Bildträger
Buche (augenscheinlich). Ein hochrechteckiges, astfreies Brett [1] mit vertikalem Faserverlauf. Tangentialer Brettschnitt mit Kernseite zur Malschicht.
Die Tafelstärke ist rückseitig mit einem Schropphobel in vertikalen, bis zu 2,4 cm breiten Zügen grob auf 10 mm Stärke reduziert. An ihren oberen und unteren Enden wurde der Hobel je einmal horizontal geführt, um die Ansätze optisch zu begradigen. Die Tafel ist rückseitig umlaufend auf eine Randstärke von 2 - 4,5 mm abgefast [2] und dabei in den Ecken am stärksten gedünnt. In den abgeschrägten Flächen markieren sich feine, schräg parallel verlaufende Werkspuren, die von der vibrierenden Klinge eines mindestens 3,5 cm breiten, leicht gewölbten Eisens (Ziehklinge) oder von einer Feile stammen können. [3] (Abb. DE_MHB_1a_FR-none_2019_Reverse-Detail-002 und DE_MHB_1a_FR-none_2019_Reverse-Detail-003)
Der dunkle Rückseitenanstrich wurde vermutlich im gerahmten Zustand ohne Grundierung direkt auf das Holz aufgebracht; er endet umlaufend etwa 1 cm innerhalb des Tafelformates. In den Randbereichen finden sich rückseitig Leimrückstände von der ursprünglichen Verleimung der Tafel im Nutrahmen. (Abb. DE_MHB_1a_FR-none_2019_Reverse-Detail-001)
[1] 38,2 cm (rechts) - 38,5 cm (links) x 24,4 cm (unten) - 24,7 cm (oben) x 2 mm (in den Ecken) - 10 mm (mittig).
[2] Die Fase weist eine Breite von etwa 2 cm (oben) – 5 cm (unten) auf.
[3] Ähnliche Bearbeitungsspuren finden sich an den Tafeln in Mailand [I_MPP_1035] (KKL IV.M13b) und [I_MPP_1036] (KKL IV.M13a).
Grundierung und Imprimitur
Weiße mitteldicke Grundierung, sorgfältig geschliffen. Auftrag nicht ganz randbündig, der Verlauf der Grundierkante ist allerdings aufgrund aufliegender Übermalungen nicht überall zuverlässig zu bestimmen. [1]
Optisch, auch unter Vergrößerung, zeigen sich keine Hinweise auf eine Imprimitur.
[1] Am oberen und unteren Tafelrand liegt in Unterbrechungen der Übermalung abschnittsweise der ungrundierte Holzbildträger frei, die Grundierung ist hier also nicht randbündig aufgetragen. Ein deutlicher Grundiergrat zeichnet sich nicht ab, vielmehr zeigt sich ein unregelmäßiges "Auslaufen" hin zur Kante. Die Grundierung weist die typisch blasige Struktur auf, wie sie auch an den Tafelkanten von Vergleichswerken (KKL III.M7, IV.M5, IV.M12, IV.M14) auftritt. Bei der Mehrzahl dieser Exemplare sind je zwei gegenüberliegende Kanten vollständig randbündig grundiert, während die beiden anderen Kanten einen ungrundierten Rand aufweisen. Meist findet sich auch hier kein ausgeprägter Grundiergrat. Vorstellbar ist, dass die Tafeln zur Grundierung temporär in zwei Nutleisten eingeschoben wurden. Die Grundierung scheint dabei zwischen Nutleisten und Tafel eingelaufen zu sein, was den unregelmäßigen Verlauf nicht ganz bis zum Rand und die blasige Struktur erklärte. Ein ursprünglich möglicherweise schwach ausgeprägter Grundiergrat könnte anschließend geglättet worden sein.
Unterzeichnung
Im Infrarotreflektogramm, aber auch mit bloßem Auge, ist die feine Unterzeichnung der Gesichtskonturen deutlich sichtbar. [1] Sowohl die Außen- als auch die Binnenkonturen sind in gleichmäßig dünnem Strich angegeben. Die feinen Linien scheinen abschnittsweise von regelmäßig auftretenden ca. 1-2 mm langen anschwellenden Sequenzen überlagert zu werden, wodurch ein gestrichelt wirkendes Erscheinungsbild entsteht. (Abb. DE_MHB_1a_FR-none_2019_Detail-018, DE_MHB_1a_FR-none_2019_IRR-Detail-002) Außerdem treten vereinzelt Doppelkonturen auf, so zum Beispiel am Kinn, wo sich zwei Linien treffen und am Schnittpunkt um wenige Millimeter überlappen. [2] Zudem zeigt die Überblendung der unterzeichneten Gesichtskonturen mehrerer Exemplare dieses Bildnistyps in absoluter Größe eine hohe Übereinstimmung wesentlicher Linien. [3] Diese Merkmale deuten auf die Verwendung einer Pause hin. [4]
[1] Die Sichtbarkeit der Unterzeichnung dürfte durch eine altersbedingte Transparenzerhöhung des Bleiweißanteils im Inkarnat verstärkt worden sein. Vgl. dazu etwa Abb. DE_MHB_1a_FR-none_2019_Detail-018.
