Das Doppelbildnis zeigt Martin Luther und Katharina von Bora in dem ab 1528 gängigen Typus vor blauem Grund. Der hochgestellte Kragen von Luthers Schaube korrespondiert mit dem des schwarzen Kleides Katharina von Boras.[1] Diese trägt eine Haube, deren durchsichtiger Stoff den Blick auf ein brokatverziertes Haarnetz freigibt und nach unten in ein Kinntuch ausläuft, das den Hals Katharinas bedeckt. Am linken Bildrand sind über Luthers Schulter die Jahreszahl und das Schlangensignet in gelber Farbe angebracht.
Beide Bildnisse sind auf jeweils einem hochrechteckigen astfreien Buchenholzbrett mit vertikalem Faserverlauf ausgeführt. Die dendrochronologische Untersuchung weist die Luther-Tafel einem Stamm zu, dessen jüngster nachgewiesener Jahrring aus dem Jahr 1522 stammt.[2] Bei einer Nutzung des gesamten Stammquerschnitts sowie einer Mindestlagerungszeit des Holzes von zwei Jahren,[3] könnte das Bildnis ab 1524 entstanden sein. Aus demselben Baumstamm wurden elf weitere Bretter für neun Gemäldetafeln gewonnen, die zwischen 1525 und 1535 datieren.[4] Der Bildträger für das Bildnis der Katharina von Bora ist einem anderen Buchenstamm entnommen, dessen jüngster nachgewiesener Jahrring aus dem Jahr 1526 stammt.[5] Unter Berücksichtigung der Lagerzeit nach Klein kann das Doppelbildnis also ab 1528 entstanden sein.[6] Die etwa 1,3 cm starken Coburger Tafeln sind, wie die Mehrzahl der Exemplare aus Bildnisgruppe IV, zur Rahmung umlaufend am Rand auf eine Kantenstärke von ca. 5–6 mm abgefast worden. Die mit dem Schropphobel grob geebneten Rückseiten weisen keinen Rückseitenanstrich auf.[7]
Die im Infrarotreflektogramm deutlich sichtbare Unterzeichnung gibt die Außen- und Binnenkonturen des Gesichtes in dünnem Strich an. Die Charakteristik der Linien[8] und die hohe Deckungsgleichheit der Gesichtskonturen mit weiteren Exemplaren dieser Bildnisserie legen die Verwendung einer Pause zur Übertragung nahe.[9] Geringe Abweichungen zwischen der zeichnerischen Bildanlage und der malerischen Ausführung zeigen sich in der vorliegenden Version, etwa an den Augen Katharina von Boras. Diese sind insofern bemerkenswert, als an den anderen Exemplaren der Bildnisserie keine solchen Änderungen im Malprozess nachweisbar sind. Die Malweise zeichnet sich durch eine in der Bildnisgruppe IV vergleichsweise hohe Qualität aus.[10] Mit wenigen dünnen Schichten, hohen Flächenkontrasten und einzelnen, markant gesetzten Farbakzenten wird dabei eine eindrückliche und sehr unmittelbare Wirkung erzielt. Souverän gesetzte, pastose Reflexlichter beleben die über weich vertriebenen Lasuren aufgebauten Augen. Die im Kontrast zu den schwarzen Flächen stehende Plastizität und Lebendigkeit des Inkarnats wird durch wenige Lasuren erzielt, die Licht und Schatten modellieren. Anders als bei den Vergleichswerken sind am Coburger Exemplar Haar und Augen Luthers dunkler gehalten, während das Inkarnat etwas fahler wirkt. Korrekturen der Außenformen von Schaube und Barett mittels der Hintergrundfarbe sind ausgeprägter als bei den anderen Exemplaren dieser Bildnisgruppe.[11]
Die vergleichsweise freie Ausführung und die hohe malerische Qualität heben das Werk von den anderen Exemplaren der Bildnisgruppe ab und können als Indizien für eine direkte Beteiligung Lucas Cranach d. Ä. interpretiert werden.
Daniel Görres, Wibke Ottweiler
[1] Der Kragenverschluss an Luthers Schaube ist wie bei allen 1528 datierten Luther-Bildnissen zweiteilig mit Schlaufe an seinem linken und dreieckigen Knebel an seinem rechten Revers ausgeführt (vgl. dazu Hänsch / Ottweiler 2022).
[2] Vgl. Klein (wie Anm. 1).
[3] Ebd.
[4] Vgl. dazu die Querauswertung der dendrochronologischen Befunde in Ottweiler, Wibke: Kunsttechnologische Beobachtungen an den frühen Luther-Gemälden aus der Werkstatt Lucas Cranach d. Ä. (in Vorbereitung).
[5] Vgl. Klein (wie Anm. 1).
[6] Vgl. auch Weschenfelder 2018, S. 172–177, Nr. 37, 38.
[7] Bis auf eine weitere Tafel (IV.M17), die rückseitig allerdings nachbearbeitet wurde, weisen alle übrigen Tafeln dieser Bildnisserie einen dunklen Rückseitenanstrich auf.
[8] Die feinen Linien scheinen abschnittsweise von regelmäßig auftretenden ca. 1–2 mm langen anschwellenden Sequenzen überlagert zu werden, wodurch ein gestrichelt wirkendes Erscheinungsbild entsteht. Außerdem treten vereinzelt Doppelkonturen auf, etwa am Kinn, wo sich zwei Linien treffen und am Schnittpunkt um wenige Millimeter überlappen. Vergleichbare Befunde sind nachweisbar bei IV.M3, IV.M4, IV.M12, IV.M14 und IV.M20. Vgl. weiterführende Angaben in Ottweiler, Wibke: Kunsttechnologische Beobachtungen an den frühen Luther-Gemälden aus der Werkstatt Lucas Cranach d. Ä. (in Vorbereitung); Weschenfelder 2018, S. 176, konstatiert dagegen eine freie Pinselvorzeichnung.
[9] Überblendet wurden die Gesichtskonturen von IV.M2a, IV.M3a, IV.M4a, IV.M11a, M.IV12a, M.IV14a und IV.M15a. Alle Exemplare zeigen eine sehr hohe Übereinstimmung in absoluter Größe.
[10] In einem Gutachten vom 16.11.1935, das sich in der Bildakte der Kunstsammlungen der Veste Coburg befindet, vermerkt Max J. Friedländer, dass es sich um die, nach seiner Kenntnis, besten Exemplare handele. Vgl. hierzu auch Weschenfelder 2018, S. 176.
[11] Vgl. Einleitung zu Bildnisgruppe IV.
Quellen / Publikationen:
Ausst.-Kat. Schweinfurt 1985, Nr. 11; Hoffmann 1990, S. 43; Braunfels 1996, S. 45–46; Schuchardt 2004, S. 21; Weschenfelder 2018, S. 172–177, Nr. 37, 38.