Martin Luther als Halbfigur nach rechts

Martin Luther als Halbfigur nach rechts

Titel

Martin Luther als Halbfigur nach rechts

[KKL 2022]

Malerei auf Buchenholz (Fagus sp.)

Material / Technik

Malerei auf Buchenholz (Fagus sp.)

[Klein 06.08.2020a]

Unter den zahlreich erhaltenen Bildnissen Martin Luthers erscheint die Darstellung in Verbindung mit Johann Friedrich I. von Sachsen als Unikum, treten doch im Medium der Malerei sonst ausschließlich die Bildnisse der Katharina von Bora oder des Philipp Melanchthon als Pendants zu Luther auf.[1] Die beiden Dargestellten sind einander zugewandt und

Unter den zahlreich erhaltenen Bildnissen Martin Luthers erscheint die Darstellung in Verbindung mit Johann Friedrich I. von Sachsen als Unikum, treten doch im Medium der Malerei sonst ausschließlich die Bildnisse der Katharina von Bora oder des Philipp Melanchthon als Pendants zu Luther auf.[1] Die beiden Dargestellten sind einander zugewandt und vor einen blaugrauen Fond gesetzt. Das Luther-Bildnis folgt dem ab 1529 auftretenden Typus mit größerem Bildausschnitt und ineinander gelegten Händen, die sich gegen die schwarze Schaube absetzen. Dem Bildnistypus entsprechend trägt Luther ein schwarzes Barett auf lockigem Haupt, das Gesicht zeigt einen leichten Bartschatten. Sein Blick gilt ebenso den Betrachtenden wie derjenige Johann Friedrichs, welcher ein schwarzes Gewand über einem weißen Leibhemd mit Goldbrokat- und Perlenbesatz sowie eine dreireihige Kette um seinen Hals trägt. Den Zeigefinger seiner linken Hand ziert ein mit Edelstein besetzter Ring, das schwarze Barett ist mit einem Federbausch und einer Brosche geschmückt. Diese besteht aus einer grünblauen Gemme mit dem Motiv der Venus mit Amor als Honigdieb, das Cranach wenige Jahre zuvor als eigenständiges Sujet in seine Malerei eingeführt hatte.[2]

Die gemeinsame Provenienz der beiden Werke lässt sich bis in das Augsburger Bürgertum des 17. Jahrhunderts zurückverfolgen. Das im Stadtarchiv Augsburg verwahrte „Inventarium des innerlichen Kirchenschmucks, Bücher und anderer Sachen bey St. Anna“ weist für das Jahr 1722 die beiden Tafeln als Stiftung eines „Jenisch ledig“ aus.[3] In seiner Stadtbeschreibung Augsburgs erwähnt Paul von Stetten 1788 ein Bildnis Luthers „unter [der Emporkirche], über den Sitzen der Ratsherren“ der Anna-Kirche, jedoch in Kombination mit einem Porträt Philipp Melanchthons,[4] das aber in einem Inventar des Jahres 1744 nicht nachweisbar ist, wahrscheinlich also erst nach diesem Jahr in die Kirche St. Anna gekommen ist.[5] Zu diesem Zeitpunkt scheint sich das Bildnis Johann Friedrichs außerhalb des öffentlich zugänglichen Bereichs befunden zu haben.