[2] Vergleichbare Phänomene sind auch an [DE_KSVC_M417] (KKL IV.M2a), [DE_KSW_G559] (KKL IV.M3a), [DE_NLMH_PAM973] (KKL IV.M4a), [DE_KBSB_B59] (KKL IV.M14a), [DE_SPSG_GKI50476] (KKL IV.M15), [CH_KMBe_592] (KKL IV.M20a) zu beobachten.
[3] Am Objekt durch Umzeichnung nachgewiesen bei KKL IV.M1, IV.M2a, IV.M5a, IV.M12a, IV.M14, IV.M15, IV.M17, IV.M18, IV.M20a. Durch digitale Überblendung geprüft bei KKL IV.M1-IV.M23.
[4] Vgl. dazu auch die Ausführungen im KKL-Begleitband (in Vorbereitung).
Farbschichten und Metallauflagen
Die einzelnen Farbflächen sind mit geringer Überlappung zügig nebeneinander gesetzt [1] und in folgender Reihenfolge aufgebaut: Zuerst erfolgte die flächige Anlage des Kopfes, im Inkarnat mit einem hellrosafarbenen Grundton, der mit einem sehr feinen Rotpigment, Weiß und wenig Blau ausgemischt ist. Das Deckhaar ist anschließend mit breitem Pinsel in streifigem Auftrag halbdeckend braun unterlegt. Im Inkarnat erfolgte auf dem Grundton die Feinmodellierung mit weich vertriebenen Lasuren, die in Wangen, Nase und Augenlidern stärker rot ausgemischt sind. Die Außen- und Binnenkonturen sind halbdeckend braun angelegt. Die weiteren Schattenlasuren sind braun-schwarz ausgemischt. [2] Der Mund ist über der grauen Verschattung von Lippenspalt und Mundwinkeln rot angelegt, wobei die Oberlippe etwas kräftiger und dunkler ausgemischt ist als die Unterlippe. Anschließend ist der Lippenspalt mit einer opaken braunen Linie akzentuiert. Die Augäpfel sind allein durch wenige pastose Weißhöhungen über dem Grundton des Inkarnats angegeben; die Form der Iriden wird über einer streifigen grauen Unterlegung zunächst durch Braunlasuren vorgegeben und ihre Plastizität dann mit Schwarz der Kontur folgend ausgearbeitet. Die Pupillen sind schwarz aufgesetzt. Je zwei pastose sichelförmige Pinselstriche dienen als Reflexlichter in der rechten Seite der Iriden. Weitere kleine Glanzpunkte beleben den inneren Augenwinkel des rechten Auges. Wimpern und oberer Lidstrich sind abschließend dunkelbraun aufgesetzt. Auffällig ist das Fehlen von Wimpern am Unterlid des linken Auges. [3]
Die Ausführung des Hintergrundes erfolgte mit leuchtend blauer Farbe von offensichtlich hoher Viskosität, die aus einem sehr fein gemahlenen Blaupigment mit vereinzelten gröberen Partikeln besteht und Weiß ausgemischt ist. Der Pinselduktus ist besonders in den Grenzbereichen zum Inkarnat markant, wo der Pinselstrich den Gesichtskonturen folgt. Die weiße Grundierung scheint unregelmäßig durch diese Farbschicht und trägt so zur Belebung des Hintergrundes bei. Der Farbauftrag endet am oberen Rand einige Millimeter innerhalb der Tafelfläche. Seitlich verhindern flächige Übermalungen die Beurteilung der Auftragsgrenze. Das schwarze Gewand wie auch das Barett sind wohl lasierend braun unterlegt [4] und darüber mit Schwarz und Weiß nass in nass modelliert, wobei das Volumen sowie die Angabe von Kragen, Nähten und Falten durch stärkere Ausmischung mit Weiß erreicht werden. Die Konturen sind anschließend mit Schwarz nachgezogen. Einzelne Haarsträhnen wurden danach in Dunkelbraun und Orangebraun aufgesetzt. Die rasche Malweise lässt sich hier besonders gut nachvollziehen: Beim Auftrag der einzelnen Härchen war die schwarze Farbe noch nicht getrocknet, so dass der Pinsel die Farben ineinander trieb.
