„Vor blaugrünem Grund hebt sich der markige Kopf Martin Luthers ab. Er trägt ein schwarzes Gewand und ein schwarzes Barett, welches das fast graphisch behandelte und doch in den zarten Fleischtönen so malerisch wirkende Gesicht des großen Reformators besonders lebendig hervortreten lässt.“[1] Mit diesen Worten beschrieb Max Bendel im Jahr
„Vor blaugrünem Grund hebt sich der markige Kopf Martin Luthers ab. Er trägt ein schwarzes Gewand und ein schwarzes Barett, welches das fast graphisch behandelte und doch in den zarten Fleischtönen so malerisch wirkende Gesicht des großen Reformators besonders lebendig hervortreten lässt.“[1] Mit diesen Worten beschrieb Max Bendel im Jahr 1944 das vorliegende Bildnis, bevor es bei einem Bombenangriff am 1. April 1944 stark zerstört wurde.[2] Heute ist sein damaliges Erscheinungsbild nur in Form einer Schwarzweiß-Fotografie überliefert.[3]
Das Bildnis wurde auf einer Buchenholztafel ausgeführt, die aus zwei horizontal ausgerichteten Brettern gefügt ist.[4] Die Brettfuge wurde beidseitig kaschiert.[5] Nach der dendrochronologischen Untersuchung datiert der jüngste nachgewiesene Jahrring in das Jahr 1531.[6] Bei einer Nutzung des gesamten Stammquerschnitts sowie einer Mindestlagerungszeit des Holzes von zwei Jahren könnte das Bildnis ab 1533 entstanden sein. Die in Gelb aufgebrachte Jahreszahl „1528“ entspricht demnach nicht dem Herstellungsjahr der Tafel, sondern datiert diese in das Anfangsjahr der Bildnisgruppe zurück. Damit handelt es sich bei dem vorliegenden Werk um eines jener Exemplare, welche noch einige Jahre nach Einstellung einer Bildnisserie innerhalb der Cranach-Werkstatt „nachproduziert“ wurden, indem nicht nur der Bildnistyp, sondern auch die Jahreszahl kopiert wurde. Bemerkenswert erscheint die Ausführung von Schlangensignet und Jahreszahl in Gelb[7] sowie die Umsetzung des zweiteiligen Kragenverschlusses an Luthers Schaube.[8] Ein solches werkstatt-internes Kopieren von Einzelexemplaren über mehrere Jahre hinweg scheint keine Ausnahme gewesen zu sein.[9]
Laut Bendel weist das Bildnis eine prominente Provenienz auf. Aus dem Besitz des Herzogs von Weimar[10] stammend, gelangte es als Geschenk an Johann Gottfried Herder. Dessen Witwe überließ es Johann Georg Müller. Zusammen mit Müllers Bibliothek gelangte das Bildnis schließlich in den Besitz der Stadt Schaffhausen.[11] Die Rückseite der Tafel trägt mittig ein ovales Wachssiegel mit Wappenfeld, das nicht zuletzt wegen seiner schweren Lesbarkeit bis heute nicht aufgelöst werden konnte. Es zeigt ein mit den Buchstaben „G“ und „P“ überschriebenes Schild mit Kreuz auf Berg oder Kirchturmspitze.
Die hochrangige Provenienz sowie eine „ausgezeichnete Ausführung“[12] veranlassten Bendel zu der Vermutung, es könne sich hier nicht um eine der typischen Werkstattarbeiten handeln. Diese Einschätzung muss freilich angesichts des heutigen Zustands der Tafel offen bleiben.
Daniel Görres, Wibke Ottweiler
[1] Bendel 1944, S. 18.
[2] Ebd., S. 5.
[3] Vgl. Schaffhausen 1938, S. 81.
[4] Alle in der Cranach-Werkstatt bis 1530 entstandenen Luther-Bildnisse dieses Formats sind dagegen auf einem einzigen, vertikal ausgerichteten Brett ausgeführt.
[5] Dazu dienten Fasern aus Rindersehnen in Glutinleim. Die Verwendung von Tiersehnen als Kaschierungsmaterial u. a. für Brettfugen wurde in jüngerer Zeit häufiger nachgewiesen (vgl. Kühnen / Herm 2016; Baum et al. 2019, S. 81 – 82, für die Cranach-Werkstatt Ausst.-Kat. Düsseldorf 2017, S. 258, und [PRIVATE_NONE-P109] und [PRIVATE_NONE-P093].
[6] Wie Anm. 1.
[7] Beide sind heute verloren, jedoch weist die Schwarzweißaufnahme eine helle Farbe aus, wofür im Abgleich mit den anderen Tafeln dieser Zeit nur Gelb in Frage kommen kann.
[8] Die in Gelb ausgeführten Signaturen treten unter den Luther-Bildnissen nur bis 1528 auf und wurden danach durch Schwarz abgelöst. Es wurde also nicht nur die Angabe des Jahres, sondern auch die Spezifität der Ausführung imitiert. Gleiches gilt für den aus Dreieck und Ring bestehenden Kragenverschluss, der auf der historischen Fotografie deutlich zu erkennen ist, wenngleich die graphisch anmutende Ausführung der beiden Elemente auf der Abbildung ungewöhnlich erscheint. In dieser zweiteiligen Form ist der Verschluss an den datierten Luther-Bildnissen der Cranach-Werkstatt ausschließlich im Jahr 1528 nachweisbar, während an den Bildnissen der Jahre 1529 und 1530 stets ein einteiliger, nur aus dem dreieckigen Knopf bestehender Verschluss auftritt.
[9] Zwei weitere Beispiele für diese Praxis sind das kleinformatige Luther-Bildnis, das Luther im Typus der 1526 ausgeführten Bildnisserie zeigt, nach der dendrochronologischen Auswertung aber erst ab 1533 entstanden sein kann (III.M-Sup01, [DE_SAOH_2000-3a]), sowie die 1533 bezeichnete Braunschweiger Luther-Tafel ([DE_HAUMB_GG23]), ausgeführt auf einem Buchenholzbrett mit einem ins Jahr 1535 datierten jüngsten Jahrring (vgl. dazu Klein 1994, S. 200, sowie Ausst.-Kat. Düsseldorf 2017, S. 258).
[10] Es muss wohl Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757–1828) gemeint sein.
[11] Vgl. Bendel 1944, S. 18.
[12] Ebd.
Quellen / Publikationen:
Schaffhausen 1938, S. 81; Bendel 1944, S. 18–19, 89.