Beide Tafeln bestehen aus drei vertikal ausgerichteten, maximal 12 mm dicken Brettern mit auffällig roh belassenen Rückseiten, die deutliche Spuren von der Aufspaltung des Stammes sowie Züge eines Schropphobels zeigen.[6] Die Bretter sind mit stumpfem Stoß gefügt und durch Kaschierungen gesichert.[7] Das mittlere Brett des Luther-Bildnisses sowie die beiden seitlichen Bretter des Kurprinzen-Porträts stammen aus demselben Buchenstamm wie 39 weitere Bretter von insgesamt 26 Gemäldetafeln aus der Cranach-Werkstatt.[8] Der jüngste nachweisbare Jahrring unter diesen Brettern stammt aus dem Jahr 1524, der jüngste Jahrring des Luther-Bildnisses lässt sich auf 1527 datieren.[9] Bei einer Lagerungsdauer der Bretter von mindestens zwei Jahren kann das Kurprinzen-Bildnis ab 1526, sein Gegenstück ab 1529 entstanden sein. Ein umlaufender Falz gleicher Breite und Tiefe diente vermutlich dazu, die Tafeln in Nutrahmen einzufügen. Auch wenn sich die mit schwarzer Farbe aufgebrachte Jahreszahl 1529 der Luther-Tafel mit dem dendrochronologisch ermittelten, frühestmöglichen Entstehungsjahr deckt, handelt es sich sowohl bei der Jahreszahl als auch bei dem darunter angebrachten Schlangensignet in ihrer heutigen Ausführung um spätere Hinzufügungen.[10] Obwohl das Luther-Porträt in seiner Grundanlage den Bildnissen der Gruppe IV, im speziellen jenen mit deutlich größerem Bildausschnitt,[11] entspricht, zeigt es bemerkenswerte Abweichungen zu den übrigen Werken dieser Gruppe: Beide Tafeln sind deutlich größer ausgeführt als alle anderen Vertreter der Bildnisgruppe.[12]

Bermerkenswert ist zudem, dass die Hintergrundgestaltungen der beiden Tafeln voneinander abweichen. Der beim Bildnis Luthers gesetzte Schlagschatten des Kopfes auf den Hintergrund fehlt bei Johann Friedrich.[13] Auch die Farbe des Hintergrundes zeigt eine unterschiedliche Zusammensetzung: Wurden bei Luther Kupferblau und Bleiweiß mit dem geringen Zusatz eines roten Lacks ausgemischt, so kamen beim Bildnis Johann Friedrichs Pflanzenschwarz und Bleiweiß mit einem geringen Zusatz von rotbraunen Ockerpigmenten zum Einsatz.[14] Der Farbeindruck weicht dadurch wenig, aber merklich voneinander ab. Deutlich unterscheiden sich beide Varianten in Farbzusammensetzung und -wirkung von den zwischen 1528 und 1530 in der Cranach-Werkstatt entstandenen Luther-Bildnissen.[15] Diese Unterschiede heben die Bildnisse nicht nur deutlich von den anderen Exemplaren der Bildnisgruppe IV ab, sondern sie stellen auch die konzipierte Zusammengehörigkeit der beiden Gemäldetafeln als ein Bildnispaar infrage. Für eine solche These sprechen neben den identischen Formaten auch die einheitliche Bearbeitung der Buchenholztafeln sowie der sich kompositorisch ergänzende Bildaufbau. Luther sitzt höher im Bild, wodurch sich die durch seine schwarze Schaube gefüllte Fläche merklich vergrößert. Auch sein Barett ist voluminöser ausgeführt. Diese Abweichungen könnten aus der formalen Angleichung an das Pendant mit der breiteren Anlage des Oberkörpers und der auffälligen Kopfbedeckung Johann Friedrichs resultieren.

Insgesamt lassen die Befunde keinen sicheren Schluss darüber zu, ob bzw. wann die beiden Bildnisse als Paar gefertigt wurden.

Seit dem Tod seines Vaters Johann I. am 16. August 1532 initiierte der neue Kurfürst Johann Friedrich im Bestreben, seinen Kurfürstentitel gegenüber Reich und Kaiser zu legitimieren, eine wahre Bildnisoffensive. Diese umfasste neben dutzenden kleinformatigen Doppelbildnissen der Kurfürsten Friedrich III. und Johann I.[16] mehrere Werke, die Johann Friedrich in die Reihe seiner Amtsvorgänger setzte. Ein prominentes Beispiel ist etwa das ebenfalls um 1532 entstandene sogenannte „Kurfürstentriptychon“ der Hamburger Kunsthalle, in dem Mitteltafel und Flügel von je einem Kurfürsten besetzt werden. Johann Friedrich nimmt dabei den rechten Flügel ein und bildet das in Leserichtung nächste Glied einer Abfolge der Kurfürsten Friedrich (linker Flügel) und Johann (Mitteltafel).[17] Das vorliegende Bildnis entspricht dagegen der Darstellung Johann Friedrichs auf dem 1531 datierten Bildnis im Louvre[18], das den Ernestiner in prächtigem Gewand und Schmuck zeigt.[19] Eine Datierung in diesem Zeitraum erscheint daher zumindest für das Johann Friedrich naheliegend. Das Luther-Bildnis könnte dem dendrochronologischen Befund nach ab 1529 entstanden sein.

