Das Doppelbildnis des Kunstmuseums Bern gehört mit Werken in Berlin (IV.M21), Oldenburg (IV.M22) und Genf (IV.M23) zu einer Gruppe, die Luther und von Bora als Halb- bzw. Dreiviertelfigur zeigen und damit den Bildausschnitt gegenüber den anderen Vertretern der Gruppe IV deutlich erweitern.[1] Als Doppelporträt sind lediglich das vorliegende und das
Das Doppelbildnis des Kunstmuseums Bern gehört mit Werken in Berlin (IV.M21), Oldenburg (IV.M22) und Genf (IV.M23) zu einer Gruppe, die Luther und von Bora als Halb- bzw. Dreiviertelfigur zeigen und damit den Bildausschnitt gegenüber den anderen Vertretern der Gruppe IV deutlich erweitern.[1] Als Doppelporträt sind lediglich das vorliegende und das Berliner Exemplar erhalten. Luthers Darstellung erlangt durch seine den Bildraum ausfüllende Schaube eine gesteigerte Präsenz gegenüber dem Bildnis Katharinas. Die Tafeln zeigen die ab 1529 üblichen Bildinschriften, die die Dargestellten namentlich bezeichnen und mit programmatischen Bibelversen verknüpfen.[2]
Die beiden Bildnisse sind, wie für dieses Tafelformat[3] in der Cranach-Werkstatt üblich, aus drei horizontal ausgerichteten Brettern zusammengefügt und rückseitig nur grob mit dem Schropphobel geglättet.[4] Der mit ocker- und rotfarbigen Farbsprenkeln versehene dunkelbraune Rückseitenanstrich könnte entstehungszeitlich sein.[5]
Die malerische Qualität des Luther-Bildnisses erscheint durch nachfolgende Bearbeitungen und damit einhergehende Zustandsveränderungen heute stark beeinträchtigt. So ist etwa das Fehlen wesentlicher Details, wie Wimpern, Augenbrauen, Reflexlichter, sowie der für die Modellierung des Inkarnats wichtigen Lasuren auf Bereibungen der Oberfläche zurückzuführen, die auch ursächlich für zahlreiche Retuschen sein dürften.[6] Der bessere Erhaltungszustand des von Bora-Pendants lässt die ursprüngliche Qualität des Luther-Bildnisses erahnen.[7] Dessen ungeachtet weisen die beiden Bildnisse Merkmale auf, die sie als typische Werkstattarbeiten einordnen lassen.[8] Die in Größe und Linienverlauf übereinstimmenden Gesichtskonturen sowie die schematische Linienführung der Unterzeichnung lassen die Verwendung einer Pause vermuten.[9] Der hellblaue Hintergrund erscheint in einem gestupft wirkenden Pinselduktus, wie er auch bei wenigen weiteren Luther-Bildnissen auftritt.[10]
Daniel Görres, Wibke Ottweiler
[1] Das ebenfalls im größeren Bildausschnitt, aber in deutlich größerem Tafelformat gefertigte Augsburger Doppelbildnis (IV.M24.) zeigt Luther gemeinsam mit Johann Friedrich I. von Sachsen.
[2] Bei Luther leicht variiert mit „DML“ statt dem üblichen „ML“. Der Wahlspruch Luthers „IN SILENCIO ET SPE ERIT FORTITVDO VESTRA“ entstammt Jesaja 30,15 und wird bei Luther übersetzt als „Durch stille sein und hoffen würdet ir starck sein.“ (WAB 11/1, S. 96). Beim Bildnis Katharina von Boras heißt es: „SALVABITVR PER FILIORUM GENERACIONEM“ (1. Tim. 2,15) in der Übersetzung Luthers: „Sie wirt aber selig werden durch kinder geperen“ (WAB 7, S. 262); vgl. zu den Inschriften auch den Text zu Bildnisgruppe IV.
[3] Format C nach Heydenreich 2007a.
[4] Vgl. dazu IV.M21, IV.M22, IV.M23 oder auch [DE_smbGG_589] sowie Heydenreich 2007b, S. 72–73. Die Fugen wurden offensichtlich rückseitig und – dem charakteristischen Krakelee-Bild nach zu urteilen – auch vorderseitig kaschiert. Augenscheinlich könnte es sich bei dem Kaschierungsmaterial um mit Leim aufgebrachte Tiersehnen handeln, eine u. a. in der Cranach-Werkstatt gängige Technik (nachgewiesen u. a. bei [CH_MAS_A1950], vgl. dazu auch Ausst.-Kat. Düsseldorf 2017, S. 258).
[5] Die Farbsprenkel im Sinne einer Steinimitation treten in ähnlicher Form an den Rückseiten der Bildnisse [ES_MTB_109-1949-1] und [F_PPP_PTUCK4] auf, die Hans Cranach zugeschrieben sind. Im Zuge der Entfernung von ehemals auf die seitlichen Tafelränder aufgesetzten Vertikalleisten und der Ergänzung von über Brettfugen und Rissen aufgesetzten Querleisten ist der Rückseitenanstrich samt der ursprünglichen Faserkaschierung teilweise abgetragen worden.
[6] Die Maßnahmen sind nicht dokumentiert.
[7] Auffällig ist das kaum ausgeprägte Alterskrakelee beider Tafeln, das möglicherweise auf die verhältnismäßig dicke Grundierung zurückzuführen sein könnte.
[8] Dies gilt für die Holzauswahl und Tafelbearbeitung ebenso wie für die Malweise, die sich durch hohe Flächenkontraste der mit geringer Überlappung nebeneinander gesetzten Farbbereiche auszeichnet, bis hin zu Spezifika wie den schräg zur Form weich vertriebenen Binnenkonturen, den mit dem Spitzpinsel aufgesetzten Härchen in drei unterschiedlichen Brauntönen und die mit einer schlecht fließenden, hoch deckenden schwarzen Farbe aufgetragene Signatur.
[9] Die Überblendung der Infrarotreflektogramme mehrerer Exemplare dieser Bildnisgruppe ergibt eine sehr hohe Deckungsgleichheit der wesentlichen Binnenkonturen.
[10] Einen ähnlichen Pinselduktus weisen III.M11, IV.M6 und V.M2 auf. Bei den übrigen Tafeln wird mit dem aquarellartig wirkenden, teils lasierend, teils opak aufgetragenen Blau eine lebendigere Wirkung erzielt.
Quellen / Publikationen:
Schade 1999, S. 52–53.