flügeln ist daher nicht authentisch.[6] Unter der Übermalung ist im Mikroskopbild ein helleres Grün nachweisbar. Das Inkarnat zeigt sich durch Bereibungen und diese ausgleichende Retuschen so massiv überarbeitet, dass keine Beurteilung der Qualität der Malerei mehr möglich scheint. Einzig der Bereich der Augen erlaubt einen Vergleich: Dieser zeigt, dass das einzelne, jeweils links neben den Pupillen platzierte Reflexlicht in den Augen Luthers von den Ausführungen in Leipzig, Weimar und Muskegon abweicht.[7]
Insgesamt erschwert der überarbeitete Zustand des Gemäldes eine Einordnung hinsichtlich Datierung und Zuschreibung erheblich. In diesem Zusammenhang wäre eine dendrochronologische Untersuchung des Bildträgers wünschenswert, die im Rahmen des KKL nicht stattfinden konnte. Auf Grundlage der Befunde zu Bildträger und Malschicht wird eine Entstehung in oder im Umfeld der Cranach-Werkstatt nicht ausgeschlossen.
Daniel Görres, Wibke Ottweiler
[1] Ein Schwertknauf, der bei anderen Darstellungen dieser Art an dieser Stelle vorzufinden ist, kann in diesem Bereich heute nicht mehr ausgemacht werden, was aber auf den schlechten Erhaltungszustand der Malerei zurückzuführen sein kann.
[2] Die Royal Collection führt das Gemälde heute unter „ehemals Lucas Cranach dem Älteren zugeschrieben“, vgl. https://www.rct.uk/collection/search#/21/collection/402656/martin-luther-as-junker-jorg (Zuletzt aufgerufen: 11.09.2021).
[3] Museum of Art, Muskegon, Inv.-Nr. 39-5 und 39-6, vgl. Cranach Digital Archive: [US_MMA_39-5] und [US_MMA_39-6].
[4] Ein weiteres Doppelbildnis aus der Stadtkirche Penig, als Dauerleihgabe in der Wartburg-Stiftung Eisenach, zeigt ebenfalls dieses Bildformular und die Jahreszahl 1537. Bei diesem Exemplar dürfte es sich aber um eine spätere Kopie handeln, vgl. dazu [DE_ELKP_001] und [DE_ELKP_002].
[5] Die Versionen aus Muskegon und Penig zeigen deutliche Abweichungen der Gesichtskonturen.
[6] Laut Cust 1911, S. 52, lag der heute sichtbare Hintergrund samt Signatur vormals unter einem opaken Firnis. Erst dessen Abnahme stellte den heute sichtbaren Zustand her.
[7] Bei den Werken in Leipzig, Weimar und Muskegon sind je vier Reflexlichter rechts des Randes der Pupillen gesetzt.
Quellen / Publikationen:
Cust 1909; Cust 1911, S. 54; Anonym 1922, S. 71, Nr. 305; Baker 1937, S. 66, Tf. 23; Friedländer / Rosenberg 1932, S. 54; Ausst.-Kat. London 1946, S. 60, Nr. 139; Friedländer / Rosenberg 1979, S. 100, Nr. 149B.