Wie die kunsttechnologischen Beobachtungen gezeigt haben, entstammen die beiden vorliegenden Bildnisse jedoch nicht der typischen Serienproduktion der Cranach-Werkstatt für die Jahre 1528 bis 1530, sondern stellen individuelle Ausarbeitungen dar, die – anders als die Werke der erwähnten Bildniskampagne Johann Friedrichs – nicht als Träger einer politischen Botschaft, sondern als Ausdruck einer persönlichen Verbundenheit angesehen werden müssen.

Daniel Görres, Wibke Ottweiler


[1] Sowie ab 1532 Bildnisse Philipp Melanchthons. Für Beispiele von Luther-Bora-Doppelbildnissen mit dem vorliegenden weiten Bildausschnitt vgl. IV.M22 und IV.M23.

[2] Das früheste, etwa um 1525 anzusetzende Beispiel für dieses Motiv findet sich in der National Gallery, London, vgl. [UK_NGL_6344]; ein Exemplar aus dem Staatlichen Museum Schwerin ist mit der Jahreszahl 1527 das früheste inschriftlich datierte Exemplar, das heute bekannt ist, vgl. [DE_SMS_G199].

[3] Verzeichnet ist die Schenkung aus dem Jahr 1722 im Bestand: Evangelisches Wesensarchiv, Akten 666, Specificationes […] der Malereien in St. Anna Zech gehörig, 1630–1800. Für ihre Hinweise sei Dr. Barbara Rajkay, Augsburg, herzlich gedankt. Wie Link 2013, S. 424, zeigt, muss es sich hierbei um Marx Abraham Jenisch (1677–1748) gehandelt haben, der einer angesehenen Augsburger Kaufmannsfamilie entstammte und der Neffe des Kunstsammlers, Mäzens und Augsburger Bürgermeisters Marx Anton Jenisch (1623–1674) war. Ihren heutigen Platz im Chor der St. Anna Kirche hatten die Bildnisse nicht immer: 1749 werden sie „zur rechten des bogens […] unter der oberen Empor Kirche“ verzeichnet (zitiert nach ebd., S. 427–428).

[4] Vgl. Stetten 1788, S. 162.

[5] Vgl. Ausst.-Kat. Augsburg 1997, Nr. 6.

[6] Der dunkle Rückseitenanstrich ist bei der Versäuberung insbesondere über den Brettfugen abgearbeitet worden. Sollten die Hobelspuren und die anschließenden Fugenkaschierungen entstehungszeitlich sein, spricht dies dafür, dass es sich bei dem dunklen Anstrich eher um einen Schutzanstrich der einzelnen Bretter während Transport oder Lagerung handelte als um einen Rückseitenanstrich der fertigen Gemäldetafeln. Es könnte auch auf eine längere Lagerzeit der Bretter hindeuten. Ein ähnliches Phänomen ist am Londoner „Junker Jörg“-Gemälde (II.M-Sup01) zu beobachten.

[7] Rückseitig sind die Fugen sichtbar mit Fasern verstärkt, die dem optischen Erscheinen nach Tiersehnen sein könnten. Vorderseitig verweist das in diesen Bereichen abweichende Krakelee-Bild darauf, dass die Kaschierung auch auf der Tafelvorderseite aufgebracht wurde (eine in der Cranach-Werkstatt gängige Praxis, vgl. dazu Heydenreich 2007b, S.72–73 sowie Heydenreich 2017, S. 258). Eine Verwendung von Tiersehnen als Kaschierungsmaterial ist auch bei IV.M-Sup01 nachgewiesen.

[8] Vgl. dazu die Querauswertung der dendrochronologischen Befunde in Ottweiler, Wibke: Kunsttechnologische Beobachtungen an den frühen Luther-Gemälden aus der Werkstatt Lucas Cranach d. Ä. (in Vorbereitung).

[9] Vgl. Klein (wie Anm. 1).

[10] Sowohl die Ausführung der Zahlen und des Schlangenkörpers als auch die Beschaffenheit der schwarzen Farbe weichen erheblich von den authentischen Cranach-Signets dieser Zeit ab. Zudem sind mit der Farbe ältere Malschichtsprünge und verputzte Partien im Hintergrund übermalt.