Die Signatur der Cranachwerkstatt und die Jahreszahl 1529 sind in schwarzer Farbe an den linken Bildrand gesetzt. Der Körper der nach rechts gerichteten geflügelten Schlange besteht aus fünf aneinander gesetzten Rundbögen. Die Farbe scheint von schlecht fließender Konsistenz gewesen zu sein, so dass längere geschwungene Formen nicht malbar waren. Auch die Jahreszahl wirkt eher ungelenk, wofür ebenfalls die Farbbeschaffenheit ursächlich sein mag.
Ein entscheidender Vorteil der schwarzen Farbe, die auch für Gewänder und Barett Verwendung fand, kann wohl in der extrem hohen Deckkraft gesehen werden, die auf das äußerst feine Schwarzpigment (Ruß? [5]) zurückzuführen ist.
[1] Je nach Bereich war die zuvor gemalte Farbfläche bereits getrocknet oder noch feucht.
[2] Das verwendete sehr grobkörnige Schwarzpigment zeigt im Mikroskopbild die charakteristische Morphologie von Pflanzenschwarz.
[3] Bei den anderen bekannten Exemplaren dieses Bildtyps in nahezu identischer Ausführung ist das Unterlid mit 12 - 14 einzelnen Wimpernhärchen akzenturiert. Vgl. dazu etwa [DE_SMG_SG18] (KKL IV.M11a), [I_MPP_1036] (KKL IV.M13a), [DE_KBSB_B59] (KKL IV.M14a), [IT_GdU_1160] (KKL IV.M7a), [DE_KMG_34-1955] (KKL IV.M18), [DE_KSVC_M417] (KKL IV.M2a), [HLMD_GK73a] (KKL IV.M6a), [DE_LHW_G16] (KKL IV.M5), [DE_SPSG_GKI50476] (KKL IV.M15).
[4] Es könnte sich auch um eine stark verbräunte oder pigmentierte Leimisolierung der Grundierung handeln. Allerdings ist diese Lasur in anderen Bildbereichen nicht mikroskopisch nachweisbar.
[5] Zur Verwendung von Ruß als Schwarzpigment in der Werkstatt Lucas Cranach d. Ä. vgl. auch Heydenreich, Gunnar, Lucas Cranach The Elder. Painting materials, techniques and workskop practice, Amsterdam (2007), 162 - 164.
Rahmung
Vermutlich ursprünglicher genuteter Klapp-Rahmen mit vorderseitig profilierten Leisten aus Laubholz (augenscheinlich) mit wohl originalen Scharnieren. Die frontseitig auf Gehrung geschnittenen Eckverbindungen sind rückseitig unterschiedlich ausgearbeitet. Die untere Leiste ist geschlitzt und nimmt die eingezapften Seitenschenkel auf. In diese sind am oberen Ende je eine Aussparung eingearbeitet, die von der oberen Leiste passgenau überblattet wird. Rahmenprofil: Platte - Wulst - Kehle - Wulst (Karnies), die untere Horizontalleiste mit Wasserschlag. "Die beiden, aus genuteten Schenkeln starr verleimten Rahmen nehmen die zum Bildrand hin gefasten Tafeln auf (original eingeleimt) und sind über zwei Scharniere mit der Bildseite gegeneinander zu schließen, zusätzlich mit einem Überfallhaken auf der gegenüberliegenden Seite zu arretieren. Die Scharnierbänder sind zur Holzoberfläche bündig eingelassen und mit je drei breitköpfigen Nägeln fixiert." [1] Die Leisten sind vorderseitig über Kreidegrund polimentvergoldet und außen schwarz gestrichen (Fassung 1933 partiell erneuert, nach 1933 mit Goldbronze und einem patinierenden Überzug ausgebessert [2]). Befestigungsspuren von einer früheren Aufhängung der Rahmen finden sich nicht.
1991/92 grundlegend restauriert, dabei auseinander genommen, Teile ausgesetzt, verleimt, Nut mit Stoffband ausgelegt, Rahmen zum Öffnen unten mit je zwei Messingschrauben versehen, gekittet und retuschiert. [3]
[1] Silvia Castro-Greune, Markus Freitag, Corinna Nisse: Technologie und Restaurierung des Brettener Luther-Diptychons aus der Werkstatt Lukas Cranach des Älteren, unveröffentlichte Semesterarbeit 1991/92 an der Akademie für Bildende Künste Stuttgart (Melanchthonhaus Bretten, Signatur K 2385), Teil 2: Klappbare Rahmung des Diptychons, S. 4.
[2] Ebd., S. 5.
[3] Ebd., S. 2 – 10.
[Untersuchungsbericht Wibke Ottweiler, KKL 2022]