[11] Vgl. VI.M20–IV.M23.

[12] Sie sind etwa 20 cm höher und breiter als die Vergleichswerke IV.M20–IV.M23 mit durchschnittlichen Maßen von ca. 53 x 37 cm.

[13] Auf Grundlage der mikroskopischen Untersuchung der Tafel kann eine spätere Hinzufügung des Schlagschattens jedoch nicht ausgeschlossen werden. Die nur beim Luther-Bildnisses auftretende Inschrift am oberen Bildrand entspricht nicht dem originalen Zustand, auch wenn sie dem gängigen Schema der Bildnisse dieses Typus’ folgt.

[14] Vgl. Hoblyn / Freysoldt 21.03.2021a und dies. 21.03.2021b.

[15] Bei allen untersuchten Bildnissen besteht die Hintergrundfarbe aus Kupferblau und Bleiweiß ohne Zusatz eines roten oder schwarzen Farblacks bzw. Pigments. Vgl. dazu die technologischen Untersuchungsberichte im Cranach Digital Archive sowie Ottweiler, Wibke: Kunsttechnologische Beobachtungen an den frühen Luther-Gemälden aus der Werkstatt Lucas Cranach d. Ä. (in Vorbereitung).

[16] Vgl. hierzu den Rechnungsbeleg Cranachs über „60 par tefflein, doruff gemalt sein die bede churf[urste]n selige vnd lobliche gedechtnus“ (Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. Bb 4361, Bl. 44r, für Scan und Transkription vgl. [DE_ThHStAW_EGA_Reg-Bb_4361_44r].

[17] Weitere Beispiele für eine solche Verwendung im Germanischen Nationalmuseum ([DE_GNMN_Gm222c]) sowie, nur als Einzeltafel überliefert, in Enschede ([NL_RMTE_0021]). Vgl. zu diesem Themenkomplex Bierende 2006.

[18] Für dieses Bildnis, das ein deutlich geringeres Format aufweist, konnte dendrochronologisch eine Entstehung ab 1525 festgestellt werden, vgl. Klein 04.07.1997. Den Bezug zum Pariser Beispiel stellt auch Hahn 1997, Nr. 6 her.

[19] Diese Darstellung Johann Friedrichs mit Hut wird erst ab etwa 1535 wieder von der Cranach-Werkstatt aufgegriffen und in mehreren Versionen produziert.

Quellen / Publikationen:

Stadtarchiv Augsburg, Evangelisches Wesensarchiv, Akten 666, Specificationes […] der Malereien in St. Anna Zech gehörig, 1630–1800; Stetten 1788, S. 162; Ausst.-Kat. Augsburg 1997, Nr. 6 und 7; Link 2013, S. 424, 427–428, 429–430, 437, 440, 444.

Zuschreibung
Lucas Cranach der Ältere und Werkstatt

Zuschreibung

Lucas Cranach der Ältere und Werkstatt

[KKL 2022]

Datierung
ab 1529

Datierung

ab 1529

[KKL 2022]

Maße
Maße Bildträger: 76,2 x 56,0 x 1,2 cm (Tafelkanten auf 5 mm gefalzt)

Maße

  • Maße Bildträger: 76,2 x 56,0 x 1,2 cm (Tafelkanten auf 5 mm gefalzt)

  • [KKL 2022]

Signatur / Datierung

Schlangensignet mit aufgerichteten Flügeln und Jahreszahl „1529“

Signatur / Datierung

  • Schlangensignet mit aufgerichteten Flügeln und Jahreszahl „1529“

  • [KKL 2022]

Inschriften und Beschriftungen

"IN SILENCIO ET SPE ERIT FORTITVDO VESTRA"
Dieser Wahlspruch Luthers entstammt Jesaja 30,15. Luther selbst übersetzt 1528 wie folgt: …

Inschriften und Beschriftungen

Inschriften, Wappen:

  • "IN SILENCIO ET SPE ERIT FORTITVDO VESTRA"

  • Dieser Wahlspruch Luthers entstammt Jesaja 30,15. Luther selbst übersetzt 1528 wie folgt: "Durch stille sein und hoffen würdet ir starck sein." (D. Martin Luthers Werke, Weimarer Ausgabe, Bibel, Band 11.I, 96)

  • [Daniel Görres, KKL 2022]

Stempel, Siegel, Beschriftungen:

  • Rückseite: - mittig rotes Siegel, Siegelbild verloren

  • [KKL 2022]

Eigentümer
Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Anna, Augsburg
Besitzer
St. Anna Kirche, Augsburg
Standort
Augsburg
CDA ID
DE_SAA_NONE-SAA002
FR (1978) Nr.
FR-none
KKL-Nr.
IV.M24a, Teil der Bildnisgruppe IV
Permalink
https://lucascranach.org/de/DE_SAA_NONE-SAA002/

Provenienz

entstammt einer Stiftung des Augsburgers Marx Abraham Jenisch aus dem Jahr 1722
[vgl. Andreas Hahn, Exhib. Cat. Augsburg 1997, Nr. 6]

Ausstellungen

Augsburg 1997, Nr. 6

Quellen / Publikationen

Erwähnt auf Seite Katalognummer Tafel
Exhib. Cat. Augsburg 1997 6
Herausgeber/inJosef Kirmeier
Titel"...wider Laster und Sünde": Augsburgs Weg in der Reformation, Augsburg, St. Anna, 26. April - 10. August 1997
Ort der VeröffentlichungCologne
Jahr der Veröffentlichung1997
Exhib. Cat. Augsburg 1996 102
Herausgeber/inHelmut Gier
TitelReformation und Reichsstadt - Luther in Augsburg, Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 28 April - 11 August 1996
Ort der VeröffentlichungAugsburg
Jahr der Veröffentlichung1996
Stetten 1788 162
Autor/inPaul von Stetten
TitelBeschreibung der Reichs-Stadt Augsburg
Ort der VeröffentlichungAugsburg
Jahr der Veröffentlichung1788
  • Martin Luther als Halbfigur nach rechts, ab 1529

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Kunsttechnologische Untersuchung

2018 - 2021Technologische Untersuchung

  • Lichtmikroskopische Oberflächenuntersuchung
  • Infrarotreflektografie
  • Probenentnahme / Querschliff(e)
  • Holzartenbestimmung / Dendrochronologie
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Bildträger

Buche. [1] Hochrechteckige Tafel aus drei astfreien, stumpf verleimten Brettern mit vertikaler Ausrichtung. [2] Die Bretter stammen aus drei unterschiedlichen Stämmen, wobei das mittlere einem Stamm zugeordnet werden kann, der Bretter für zahlreiche weitere Gemälde der Werkstatt lieferte. [3] Der jüngste Jahrring ist im linken Brett enthalten und entstammt dem Jahr 1527. Nach Klein nutzte man bei Buchenholz normalerweise den gesamten Querschnitt und entfernte nur die Rinde. Auf dieser Basis könnte das Gemälde bei einer Mindestlagerzeit von zwei Jahren ab 1529 entstanden sein. [4]

Die maximal ca. 12 mm (mittig) starke Tafel ist umlaufend in 6 - 11 mm Breite auf 5 - 6 mm Kantenstärke gefalzt (Falz vorgeritzt). Die Rückseiten der Bretter sind vergleichsweise grob geglättet, das rechte Brett weist deutliche Spuren von der Auftrennung des Holzes mit einem Beil auf. Partiell ist die Tafel mit einem flach gewölbten Hobeleisen geglättet worden, dessen bis zu 3,5 cm breite Spuren sich nur partiell und undeutlich markieren. Dabei wurde der braune Rückseitenanstrich in mehreren Bereichen, so auch über den Brettfugen, abgetragen. Ein vergleichbares Phänomen zeigt sich am zugehörigen Bildnis des Kurfürsten Johann Friedrich und bei einem Porträt Luthers als Junker Jörg aus der Royal Collection, London. [5] Die beiden Brettfugen sind rückseitig kaschiert. [6]

[1] Peter Klein, Bericht über die dendrochronologische Untersuchung der Gemäldetafel "Martin Luther" (Augsburg St. Anna Kirche), 06.08.2020, [Analysis-report-Dendro].

[2] Brettbreiten v.l.n.r. 12,0 cm (oben) - 10,6 cm (unten) / 25,3 cm (oben) - 25,6 cm (unten) / 18,6 cm (oben) - 18,7 cm (unten).

[3] Vgl. Anm. 1 sowie die Tabelle [Analysis-Dendro-Trunk-A].

[4] Vgl. Anm. 1.

[5] Vgl. [DE_SAA_NONE-SAA003] (KKL IV.M24b), [UK_RCL_RCIN402656] (KKL.II.M-Sup01).

[6] Als Kaschierungsmaterial dienten der mikroskopischen Beurteilung nach wohl Tiersehnen. Zuletzt nachgewiesen ist die Verwendung von Rindersehnen zur Fugensicherung beispielsweise bei CH_MAS_A1950. Die Verwendung von Tiersehnen wurde in jüngerer Zeit für die Cranach-Werkstatt mehrfach nachgewiesen. Vgl. dazu Exhib. Cat. Düsseldorf 2017, S. 258. Das Kaschierungsmaterial überdeckt bearbeitete wie unbearbeitete Bereiche gleichermaßen. Sollte die Fugensicherung entstehungszeitlich sein, wären demnach für die Herstellung der Tafel Bretter verwendet worden, die bereits einen rückseitigen Schutzanstrich aufwiesen.

Grundierung und Imprimitur

Weiße Kreide-Grundierung [1], seitlich randbündig, dort partiell geringfügig über die Schmalseiten. Oben und unten unregelmäßig auslaufend, dort partiell ungrundierter Tafelrand, doch kein eindeutiger Grundiergrat. Möglicherweise war die Tafel zur Grundierung provisorisch in zwei Nutleisten eingespannt. [2] Dieses Phänomen tritt an mehreren Tafeln des Untersuchungsbestandes auf. [3]

Optisch und analytisch keine Hinweise auf eine Imprimitur. [4]

[1] Als Füllstoff wurde Calciumcarbonat analysiert. Vgl. dazu Sylvia Hoblyn und Bernadett Freysoldt, REM-EDX-Untersuchungsbericht, 21.03.2021, S. 1 - 8 [Analysis-report-REM-EDX].

[2] Vgl. dazu auch Heydenreich, Gunnar, Lucas Cranach The Elder. Painting materials, techniques and workskop practice, Amsterdam (2007), 86 - 88.

[3] Vgl. dazu z.B. [DE_MHB_1a] (KKL IV.M12a), [CH_MAS_A1950] (KKL IV.M-Sup01), [DE_LHW_G16] (KKL IV.M5), [PRIVATE_NONE-P411] (KKL IV.M23), [DE_DHM_Gm1989-1547-1] (KKL IV.M.21a).

[4] Vgl. dazu Sylvia Hoblyn und Bernadett Freysoldt, REM-EDX-Untersuchungsbericht, 21.03.2021, S. 1 - 8 [Analysis-report-REM-EDX].

Unterzeichnung

Eine Unterzeichnung ist weder mit bloßem Auge noch im Infrarotreflektogramm nachweisbar.

Farbschichten und Metallauflagen

Die einzelnen Farbflächen sind mit geringer Überlappung nebeneinander gesetzt und in folgender Reihenfolge aufgebaut: Zuerst erfolgte die flächige Anlage des Kopfes, im Inkarnat mit einem rosafarbigen Grundton, im Haar mit einem rötlichen Braunton. Das schwarze Gewand ist flächig angelegt, Kragen, Nähte und Falten sind durch Ausmischung mit Weiß gehöht. Nach der Ausführung des blauen Hintergrundes, der die Grundform des Mantels präzisiert und partiell deutlich korrigiert (Vgl. IRR), wurden die Konturen teilweise mit Schwarz nachgezogen. Das helle Blau besteht aus einem fein gemahlenen kupferhaltigen Blaupigment, das mit Weiß und wenig rotem Farblack ausgemischt ist.[1] Der Auftrag erfolgte mit lockerem Pinselduktus, wodurch die helle Grundierung immer wieder durch die Farbe hindurch scheint und dem Hintergrund einen lebendigen Charakter verleiht. Oben endet dieser unregelmäßig in etwa 10 mm Abstand zur Tafelkante; seitlich reicht der Farbauftrag jeweils exakt bis zum Tafelrand. Der Schlagschatten des Kopfes ist halblasierend schwarz-braun auf die Hintergrundfarbe aufgesetzt. Anschließend erfolgte die Ausarbeitung des Inkarnats mit Details, Lichthöhungen und Schattenlasuren wie auch die Angabe von einzelnen Haarsträhnen in Dunkelbraun, Mittelbraun und Ocker. Der rosige Grundton des Inkarnats ist partiell stärker rot ausgemischt. Plastizität wird durch Schattenlasuren in Grau und Braun erzeugt. Dabei scheint die braune transluzente Farbe die darunter befindlichen Farbschichten nicht gut benetzt zu haben und abgeperlt zu sein. Besonders im Kinnbereich hat sich so ein sehr auffälliges Erscheinungsbild aus einzelnen braunen, zusammen gelaufenen Farbsprenkeln ausgebildet. [2] Während für die Unterlippe ein heller, warmer Rosaton verwendet wurde, ist die Oberlippe deutlich kräftiger mit einem dunkleren Rotton übergangen. Die Augen sind über dem hellen Inkarnat-Grundton mit mittelbraunen Iriden ausgeführt, die mit kurzen schwarzen, von der Außenkontur nach innen einlaufenden Strichen plastisch ausgearbeitet sind. Lichtreflexe aus je drei kurzen, pastos weiß aufgesetzten Pinselstrichen geben den Lichteinfall an. [3] Die Augäpfel sind pastos weiß gehöht, der Winkel des linken Auges ist grau schattiert. Während die sehr prägnanten Bartstoppeln schwarz ausgeführt sind, wurden Wimpern und Augenbrauen in braunschwarz halblasierend auf das Inkarnat aufgesetzt. Abschließend sind einzelne Details (Lippenspalt, Augenlider) mit Schwarzbraun akzentuiert. Inschrift am oberen Bildrand in Schwarz auf den Hintergrund aufgesetzt.

Die später ergänzte Signatur und Jahreszahl ist in schwarzer Farbe auf den bereits craquelierten Hintergrund aufgesetzt. [4]

[1] Vgl. dazu Sylvia Hoblyn und Bernadett Freysoldt, REM-EDX-Untersuchungsbericht, 21.03.2021, S. 1 - 23 [Analysis-report-REM-EDX]. Der Zusatz von rotem Farblack in der Hintergrundfarbe war bei keinem anderen untersuchten Luther-Bildnis des Untersuchungszeitraumes (1519-1530) stereomikroskopisch feststellbar.

[2] Der Einsatz einer derartigen braunen Schattenlasur ist unter den untersuchten Luther-Bildnisses des Untersuchungszeitraumes (1519-1530) ohne Vergleich.

[3] Die beiden jeweils rechten Pinselstriche sind dabei so eng gesetzt, dass sie aus einiger Entfernung als ein breiter Lichtreflex wahrgenommen werden.

[4] Wenige schwarze Farbreste oberhalb des Schlangenkörpers könnten von einer früheren, verlorenen Signatur stammen. An dieser Position wäre eigentlich der aufgerichtete Flügel des Schlangensignets zu erwarten, der hier fehlt.

Rahmung

Neuer Rahmen.

[Untersuchungsbericht Wibke Ottweiler, KKL 2022]

Erhaltungszustand

Datum2018 - 2021

Tafel leicht konvex verwölbt; mittig durchlaufender instabiler Längsriss, der sich in der Malschicht abzeichnet. Starker, inaktiver Anobienbefall mit zahlreichen Ausfluglöchern auf der Rückseite der Tafel. Rückseitig mit heute braunem, partiell versprödetem Bindemittel eingelassen, dabei Ausfluglöcher gefüllt und die Fugenkaschierung eingebettet.

Malschicht insgesamt gut erhalten, besonders das Inkarnat, wobei die obersten Farbschichten leicht verputzt sind. Hintergrund stärker verputzt, zahlreiche verfärbte Retuschen und Reste einer ehemaligen, wohl großflächigen Übermalung, beide unter dem jüngsten Firnis. Jüngere Retuschen über dem jüngsten Firnis vor allem im Mantel. Gleichmäßiges Alterscraquelée.

  • untersucht von Wibke Ottweiler

Bildträger aus dem selben Baum gefertigt

Zitieren aus dem Cranach Digital Archive

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